Parlamentskorrespondenz Nr. 790 vom 20.10.2010

Grüne fordern: Kinder gehören nicht ins Gefängnis

Aktuelle Stunde im Hohen Haus zur Abschiebepraxis

Wien (PK) – Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eröffnete die heutige Plenarsitzung mit einer Aktuellen Stunde, für die die Grünen aus gegebenem Anlass das Thema "Kinder gehören nicht ins Gefängnis" gewählt haben.

Zu Beginn ihrer Wortmeldung kritisierte Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) jüngste Fälle einer, wie sie sagte, menschenunwürdigen Abschiebepraxis, die auch Kleinkinder betreffe. Der immer wieder von der Ministerin geäußerte Satz, Recht müsse Recht bleiben, gelte dort nicht mehr, wo Recht zu Unrecht werde und Kinderrechte mit Füßen getreten würden, sagte die Abgeordnete und forderte einen sofortigen Stopp von Familienabschiebungen.

Glawischnig-Piesczek kritisierte die Unübersichtlichkeit des Fremden- und Asylrechts, selbst Experten würden hier nicht mehr durchblicken. Es käme zu immer extremeren Fällen von Abschiebungen, sagte die Abgeordnete, nannte aktuelle Beispiele und forderte eine Totalreform der Gesetze. Das Problem liege nicht bloß bei einem schlechten Vollzug von Gesetzen, sondern an den gesetzlichen Grundlagen selbst, sagte sie und urgierte nochmals eine Reform des Aufenthaltsrechts und des humanitären Bleiberechts.

Bundesministerin Maria Theresia FEKTER sagte, es sei zweifellos schmerzlich, wenn man Menschen aufgrund einer klaren Gesetzeslage Illusionen zerstören müsse. Österreich habe stets Menschen in Not geholfen, sei aber auch einem starken Migrationsdruck ausgesetzt. Es gebe für Asyl und Zuwanderung klare gesetzliche Regelungen, die selbstverständlich vollzogen werden müssten. Fekter räumte ein, dass dieser Vollzug im Einzelnen optimiert werden müsse. Man habe an sich ein gutes System, zeigte sich Fekter überzeugt, heute seien nur mehr Personen in Asylverfahren, die auch dorthin gehören.

Die Bundesministerin bekannte sich voll und ganz zum humanitären Auftrag, den Österreich im Asylbereich habe. Es gebe aber europaweit geltende Regeln, die eingehalten werden müssten, da sonst Willkür entstehe. Sie werde Sorge dafür tragen, dass europäische Verträge eingehalten und das an sich gute Fremdenrecht eingehalten und human vollzogen werde. Eine große Zahl von Altfällen mit langer Verfahrensdauer im Asylbereich sei durch ein schlechtes Verfahrensmanagement des Verwaltungsgerichtshofs verschuldet worden, sagte die Ministerin. Asyl- und Verfassungsgerichtshof hingegen zeigten hier ein gutes Management. Sie stehe dazu, dass Recht bleiben müsse, denn sie sei gegen Willkür, schloss Fekter.

SPÖ-Klubobmann Josef CAP meinte, zweifellos müsse Recht auch Recht bleiben, aber Ausweisungen, die gegen grundlegende Menschenrechte verstießen, dürften nicht durchgeführt werden. Gleiches gelte auch für die vielen Altfälle im Asylbereich. Es gehe nicht um das Gesetz, sondern um dessen Vollziehung. Falls die Sicherheitspolizeidirektion nicht verstehe, wie das Gesetz im Bereich der Abschiebepraxis menschenrechtskonform zu vollziehen sei, müsse die  Ministerin den Vollzug regeln, sagte Cap und forderte einen Erlass für das Bundesasylamt, der Klarheit schaffe. Es gehe jedenfalls nicht an, die Schuld an Fehlentscheidungen, zu denen es in letzter Zeit gekommen sei, anderen zuzuschieben, meinte Cap und forderte abschließend die Ministerin nochmals auf, Klarheit im Asylbereich zu schaffen, was auch in ihrem Sinne sein müsse.

ÖVP-Klubobmann Karlheinz KOPF zeigte sich betroffen vom Schicksal abgeschobener Kinder, sah die Schuld aber bei den Behörden, die das bestehende humanitäre Aufenthaltsrecht nicht vollziehen würden. Österreich bekenne sich zu Asyl und Menschenrechten, man müsse aber auch sehen, dass Österreich Zielland einer Wirtschaftsmigration sei, die vor einigen Jahren zu einem nicht mehr bewältigbaren Zustrom an Asylwerbern geführt habe. Durch klare gesetzliche Regelungen habe man unterdessen eine Unterscheidung zwischen tatsächlichen Asylanten und Wirtschaftsmigranten und eine kürzere Verfahrensdauer bei Asylanträgen erreicht. Gleichzeitig sei das humanitäre Bleiberecht ein Kernstück der neuen Gesetzeslage. In den Fällen, in denen es fälschlicherweise nicht zuerkannt worden sei, habe die Innenministerin sofort im Sinne der Menschen reagiert.

Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) wandte sich heftig gegen die Argumente von Abgeordneter Glawischnig-Piesczek. Sie habe mit ihrer Rede gleichzeitig mit den von Abschiebung betroffenen Kindern auch kriminelle Asylwerber verteidigt. Statt Kindern solle man aber tatsächlich lieber jene afrikanischen Drogendealer abschieben, die es im Asylsystem zu Hunderten gebe. Eine hohe Anzahl von Asylwerbern würde verschwinden. Der Abgeordnete vermutete ein Untertauchen in kriminellen Organisationen. Vilimsky meinte, Österreich sei durch eine verfehlte Asylpolitik ein "Asylparadies" geworden. Bundesministerin Fekter warf er vor, vor einer "linken Asyllobby in die Knie gegangen" zu sein.

Abgeordnete Alev KORUN (G) bezog sich auf aktuelle Fälle der Abschiebung von Kindern, die einer früher getroffenen Aussage von Bundesministerin Fekter, dass Kinder unter 14 Jahren nicht in Schubhaft genommen würden, widersprächen. Sie warf der Ministerin vor, zynisch reagiert zu haben und die politische Verantwortung auf andere abzuwälzen. Der grundlegende Fehler sei im Fremdenrecht passiert, als ÖVP und SPÖ die FPÖ rechts überholen hätten wollen, meinte Korun, und forderte den Rücktritt von Ministerin Fekter.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) meinte, die Abschiebung von Kindern sei eines Rechtsstaats unwürdig. Statt Jagd auf Kinder zu machen, solle man lieber kriminelle Elemente abschieben. Es sei in den aktuellen Fällen von Abschiebungen nicht um den Vollzug von Gesetzen gegangen, sondern die ÖVP habe vor anstehenden Wahlen Härte zeigen wollen. Nach der Wahl wolle sie aber nichts mehr davon wissen, meinte Westenthaler. Er forderte ein hartes Vorgehen gegen ausländische Straftäter und eine dahingehende Sichtung der Altfälle bei Asylanträgen. Es dürfe zu keiner mutwilligen Verschleppung von Asylverfahren durch eine Asyl-Lobby kommen, sagte der Abgeordnete und sprach sich gegen eine Generalamnestie für Asylwerber aus.

Abgeordnete Angela LUEGER (S) wandte sich gegen politischen Opportunismus auf dem Rücken von Asylwerbern. In den kritisierten Fällen von Abschiebungen seien die rechtlichen Grundlagen durchaus klar gewesen. Man müsse daher für einen besseren Vollzug der Gesetze sorgen, es gebe eine große Bandbreite rechtsstaatlicher Möglichkeiten, die hier eingesetzt werden könnten. In diesem Zusammenhang sprach sich die Abgeordnete auch für eine Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung aus. 

Abgeordnete Ridi STEIBL (V) unterstrich, die ÖVP trete dafür ein, die Rechte der Kinder in der Verfassung zu verankern. Gleichzeitig kritisierte sie die Opposition, die ihrer Ansicht nach durch ihre Forderungen die Verhandlungen verzögert. Steibl machte auch klar, dass Kinder nicht ins Gefängnis gehören, und bekräftigte die Aussagen der neuen Chefin der Fremdenpolizei, die gesagt hatte, allen habe man Wertschätzung und Respekt entgegenzubringen. Die ÖVP-Mandatarin hielt die gesetzlichen Grundlagen des Asyl- und Fremdenrechts für in Ordnung, ihrer Ansicht nach müsse es aber Verbesserungen im Vollzug geben. Die Innenministerin hat nach Ansicht Steibls die richtigen Maßnahmen gesetzt, insbesondere durch die geplante Schaffung einer speziellen Infrastruktur zu einer familiengerechten Betreuung. Man könne es sich aber nicht so leicht machen, meinte Steibl, sich einfach an der Innenministerin "abzuputzen", zumal der Bescheid des Bürgermeisters von Steyr nicht korrekt war und der Verwaltungsgerichtshof sich für seine Erkenntnisse zu lange Zeit lasse.

Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) bemängelte, dass es sich bei der gegenständlichen Diskussion um eine "Beschau von Einzelfällen" handle, während es die Aufgabe des Parlaments sei, generelle Regelungen zu schaffen. Er wies darauf hin, dass die betroffenen Familien vor den Zwangsmaßnahmen ausreichend über die Abschiebung informiert worden seien, und vermutete bei allen in der Öffentlichkeit diskutierten Fällen eine bewusste Inszenierung. Den Grünen warf er vor, Schutzpatrone der illegalen Zuwanderung zu sein, und Innenministerin Fekter hielt er entgegen, die Aktion scharf kurz vor der Wahl sei "in die Hose gegangen". Ihre Reaktion darauf sei die Entfernung unliebsamer Roter gewesen, die durch Schwarze ersetzt werden.

Abgeordnete Tanja WINDBÜCHLER-SOUSCHILL (G) konterte, diese Einzelfälle würden ein furchtbares, beschämendes Symbol für Österreich darstellen und seien eine Schande. Jedes Kind und jeder Jugendliche hätten Anspruch auf gleiche Rechte, sie hätten ein Recht, sich auf den Staat verlassen zu können. Das Wohl des Kindes habe Vorrang und müsse in alle Entscheidungen einfließen. Die Grün-Abgeordnete forderte in diesem Zusammenhang die Aufnahme der Kinderrechtskonvention in die Bundesverfassung, und zwar in vollem Umfang. Sie kritisierte scharf die Abschiebung von Kindern und Jugendlichen, die dadurch ihren Lebensmittelpunkt verlieren und ihrer Zukunft beraubt werden. Die Bundesregierung traumatisiere Kinder und Jugendliche und schütze sie nicht, so das Resümee von Windbüchler-Souschill.

Abgeordneter Christoph HAGEN (B) zeigte kein Verständnis dafür, gut integrierte Kinder und Familien abzuschieben, während Straftäter im Land bleiben dürfen. Hagen schlug daher vor, Ländern, die bei der Rückführung nicht kooperieren, die Entwicklungshilfe zu streichen und forderte Ministerin Fekter auf, sich auch auf EU-Ebene für eine bessere Zusammenarbeit einzusetzen. Gleichzeitig übte Hagen aber auch Kritik an den NGOs, die durch ihre Beratungstätigkeit Kettenanträge initiieren und damit lange Verfahren in Gang setzen. Er sprach sogar von einer "Asylindustrie". Der Fall der Zwillinge Komani stellt seiner Ansicht nach den klassischen Fall für ein humanitäres Aufenthaltsrecht dar. Hagen erinnerte an den Ausländercheck, wie ihn das BZÖ vorgeschlagen hat und von dem viele Kriterien in die nun geplante Rot-Weiß-Rot-Card eingeflossen seien.

Abgeordneter Maximilian LINDER (o.F.) hielt fest, Recht müsse Recht bleiben. Es gehe nicht an, dass über das humanitäre Bleiberecht Asyl missbraucht wird, sagte er. Es könne aber auch nicht sein, Kinder in Gefängnisse zu stecken. Das humanitäre Bleiberecht sei eine gute Einrichtung, es sei aber enttäuschend, wie stümperhaft damit umgegangen werde. Er kritisierte Bundesministerin Fekter, die sich nun an den Beamten abputze, und appellierte an ihre Ministerverantwortlichkeit. (Schluss Aktuelle Stunde/Forts. NR)