Parlamentskorrespondenz Nr. 994 vom 07.12.2010

Budgetbegleitgesetz 2011 (2)

Die Maßnahmen im Sozialbereich

Wien (PK) – Die im Budgetbegleitgesetz zur Konsolidierung des Staatshaushalts vorgesehenen Maßnahmen betreffen auch die Pensionen und die Familienförderung.

Keine Pensionserhöhung für Pensionen über 2.310 €

Betroffen von den Sparmaßnahmen der Regierung ist unter anderem der Pensionsbereich. So werden im kommenden Jahr nur Pensionen bis zu einer Höhe von 2.000 € mit dem errechneten Anpassungsfaktor von 1,2 % erhöht. Pensionen über 2.310 € werden zur Gänze auf dem Stand des Jahres 2010 eingefroren. Dazwischen gibt es eine lineare Abschleifregelung.

Neu ist außerdem, dass Pensionen im ersten Pensionsjahr nicht erhöht und die beiden Sonderzahlungen, abhängig vom Pensionsantritt, nur noch aliquot ausbezahlt werden. Der zweite Sonderzahlungstermin wird von September auf den Oktober verlegt.

Höhere Pensionsversicherungsbeiträge für Selbständige und Bauern

Selbständige und Bauern müssen künftig höhere Pensionsversicherungsbeiträge zahlen. Für Selbständige wird die Eigenleistung ab dem Jahr 2011 mit 17,5 % festgesetzt (statt linear gesteigert von 16,5 % im Jahr 2011 bis 17,25 % im Jahr 2014), die Beiträge der Bauern werden sukzessive von 15,25 % im Jahr 2011 auf 16 % im Jahr 2014 erhöht. Die "Partnerleistung" des Bundes zum einheitlichen Pensionsversicherungs-Beitragssatz von 22,5 % sinkt aliquot. Ab dem kommenden Jahr leistet der Bund auch keinen Beitrag mehr zur bäuerlichen Unfallversicherung, die deshalb, wie es in den Erläuterungen heißt, inhaltlich und organisatorisch neu geregelt werden muss.

BürgerInnen anderer EU- bzw. EWR-Staaten, die keine österreichische (Teil-)Pension beziehen, erhalten bei niedriger Eigenpension künftig grundsätzlich keine Ausgleichszulage mehr.

Aus dem Familienlastenausgleichsfonds fließen für einen befristeten Zeitraum geringere Pensionsversicherungsbeiträge für Kindererziehungszeiten. Die Verzugszinsen für rückständige Sozialversicherungsbeiträge werden angehoben.

"Hacklerregelung" läuft schrittweise aus

Die besonderen Pensionsbestimmungen für Langzeitversicherte ("Hacklerregelung") laufen schrittweise aus. Männer ab dem Jahrgang 1954 werden demnach bei Vorliegen von 45 Versicherungsjahren frühestens mit 62 Jahren in den Ruhestand wechseln können, für weibliche Versicherte der Jahrgänge 1959 bis 1962 wird das Antrittsalter schrittweise von 55 Jahren auf das Regelpensionsalter von 60 Jahren angehoben. Parallel dazu steigen die benötigten Beitragszeiten auch für Frauen auf 45 Jahre. Ab dem Jahrgang 1954 für Männer und 1959 für Frauen werden außerdem bestimmte Zeiten wie Krankengeldzeiten, Ausübungsersatzzeiten und eingekaufte Schul- und Studienzeiten nicht mehr als Beitragszeiten angerechnet.

Für ältere Beschäftigte wird der Nachkauf von Schul- und Studienzeiten erheblich verteuert. Er beträgt künftig (auf Basis des Geldwerts 2010 gerechnet) 937,08 € statt wie bisher 312,36 € für Schul- und 624,72 € für Studienzeiten.

Gegenüber Personen, die mit 62 Jahren in die "Korridorpension" wechseln, haben Langzeitversicherte weiterhin den Vorteil niedrigerer Pensionsabschläge. So erhalten Männer mit Geburtsjahrgang 1954 eine um 6,3 % höhere Pension. Allerdings wird dieser Vorteil aufgrund des im Jahr 2005 eingeführten "Pensionskontos" schrittweise geringer, bis er im Jahr 2030 auf null absinkt und die "Hacklerregelung" damit de facto ausläuft. So gibt es etwa bereits für den Geburtsjahrgang 1955 nur noch ein Pensionsplus von 4,6 %.

Analog zu den neuen Bestimmungen im ASVG-Bereich werden auch entsprechende Adaptierungen im Beamtendienstrecht vorgenommen, wobei für langzeitversicherte Männer und Frauen ab dem Jahrgang 1954 hier gleichermaßen ein frühestmöglicher Pensionsantritt mit 62 Jahren gilt. Erforderlich dafür sind 42 Jahre beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit; wie im ASVG-Bereich finden nachgekaufte Schul- und Studienzeiten keine Berücksichtigung mehr. Für Geburtsjahrgänge vor 1955, die zur Gänze unter das alte Beamtenpensionsrecht fallen, wird für den Nachkauf von Schul- und Studienmonaten ein "Risikozuschlag" eingeführt.

Die jährlichen Kosten für die Übergangsregelung im ASVG-Bereich belaufen sich laut Erläuterungen bei den Frauen auf 26 Mio. € (2016) bis maximal 84 Mio. € (2017), bei Männern auf 18 Mio. € (2016) bis 91 Mio. € (2021). Kumuliert bis zum Jahr 2021 prognostiziert die Regierung insgesamt Mehrkosten in der Höhe von 650 Mio. €.

Verpflichtende Rehabilitation vor Gewährung einer Invaliditätspension

Generell erschwert wird auch der Zugang zur Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitspension. Wer wegen geminderter Arbeitsfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand wechseln will, muss künftig ein Rehabilitationsprogramm durchlaufen. Nur wenn ein solches nicht zumutbar bzw. zweckmäßig ist, ist einem Pensionsantrag stattzugeben. Für die Dauer der Rehabilitation gebührt den versicherten Personen "Übergangsgeld".

Im Gegenzug zum erschwerten Zugang wird der maximale Pensionsabschlag bei Zuerkennung einer Invaliditätspension von 15 % auf 13,8 % gesenkt. Für Personen, die das 57. Lebensjahr vollendet und in den letzten zwanzig Jahren mindestens zehn Jahre Schwerarbeit geleistet haben, beträgt die Abschlagsreduktion, befristet bis 2015, lediglich 11 %. Allerdings gelten beide Maßnahmen nur im Bereich des Pensionskontos und damit für Beschäftigte ab dem Jahrgang 1954.

Neue Bestimmungen gibt es darüber hinaus für den Berufsschutz und für Härtefälle. Auch die bislang vorgesehene Gewährung einer Invaliditätspension an Witwen mit mindestens vier Kindern fällt.

Um die Arbeitsfähigkeit von Erwerbstätigen zu verbessern und ein krankeitsbedingtes vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern, wird parallel zur Neuregelung der Invaliditätspension unter dem Titel "Fit2Work" ein spezielles Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebot für ArbeitnehmerInnen und für Unternehmen geschaffen. Außerdem wird ein Rechtsanspruch auf Rehabilitation für versicherte Personen verankert, wenn sie die Voraussetzungen für eine Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitspension voraussichtlich erfüllen.

Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen, die eine berufliche Rehabilitation absolvieren, haben künftig Anspruch auf bis zu 78 Wochen Arbeitslosengeld.

Die Zuzahlung der Betroffenen zu Rehabilitationsaufenthalten wird künftig – analog zu den Beiträgen bei Kuraufenthalten – je nach Einkommenshöhe gestaffelt. Statt einheitlich 7,17 € pro Tag (Wert 2010) sind künftig zwischen 0 € und 17 € zu zahlen.

Altersteilzeit für Frauen weiter mit 53, für Männer ab 58 möglich

Das Modell der Altersteilzeit wird Frauen weiterhin ab 53 Jahren und Männern ab 58 Jahren (jeweils sieben Jahre vor dem Regelpensionsalter) offen stehen. Allerdings wird der Zuschuss der öffentlichen Hand zum vorgesehenen Lohnausgleich (Altersteilzeitgeld) bei Inanspruchnahme der Blockvariante von 55 % auf 50 %  gesenkt. Damit soll die kontinuierliche Arbeitszeitreduktion, bei der der Zuschuss der öffentlichen Hand nach wie vor 90 % beträgt, weiter forciert werden.

ArbeitgeberInnen, die Langzeitarbeitslose im Auftrag des AMS in einem "Sozialökonomischen Betrieb" oder in einem "Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt" – etwa im Bereich des Recycling oder der Grünraumpflege – zum Zweck der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt beschäftigen, kann in Hinkunft bis zu einem Jahr eine Lohnsubvention ("Aktivierungshilfe") in der Höhe des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes gewährt werden. Dafür stehen jährlich bis zu 56 Mio. € zur Verfügung.

Familienleistungen werden gekürzt, Schulbuch-Selbstbehalt abgeschafft

Die allgemeine Altersgrenze für die Gewährung der Familienbeihilfe wird ab Juli 2011 grundsätzlich vom vollendeten 26. Lebensjahr auf das vollendete 24. Lebensjahr herabgesetzt. Für Mütter, Schwangere, Präsenz- und Zivildiener sowie für Studien mit einer Mindeststudiendauer von zehn Semestern sind allerdings Ausnahmen vorgesehen. In diesen Fällen ist ein Bezug von Familienbeihilfe bis zum 25. Lebensjahr möglich. Gleiches gilt für erheblich behinderte Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden.

Für volljährige Kinder zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr, die beim AMS arbeitssuchend vermerkt sind, sowie für die ersten drei Monate nach Abschluss einer Berufsausbildung wird, anders als bisher, ebenfalls keine Familienbeihilfe mehr gezahlt. Die Zeit zwischen der Matura und dem frühestmöglichen Beginn eines Studiums bleibt jedoch abgedeckt.

Im Gegenzug dürfen volljährige Jugendliche, die sich in Berufsausbildung befinden, in Hinkunft jährlich bis zu 10.000 € (bisher 9.000 €) an steuerpflichtigem Einkommen dazuverdienen, ohne die Familienbeihilfe zu verlieren.

Um den Verwaltungsaufwand der Finanzämter zu reduzieren und den Anspruchsnachweis auf Familienbeihilfe zu erleichtern, sollen die gesetzlichen Voraussetzungen für einen automationsgestützten Datenverkehr zwischen Finanzämtern und Universitäten geschaffen werden.

Der Budgetkonsolidierung zum Opfer fällt auch die erst vor zwei Jahren eingeführte und jeweils im September ausgezahlte "13. Familienbeihilfe". An ihrer Stelle wird ab kommendem Jahr im September für jedes Kind im Alter von 6 bis 15 Jahren ein Zusatzbetrag zur Familienbeihilfe von 100 € gewährt.

Der Mehrkindzuschlag, den Familien mit einem jährlichen Einkommen von weniger als 55.000 € für das dritte und jedes weitere Kind erhalten, reduziert sich von 36,4 € auf 20 €.

Zugute kommt Familien die ersatzlose Streichung des Selbstbehalts für Schulbücher.

Insgesamt werden durch die Kürzung der Familienleistungen laut Erläuterungen im Jahr 2011 247,8 Mio. € und ab dem Jahr 2012 weitere 23,4 Mio. € eingespart. Dem gegenüber führt die Streichung des Selbstbehalts für Schulbücher zu jährlichen Mehrkosten von 9,7 Mio. €.

Zugang zum Pflegegeld wird erschwert

Im Sozialbereich wird der Zugang zum Pflegegeld erschwert. Um Pflegegeld der Stufe 1 zu erhalten, muss künftig ein Pflegebedarf von monatlich 60 Stunden (bisher 50 Std.) nachgewiesen werden, Pflegegeld der Stufe 2 wird ab 85 (bisher 75) Stunden Pflegebedarf zuerkannt. Gleichzeitig ist eine Erhöhung des Pflegegelds der Stufe 6 von 1.242 € auf 1.260 € vorgesehen. Die Zahl der Entscheidungsträger im Bereich des Bundespflegegeldgesetzes wird gemäß einer Empfehlung des Rechnungshofs reduziert.

Berechneten Einsparungen auf Bundesebene von 21 Mio. € im Jahr 2011 bis zu 147 Mio. € im Jahr 2014, stehen Mehraufwendungen von 3,04 Mio. € im Jahr 2011 und 4,61 Mio. € im Jahr 2014 gegenüber. Für Menschen, die bereits Pflegegeld der Stufen 1 und 2 beziehen oder beantragt haben, gelten die Änderungen nicht.

Kündigungsschutz für behinderte Menschen vorübergehend ausgesetzt

Der spezielle Kündigungsschutz für Menschen mit Behinderungen wird vorübergehend ausgesetzt. Begünstigte Behinderte, die ab 2011 neu eingestellt werden, können innerhalb der ersten vier Jahre wie jeder andere ArbeitnehmerInnen gekündigt werden.

Parallel dazu wird die Ausgleichstaxe für die Nichteinstellung behinderter Menschen für große Betriebe angehoben. Dienstgeber, die die Einstellungspflicht von einem begünstigten Behinderten pro 25 ArbeitnehmerInnen nicht erfüllen, müssen 2011 für jede offene Pflichtstelle monatlich mindestens 226 € (2010: 223 €) zahlen. Hat der Betrieb mehr als 100 Beschäftigte, steigt die Ausgleichstaxe auf 316 € pro offener Pflichtstelle, bei mehr als 400 Beschäftigten auf 336 €. Wie bisher wird der Betrag jährlich valorisiert.

Neu gestaltet wird auch die finanzielle Unterstützung zur Förderung der Mobilität von Menschen mit Behinderungen. Die bisher gewährte Rückerstattung der Normverbrauchsabgabe für Fahrzeuge bis zu einem Kaufpreis von 20.000 € (ohne Spezialausstattung) entfällt. Im Gegenzug werden die steuerlichen Begünstigungen erhöht. Die Maßnahmen sind laut Erläuterungen kostenneutral.

Der Zeitrahmen für die barrierrefreie Gestaltung von Bundesgebäuden wird bis Ende 2019 erstreckt, wobei die Ministerien, das Parlament und die anderen Obersten Organe bis Ende 2010 den für ihren Bereich geltenden Etappenplan im Internet veröffentlichen müssen.

Auch für andere erforderliche Umbauten werden die Universitäten drei Jahre länger Zeit haben als ursprünglich vorgesehen: Die Vorgaben des Arbeitsinspektorats müssen erst bis zum 1. Oktober 2016 erfüllt werden.

(Fortsetzung Budgetbegleitgesetz)