Parlamentskorrespondenz Nr. 55 vom 20.01.2011

Aktuelle Europastunde im Zeichen der Entwicklung der Euro-Zone

FPÖ fordert Kein Euro-Haftungsschirm ohne Volksabstimmung

Wien (PK) – Nach der Aktuellen Stunde setzte der Nationalrat seine Debatte mit einer Aktuellen Europastunde fort, die ganz im Zeichen der Entwicklung der Euro-Zone stand. Das Thema, das von Seiten der Freiheitlichen Fraktion ausgewählt wurde, lautete "Kein Euro-Haftungsschirm ohne Volksabstimmung, Herr Bundeskanzler".

FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian STRACHE meinte, das Thema der heutigen Europastunde gebe Anlass, Bundeskanzler Faymann an seine Versprechen vom Juni 2008 zu erinnern. Damals hatte er in seinem Brief an die "Kronen-Zeitung" versichert, weitere Veränderungen am Lissabon-Vertrag mittels Volksabstimmung legitimieren zu wollen. Obwohl nun beim "Euro-Haftungsschirm" der Fall eingetreten sei, habe der Bundeskanzler geschwiegen und damit gezeigt, dass er sein Wort nicht halte.

Die Freiheitliche Fraktion habe, wie Strache ausführte, bereits vor Einführung des Euro davor gewarnt, starke und schwache Volkswirtschaften wirtschafts- und finanzpolitisch aneinander zu binden. Damals seien diese Warnungen aber nicht gehört worden. Die Fehlentscheidung, den Euro an die Stelle des Schillings zu setzen, räche sich nun.

Die Nettoempfängerstaaten hätten ihre Systeme trotz eines vorübergehenden Booms nicht strukturell verbessert, hielt Strache fest. Für die dadurch entstandenen Schäden hätten, wie er ausführte, nun erneut die Nettozahler aufzukommen. Das andauernde Übernehmen von Haftungen führe jedoch nicht zum Ziel. Strache zufolge ist es deshalb berechtigt, darüber nachzudenken, schwache Volkswirtschaften aus dem Euro zu entlassen bzw. eine neue Währung für die gut haushaltenden Staaten einzuführen. Eine Volksabstimmung über den "Euro-Haftungsschirm" hielt der F-Klubobmann für unumgänglich. Den Bundeskanzler müsse man beim Wort nehmen können, sonst wäre die Situation mehr als "peinlich".

Bundeskanzler Werner FAYMANN zeigte sich davon überzeugt, dass die Frage der Einbindung der Bevölkerung in europäische Entscheidungsprozesse legitim ist. Er stehe deshalb auch dem Instrument der Volksabstimmung offen gegenüber. Es gelte jedoch abzuwägen, in welchen Fällen eine solche erforderlich ist.

Die Verpflichtung zur wechselseitigen Haftungsübernahme wäre jedoch nicht, wie Strache meine, durch eine Veränderung des Vertrags von Lissabon, sondern durch die Einführung der gemeinsamen Währung entstanden. Der Euro sei das "Herzstück der Europäischen Union", doch könne man nicht leugnen, dass er trotz zahlreicher Vorteile im Wirtschafts- und Zinsbereich auch weniger positive Entwicklungen mit sich gebracht habe. Die Volkswirtschaften, die er vereine, verfügten, wie Faymann einräumte, über unterschiedliche Strukturen und Systeme, was die Situation komplizierter gestalte. Den "Haftungsschirm" habe man beschlossen, um sich den bestehenden Herausforderungen zu stellen. Dass man "für alles und jenes" hafte, sei nicht richtig, doch sei es unumgänglich, im Rahmen des Notwendigen die gemeinsame Währung zu verteidigen, schloss er.

Auch S-Klubobmann Josef CAP hielt es für legitim, eine demokratische Absicherung von Entscheidungen zu verlangen. Man müsse aber nachdenken, wann und mit welcher Fragestellung man an die Bevölkerung herantrete. Den Euro bezeichnete Cap als "Schutzwall", denn er gewährleiste die Wettbewerbs- und Widerstandsfähigkeit der europäischen Staaten gegenüber größeren Mitbewerbern wie den USA und China. Natürlich gebe es auch negative Seiten, die Freiheitlichen machten hier jedoch den Fehler, neoliberalen Argumentationsstrategien aufzusitzen, die einen Abbau des Sozialstaats zum Ziel hätten. Die Bundesregierung trete jedoch für den Erhalt des Sozialstaats als Teil des Wirtschaftssystems ein.

V-Mandatar Günter STUMMVOLL meinte, alles, was zur Sicherung des Euros unternommen werde, diene den "kleinen Sparern" und der Aufrechterhaltung der Kaufkraft. Betrachte man die Bilanz des Euro, so müsse man auch feststellen, dass er eine durchschnittlich geringere Inflation als der Schilling aufzuweisen habe. Als Experiment müsse man aber die Einführung einer gemeinsamen Währung ohne Implementierung einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik bezeichnen, räumte Stummvoll ein. Auf europäischer Ebene bemühe man sich nunmehr um eine Effizienzsteigerung des "Rettungsschirms" und die Stärkung des Stabilitätspakts. Dass man einschreite, wenn es zur Sicherung des Euro dringend erforderlich ist, könne man, wie Stummvoll ausführte, nicht ablehnen.

Gänzlich anders bewertete F-Abgeordneter Johannes HÜBNER die Situation: Die Euro-Zone sei zu einem Ort der Instabilität geworden. Jene aber, die sich wie die Schweiz, Norwegen und Island aus ihr "herausgehalten" hätten, stünden heute stabil da. Nach Griechenland seien im Laufe der Jahre 120 Mrd. € geflossen – das entspreche etwa dem Doppelten der jährlichen Staatsausgaben Österreichs. Bundeskanzler Faymann "staune" aber immerhin über die Schatten, die der Euro mit sich gebracht habe. Zwar sei Staunen laut Plato "der erste Schritt zur Erkenntnis", doch geben die Schlüsse, die Faymann  aus dieser Entwicklung ziehe, wenig Grund zur Hoffnung. Was auf EU-Ebene beschlossen wurde, sei kein kurzfristiger "Rettungsschirm" mehr, sondern ein langfristig institutionalisierter Fonds, der zur Finanzierung schwacher Volkswirtschaften diene. Es gebe angesichts einer solchen Weichenstellung Grund genug, eine Volksabstimmung abzuhalten.

Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN (G) sah die EU vor eine Alternative gestellt: Entweder werde die Union durch die Harmonisierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik vertieft oder man lasse den Euro-Raum "in die Luft gehen". Der Redner sprach sich mit Nachdruck für eine Rettung des Euro und den Schutzschirm aus und forderte neben einer Vertiefung der Union auch die Umschuldung von insolventen Staaten wie Griechenland. Er ortete dringenden Handlungsbedarf seitens der EU und meinte, man dürfe nicht so tun, als habe man noch Zeit.

Abgeordneter Josef BUCHER (B) warf der Regierung Wortbruch vor und stellte kritisch fest, SPÖ und ÖVP seien an der Einbindung der Bevölkerung in europäische Fragen überhaupt nicht interessiert. Er wandte sich vehement gegen die Übernahme von Haftungen für andere Euro-Länder und fügte an, das Geld, das Griechenland von den österreichischen SteuerzahlerInnen erhalten habe, sei jedenfalls verloren und komme ganz sicher nicht mehr zurück. Klar war für Bucher, dass über die Vertragsänderung eine Volksabstimmung abzuhalten sei, darüber hinaus sollten seiner Meinung nach aber auch die Banken zur Verantwortung gezogen werden.

Abgeordneter Peter WITTMANN (S) interpretierte den Euro-Rettungsschirm als Akt der Solidarität und betonte, es sei selbstverständlich, dass auch Österreich seinen Beitrag leiste, um die europäische Währung zu sichern. Er erinnerte in diesem Zusammenhang, dass Österreich im Jahr 2009 vor dem Hintergrund der Osteuropa-Kredite heimischer Banken von der Solidarität der anderen Eurostaaten profitiert hatte. Ein Zusammenbruch des Euro-Raums würde überdies schwere Nachteile für die Volkswirtschaft – von der Exportwirtschaft bis hin zu den einfachen SparerInnen – mit sich bringen, warnte Wittmann. Eine Volksabstimmung hielt der Redner nicht für notwendig, zumal es sich, wie er sagte, bei der Vertragsänderung nur um einen Halbsatz handle.

Abgeordnete Ursula PLASSNIK (V) stellte fest, der FPÖ gehe es nur darum, die EU schlecht zu machen und dabei ihre alten Ideen aus den 90er-Jahren wieder auszupacken. Wichtig sei es nun aber vielmehr, Österreichs Position als Triple-A-Land zu erhalten, eine Spaltung der Eurozone wäre jedenfalls ein Unfug, betonte sie. Unter Hinweis auf die Komplexität der Frage hielt Plassnik eine Volksabstimmung über die Vertragsänderung nicht für zielführend.

Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) warf ein, die Risken des Euro-Raums seien bekannt gewesen, die FPÖ habe mit ihren Bedenken Recht behalten. Die Regierung kapituliere nun einmal mehr vor der Bankenlobby und vor der EU, kritisierte er. Der Rettungsschirm sei eine reine Bankenrettungsaktion, die Menschen in Griechenland, Irland und Portugal würden von dem Geld nichts erhalten. Angesichts des hohen Schuldenstandes in Österreich sei eine Haftungsübernahme unverantwortlich, meinte er überdies.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) qualifizierte die Argumente der FPÖ als "Hausmeisterschmäh" und warnte vor einem Zusammenbruch des Euro-Raums. Es sei leichter, aus einem Aquarium eine Fischsuppe zu machen, als umgekehrt aus einer Fischsuppe wieder ein Aquarium, bemerkte er in diesem Zusammenhang an die Adresse von FPÖ-Chef Strache gerichtet.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) untermauerte abermals die ablehnende Haltung seiner Fraktion zum Rettungsschirm und betonte, es gehe nicht an, dass sich die Banken nun von den Staaten Haftungen holen, nachdem sie Milliarden verjubelt haben. Er forderte eine Volksabstimmung über die Vertragsänderung und warf der ÖVP Arroganz und der Abgeordneten Plassnik "gouvernantenhafte Untertöne" vor.

(Schluss Aktuelle Europastunde/Fortsetzung Nationalrat)