Parlamentskorrespondenz Nr. 61 vom 20.01.2011

Agrarrechtsänderungsgesetz soll Pestizideinsatz drosseln

Nationalrat will Gleichstellung im ländlichen Raum forcieren

Wien (PK) – Durch das Agrarrechtsänderungsgesetz 2010, das heute im Nationalrat unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags einstimmig beschlossen wurde, soll die EU-Pflanzenschutzmittel-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Konkret regelt die Vorlage die Behördenstruktur, die notwendigen Maßnahmen zur Überwachung des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln, die Einfuhr aus Drittstaaten sowie die Anpassung der Strafbestimmungen und schafft überdies Rahmenbedingungen für die Fort- und Weiterbildung und für die Abgabe von Pflanzenschutzmitteln.

Auch der Vier-Parteien-Antrag der Abgeordneten Gisela Wurm (S), Dorothea Schittenhelm (V), Judith Schwentner (G) und Martina Schenk (B) betreffend Gleichstellung von Frauen und Männern im Programm Ländliche Entwicklung 2007 bis 2013 wurde mehrheitlich unterstützt.

Mehrheitlich abgelehnt wurde hingegen die Initiative der Grünen zur Novellierung des Landwirtschaftsgesetzes, mit dem Ziel eines Ausbaus des Bio-Landbaus sowie des Verzichts auf Gentechnik-Saatgut. Sie verlangen darin, den biologische Landbau als agrarökologisches Leitbild besonders zu fördern und flächendeckend weiterzuentwickeln. Ebenso wenig fand der G-Antrag auf Verankerung des Prinzips der gentechnikfreien Produktion im AMA-Gesetz ausreichende Zustimmung.

Abgeordnete vertrauen bei Lebensmitteln auf heimische Qualität

Im Rahmen der Debatte über das Agrarrechtsänderungsgesetz verliehen viele RednerInnen ihrem Vertrauen gegenüber heimischen Lebensmitteln mit AMA-Gütesiegel Ausdruck. Vielfach wurden aber auch Sorgen geäußert, inwieweit sich der deutsche Dioxinskandal auf die Preise österreichischer Produkte auswirkt. Das Gesetz selbst wurde weitgehend positiv beurteilt, wobei seitens der Opposition jedoch noch Wünsche offen blieben. 

Abgeordneter Maximilian LINDER (F) befürchtete, das Gesetz werde bloß neue Auflagen und mehr Bürokratie, aber keinerlei Existenzschutz für die kleinen bäuerlichen Betriebe bringen. Er warf der Regierung vor, ausschließlich die großen Landwirte zu vertreten, die Kleinbetriebe aber im Stich zu lassen.

Abgeordneter Franz GRILLITSCH (V) erwartete sich von dem neuen Gesetz hingegen eine Kostenreduktion für die Bauern und Bäuerinnen und Qualitätssicherung für die KonsumentInnen. Auch würden Doppel- und Mehrgleisigkeiten abgeschafft, was zu einer Verwaltungsvereinfachung im Interesse der LandwirtInnen führe, betonte er und wies die Kritik seines Vorredners zurück.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) forderte in einem umfangreichen Entschließungsantrag unter anderem die Reduzierung des Pestizideinsatzes innerhalb der nächsten fünf Jahre um 30%, den Schutz sensibler Gebiete vor Pestizideintrag, die Förderung der Entwicklung von nicht chemischen Alternativen zu Pestiziden sowie die Einführung einer Pestizidabgabe. Dem Landwirtschaftsminister warf er vor, bisher keinerlei Initiativen in Richtung des Ausbaus der biologischen Landwirtschaft gesetzt zu haben.

Abgeordneter Johann MAIER (S) begrüßte es vor allem, dass nunmehr die Koordinierung für den nationalen Aktionsplan beim Bund liegt, und meinte überdies, in Zukunft müsse es darum gehen, bei den Kontrollen klare Bundeskompetenzen zu schaffen.

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) sah eine Vielzahl offener Fragen im Zusammenhang mit dem deutschen Dioxinskandal und forderte strengere Kontrollen auch in Österreich. Besorgt zeigte er sich über allfällige Auswirkungen auf die österreichischen Schweinebauern.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH erklärte, das vorliegende Gesetz sichere ein hohes Schutzniveau für Mensch und Umwelt und bringe Verwaltungsvereinfachung für die Bäuerinnen und Bauern. Insgesamt rechnete er mit einer Reduktion des Pestizideinsatzes als Folge der Novelle. Zum deutschen Dioxinskandal hielt Berlakovich fest, in Österreich gelte ein grundsätzlich anderes Kontrollsystem, das nun auch von Deutschland übernommen werde. Gegen absichtliche Gaunereien sei man niemals gefeit, gab er zu bedenken.

Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) wies auf die Notwendigkeit von Maßnahmen gegen den Schweinepreisverfall nach dem deutschen Dioxinskandal hin und bemerkte, die KonsumentInnen seien gut beraten, weiterhin österreichisches Schweinefleisch zu kaufen.

Abgeordneter Harald JANNACH (F) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zum vorliegenden Gesetz an, in dem er einen Versuch sah, alternative Methoden des Pflanzenschutzes zu entwickeln. Als Folge des deutschen Dioxinskandals verlangte der Redner in Entschließungsanträgen konkrete Maßnahmen, wie etwa ein Importverbot für deutsches Schweinefleisch sowie eine Herkunftskennzeichnung für Fleisch.

Abgeordneter Walter SCHOPF (S) begrüßte vor allem die Koordinierungskompetenz des Landwirtschaftsministers und erwartete sich von der Novelle eine wirksamere Kontrolle und eine Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) bezeichnete das Gesetz als Schritt in die richtige Richtung und signalisierte die Zustimmung des BZÖ. Er beklagte den Preisverfall bei Schweinefleisch, für den er auch die Politik der Großschlachthöfe verantwortlich machte, und verlangte in einem Entschließungsantrag die Überprüfung sämtlicher importierter Schweine auf Dioxinrückstände.

Abgeordneter Peter MAYER (V) sah durch das Gesetz und die damit verbundenen Einschränkungen von Pestiziden Licht und Schatten auf die Bäuerinnen und Bauern zukommen und betonte mit Nachdruck, Österreichs Landwirte seien Garanten für nachhaltige Lebensmittelproduktion.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) äußerte sich zustimmend zum Gesetz und forderte in einem Entschließungsantrag ein Verbot der Anwendung von bienenschädigenden Beizmitteln bei Saatgut.

Abgeordneter Kurt GASSNER (S) beurteilte insbesondere die Koordinierungskompetenz des Bundesministers als positiv und drückte überdies seine Hoffnung aus, dass dieses Gesetz einen wirksamen Beitrag für sauberes Grundwasser leisten werde. Handlungsbedarf ortete er bei der Kennzeichnung, wobei er kritisierte, das derzeitige AMA-Gütesiegel reiche nicht aus.

Abgeordneter Franz ESSL (V) zeigte sich zuversichtlich, dass dieses Gesetz Sicherheit für Bäuerinnen und Bauern sowie für KonsumentInnen bringen werde. Im Zusammenhang mit dem Dioxinskandal warnte er, aus einem Futtermittelskandal einen Lebensmittelskandal zu machen, und rief zu entsprechender Vorsicht bei der Wortwahl auf. Die KonsumentInnen wiederum lud er ein, auf das AMA-Gütesiegel zu achten, denn dies garantiere österreichische Qualität.

V-Mandatar Johannes SCHMUCKENSCHLAGER meinte, in der Diskussion um Pflanzenschutzmittel müsse es darum gehen, wie man sie effektiver einsetzen könne. Sie tragen schließlich auch zur Ertragssicherheit bei, die, wie er ausführte, eng mit der Frage der Lebensmittelsicherheit verbunden wäre. Dass die österreichische Bauernschaft Pflanzenschutzmittel nur dann zum Einsatz bringt, wenn es auch tatsächlich erforderlich ist, stellte Schmuckenschlager nicht in Frage.

Das Agrarrechtsänderungsgesetz wurde unter Berücksichtigung eines S-V-Abänderungsantrags in Zweiter und Dritter Lesung mit Stimmeneinhelligkeit angenommen. Keine Mehrheit fand der in der Sitzung eingebrachte Antrag der Grünen betreffend nationaler Aktionsplan für den Einsatz von Pestiziden. Auch die beiden von der FPÖ vorgelegten Anträge betreffend Importverbot für deutsches Schweinefleisch und Herkunftskennzeichnung für Fleischprodukte wurden abgelehnt. Der Antrag der Grünen betreffend Verbot der Anwendung von Insektizid gebeiztem Saatsgut als Maßnahme gegen das Bienensterben verfehlte ebenfalls die erforderliche Mehrheit.

Abgelehnt wurden auch die beiden auf der Tageordnung stehenden Entschließungsanträge der Grünen Fraktion betreffend Novellierung des Landwirtschafts- und des AMA-Gesetzes.

40% der landwirtschaftlichen Betriebe werden von Frauen geführt

Breite Zustimmung fand die S-V-G-B-Initiative zur Gleichstellung von Frauen und Männern im ländlichen Raum. Lediglich die FPÖ sah keinen Grund für einen derartigen Antrag. Bundesminister Nikolaus Berlakovich unterstrich die hohen Anforderungen an die Bäuerinnen heute und bekräftigte, dass ihnen deshalb auch die ihrer Leistung entsprechende Anerkennung zukommen müsse.

Für F-Mandatar Harald JANNACH stand fest, dass es weit wichtiger wäre, Sofortmaßnahmen für die Schweinebauern zu ergreifen, als über den gegenständlichen Antrag zu debattieren. Er ging davon aus, dass der Landwirtschaftsminister schon jetzt auf die gleiche Behandlung von Frauen und Männern im Rahmen der ländlichen Entwicklung geachtet hat. Es explizit in einem Antrag zu fordern, sei nicht notwendig, weshalb die Freiheitlichen auch ihre Zustimmung verwehren müssten.

V-Abgeordnete Anna HÖLLERER warf Abgeordnetem Jannach vor, den Antrag inhaltlich nicht verstanden zu haben. Die österreichische Landwirtschaft werde, wie die Rednerin skizzierte, zunehmend weiblicher, weshalb es wichtig sei, dass alle Agrarprogramme auf die Chancengleichheit von Männern und Frauen ausgerichtet werden. Die österreichischen Bäuerinnen wären, so Höllerer, höchst innovativ. Es gelte deshalb auch, Frauen als Entscheidungsträgerinnen in Gremien und Förderstellen zu bringen, denn am Ziel der Chancengleichheit müsse permanent gearbeitet werden.

Abgeordnete Rosemarie SCHÖNPASS (S) wies darauf hin, dass im Grünen Bericht festgestellt wurde, dass Chancengleichheit im Bereich der ländlichen Entwicklung noch nicht gelebt werde. Da die Initiative zur Verbesserung der Situation von Frauen im ländlichen Raum nur noch bis 2013 laufe, habe der Landwirtschaftsminister nicht mehr sehr viel Zeit, um entsprechende Maßnahmen zu setzen, schloss sie.

G-Mandatarin Judith SCHWENTNER meinte, es sei höchst an der Zeit, dass man auf Gleichbehandlung im ländlichen Raum poche. Frauen würden zwar immer häufiger Betriebsführerinnen, fänden auf dem Land aber nicht die Infrastruktur vor, die der Aufrechterhaltung ihrer Tätigkeit zuträglich wäre. So gebe es etwa Schwierigkeiten in Hinblick auf die Kinderbetreuung, zumal viele Angebote auf dem Land nur vormittags verfügbar wären. Kritik übte Schwentner auch an der Unterrepräsentation von Frauen in den wichtigen landwirtschaftlichen Gremien.

Auch für B-Abgeordnete Martina SCHENK stand außer Frage, dass der gegenständliche Antrag einen Beitrag dazu leiste, dass Frauen auf dem Land genauso viel Unterstützung erhielten, wie jene in den Städten. Dem Engagement der Betriebsführerinnen müsse sowohl auf nationaler als auch auf transnationaler Ebene Augenmerk geschenkt werden. Das BZÖ wolle dem Landwirtschaftminister bei der Umsetzung dieser wichtigen Initiative deshalb genau "auf die Finger schauen".

Landwirtschaftsminister Nikolaus BERLAKOVICH hielt fest, dass die Initiative zur Gleichbehandlung von Mann und Frau im ländlichen Raum bereits umgesetzt sei. 40 % der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft würden schon heute von Frauen geführt, die häufig einer Mehrfachbelastung durch Kinderbetreuung oder Angehörigenpflege ausgesetzt seien. Deshalb gelte es, den Bäuerinnen auch die ihrer Leistung entsprechende Anerkennung zukommen zu lassen. Sein Ressort bekenne sich klar zum Ziel der Gleichbehandlung und fördere Initiativen und Projekte, die zu seiner Erreichung beitragen.

Abgeordneter Johannes SCHMUCKENSCHLAGER (V) meinte, die Bäuerinnen brächten heute meist eine fundierte landwirtschaftliche Ausbildung mit, was äußert begrüßenswert sei. Dass die Initiative nicht nur die Bäuerinnen und Bauern, sondern auch den Rest des ländlichen Raums betreffen solle, begrüße er jedoch nicht: Landwirtschafts- und sozialpolitische Fragen gelte es auseinanderzuhalten, schloss er.

S-Mandatarin Elisabeth HAKEL kam auf die Gründe zu sprechen, die zur Abwanderung von Frauen von den ländlichen in die urbanen Gebiete führten. Angesichts dieser Entwicklung sei es erforderlich, Maßnahmen zu treffen, um gegenzusteuern: Hier gelte es vor allem, den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen zu forcieren und den Eintritt in eine selbstständige Tätigkeit in ländlichen Gebieten zu ermöglichen, schloss sie.

Die Entschließung wurde mit Stimmenmehrheit angenommen.

(Fortsetzung Nationalrat)