Parlamentskorrespondenz Nr. 105 vom 03.02.2011

Pühringer: Die Bundesländer sind keine Reformverweigerer

Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz spricht im Bundesrat

Wien (PK) – Im Anschluss an die Antrittsrede des neuen Bundesratspräsidenten nahm der derzeitige Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Josef Pühringer, die Gelegenheit wahr, in der Länderkammer über die Situation des Föderalismus in Österreich zu sprechen. Für ihn stand dabei außer Frage, dass die Bundesländer weder Reformverweigerer noch -blockierer sind: Sie hätten vielmehr großes Interesse an einer Modernisierung der bundestaatlichen Ordnung.

Für Pühringer steht deshalb fest, dass es gemeinsames Ziel sein muss, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu stärken, die politische Verantwortlichkeit deutlicher zuzuordnen und eine zweckmäßige, effiziente Aufgabenerfüllung aller Gebietskörperschaften sicher zu stellen. Nach hinten zu blicken und zu erläutern, wer die Schuld an der Entstehung des verzerrten Bilds der Länder und des Föderalismus trage, bringe nichts. Ihm gehe es vielmehr darum, auszuloten, was moderne Bundesstaatlichkeit im 21. Jahrhundert auszeichne.

Bund und Länder müssen sich auf Augenhöhe begegnen

Der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Länder keine nachgeordneten Organe des Bundes sind. Bund und Länder müssten sich vielmehr auf Augenhöhe treffen und benötigten das richtige Augenmaß im Umgang miteinander. Eine alle zufriedenstellende Föderativ-Verfassung werde es nie geben, sagte Pühringer mit Verweis auf den Kölner Staatsrechtler Klaus Stern. Es gelte deshalb das relativ Beste zu erreichen. Das föderale Gefüge sei keine leblose Maschine, sondern erwachse aus Zusammengehörigkeitsgefühl, Vertrauen, Solidarität und gegenseitigem Verständnis. Es gehe um gelebte politische Kultur, unterstrich Pühringer. Der Österreich-Konvent habe viele wichtige Vorschläge erarbeitet, die Menschen erwarteten nun von der Politik, dass sie die Reformen auch in Angriff nehme.

Föderalismus gewährleistet Bürgernähe, Wettbewerb und Entwicklung

Man dürfe auch nicht vergessen, dass Föderalismus spezifische Vorteile mit sich bringe, etwa mehr Bürgernähe. Alle Umfragen zeigten, dass sich die ÖsterreicherInnen am stärksten mit ihren Gemeinden identifizieren. An zweiter Stelle rangierten die Bundesländer. Das Prinzip der Subsidiarität müsse "Richtschnur" jeglichen staatlichen Handelns bleiben, zeigte sich Pühringer überzeugt. Dieses sichere schließlich auch schwächeren Regionen die Chance, aufschließen zu können. Föderalismus sei schließlich nie ein Wettbewerb der Stärkeren gegen die Schwächeren, sondern ein Wettkampf um die besseren Ideen.

Als dynamisches System fördere die Bundesstaatlichkeit aber auch Innovationen, hielt Pühringer fest. Die Länder bieten hier einen guten Ausgangspunkt für Reformversuche: Sollte ein solcher scheitern, fielen die Kosten dafür geringer aus, habe man Erfolg, könne man Neuerungen auch auf Bundesebene umsetzen. Ein Wettbewerb zwischen den Ländern könne durchaus innovationsfördernd sein, dürfe aber, wie Pühringer ausführte, nicht zu einem Weniger an Solidarität führen.

Das föderale System erweist sich als effizient

Als Stärke des föderalen Systems bezeichnete es der Redner auch, dass in den Bundesländern öffentliche Leistungen kostengünstiger und an die örtlichen Bedingungen angepasst erbracht werden können. Das sei laut internationaler Studien auch der Grund dafür, dass dezentral organisierte Staaten geringere Steuerleistungen von ihren BürgerInnen verlangen müssten als zentralistisch organisierte. Die Effizienz der föderalen Strukturen Österreichs stand für Pühringer außer Frage.

Kostengünstigere Lösungen seien dabei keineswegs schlechtere, hielt der Redner fest, sondern in aller Regel sogar flexiblere. Insbesondere im Krisenfall wäre regional angepasstes Handeln leichter möglich, gab Pühringer zu bedenken.

Föderale Zuständigkeitsordnung ist kein Selbstzweck

Die föderale Zuständigkeitsordnung sei kein Selbstzweck, konstatierte der Redner, sondern vielmehr Teil der gesellschaftlichen Selbstorganisation. Die Bundesländer wären deshalb auch bereit, in den politischen Reformprozess offensiv einzusteigen.

Kritik übte Pühringer daran, dass die Länder seit dem Beitritt zur Europäischen Union 1995 kaum weitere Kompetenzen erhalten haben. Sie wären jedoch bereit, zusätzliche Aufgaben im Sinne eines föderativen Bundesstaats zu übernehmen. Niemand habe sich aber jemals dafür ausgesprochen, Angelegenheiten, etwa im Bildungs- oder Sicherheitsbereich, die eindeutig dem Bund zuzuordnen sind, an die Länder zu übertragen. Man pflege keinen "Kantönligeist", stellte Pühringer klar.

Anzugehen gelte es unter anderem Fragen der Pflegefinanzierung und der Schulreform. Wo kein "großer Wurf" gelungen ist, wolle man versuchen, zumindest in kleineren Bereichen Fortschritte zu erzielen. Bei allen Reformprozessen gelte es, Denkverbote aufzuheben und sicherzustellen, dass Aufgaben und Ausgaben stets an einen Träger gebunden bleiben. Den BürgerInnen sei es letztlich egal, in welchem Topf die Steuermittel landen, sie erwarteten sich aber, dass ihre Beiträge für zukunftsfähige Lösungen eingesetzt werden.

BundesrätInnen diskutieren Föderalismus-Reform

Bundesrätin Angelika WINZIG (V/O) unterstrich eingangs ihres Debattenbeitrags, Föderalismus sei kein Luxus, sondern ein Garant für die Stabilität der Regionen. Am Beispiel Oberösterreichs habe sich gezeigt, dass gerade kleinere Einheiten oft rascher und effizienter reagieren könnten. In der Finanz- und Wirtschaftskrise sei es gelungen, auf regionaler Ebene schnell und wirksam auf die Herausforderungen zu reagieren. Eine effiziente Verwaltung sorge dafür, dass das Land auch als attraktiver Wirtschaftsstandort wahrgenommen werde, lobte Winzig.

Bundesrat Johann KRAML (S/O) thematisierte die Dauer einer Bundesratspräsidentschaft. Ein halbes Jahr sei sicher zu kurz, um Reformen durchzuführen, hier sollte man sich eine Änderung überlegen. Der Föderalismus als einer der Grundpfeiler des Staates bedürfe zweifellos einer Modernisierung. Das sei aber auch eine Kostenfrage. In den letzten Jahren wären den Gemeinden für Pflegeleistungen und den Erhalt von Krankenanstalten immer höhere Kosten aufgebürdet worden, was ihre Finanzen belaste. Es sei wichtig zu betonen, dass die Bundesländer keine Reformverweigerer sind, gerade in der Neuverhandlung des Stabilitätspaktes gebe es für sie wichtige Aufgaben. Es müsse eine tragfähige Grundlage für die Arbeit des Bundesrats geschaffen werden. Nur so könne man Stimmen, die seine Abschaffung fordern, etwas entgegensetzen, meinte Kraml.

Bundesrat Hermann BRÜCKL (F/O) nahm in seinem Debattenbeitrag ebenfalls auf das Thema Reformen Bezug. Die Bevölkerung erwarte sich in vielen Bereichen Neuerungen, er persönlich bezweifle aber, dass tatsächlicher Reformwille vorhanden sei: Dieser ende sehr oft dort, wo es um konkrete Einsparungen gehe. Hier sei jeder in seinem eigenen Wirkungsbereich gefragt. Brückl forderte Landeshauptmann Pühringer auf, als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz seinen Einfluss geltend zu machen und sich für den Erhalt der allgemeinen Wehrpflicht einzusetzen.

Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) sagte, der Organisation des Föderalismus in Österreich fehle es leider oft an Planmäßigkeit und Zielgerichtetheit. Das habe sich etwa am Klimaschutzgesetz gezeigt, über das seit sechs Jahren ergebnislos verhandelt werde. Ähnlich sei es beim Thema des öffentlichen Verkehrs. Im Rahmen des Finanzausgleichs sollte auch klarer geregelt werden, wofür die Länder Geld erhalten und wie sie es einzusetzen haben. Föderalismus dürfe keine Vorwand für Untätigkeit sein. Kerschbaum kritisierte zudem, dass es in den Landtagen und im Bundesrat nur schwach ausgebildete Oppositionsrechte gibt. Auf Landesebene bestehe eine zu starke Machtfülle der Landeshauptleute, was dazu führe, dass die Ländervertretung zu stark von parteipolitischen Interessen bestimmt werde, meinte Kerschbaum.

Landeshauptmann Josef PÜHRINGER ging auf die Wortmeldungen der BundesrätInnen ein. Bundesrätin Kerschbaum verwies er auf die Bundesverfassung, durch die klar geregelt sei, dass die Landeshauptleute ihr jeweiliges Bundesland nach außen zu vertreten haben. Sie wären für alle BürgerInnen da und nicht nur für ihre Partei. Die Zweckbindung von Geldern sei im Finanzausgleich sehr wohl gegeben. Was den öffentlichen Verkehr anbelange, so wäre er mit Freuden bereit, gewisse Kompetenzen wieder an den Bund abzutreten. Man müsse sich fragen, warum etwa die ÖBB im Bundesbesitz sein müssten, wenn diese beispielsweise die Verbindung zwischen Wien und Graz wie eine unbedeutende Regionalverbindung behandelten und für ihre Aufrechterhaltung sogar einen Länderbeitrag einforderten.

In der Pflegefinanzierung lasse man die Gemeinden nicht allein, hielt Pühringer in Richtung Bundesrat Kraml fest. Eine Lösung müsse aber alle Gebietskörperschaften einbeziehen. Tatsache sei, dass zwei Drittel der Kosten heute von Ländern und Gemeinden getragen werden. Der Bundesrat sei als "föderales Gewissen" notwendig: Pühringer kann sich deshalb eine Ausweitung des absoluten Vetorechts des Bundesrats auf alle Verfassungsgesetze und alle einfachen Gesetze, die Länderrechte und -aufgaben betreffen, sehr gut vorstellen. Er verschließe sich auch nicht gegenüber Einsparungsvorschlägen, hielt der Redner in Richtung Bundesrat Brückl fest. Er persönlich sei aber gegen Maßnahmen, die nur eine sinnlose Zentralisierung bedeuten würden. (Fortsetzung Bundesrat)

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