Parlamentskorrespondenz Nr. 166 vom 23.02.2011

Opposition fordert Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag

Altlastensanierungsgesetz wird novelliert

Wien (PK) – Im Anschluss an die Diskussion über die Qualität der heimischen Gewässer und des Trinkwassers behandelte der Umweltausschuss heute Nachmittag eine Reihe von Oppositionsanträgen zu den Themen Kernkraft, Kohlekraft und Kunststoffverpackungen. Für eine besonders hitzige Debatte sorgte in diesem Rahmen die Forderung von FPÖ, BZÖ und Grünen, aus dem EURATOM-Vertrag auszusteigen. Plenumsreif machte der Ausschuss auf Antrag von SPÖ und ÖVP eine Novelle zum Altlastensanierungsgesetz.

EURATOM: Opposition geschlossen für Austritt Österreichs

Ausgangspunkt für die kontroverse Debatte über das Thema Kernkraft bildeten zwei von Seiten der FPÖ und der Grünen eingebrachte Anträge (208/A[E] und 1038/A[E]), die beide auf einen Ausstieg Österreichs aus dem EURATOM-Vertrag abzielen.

Für die G-Abgeordneten Christiane Brunner, Wolfgang Pirklhuber und Ruperta Lichtenecker steht fest, dass die Mitgliedschaft Österreichs bei EURATOM nicht mehr zeitgemäß ist und die für die Beiträge aufgewendeten Summen in Höhe von schätzungsweise 40 bis 50 Mio. € jährlich besser in erneuerbare Energien investiert wären. Den von Seiten der Freiheitlichen Fraktion eingebrachten Entschließungsantrag wolle man ebenfalls mittragen, meinte Pirklhuber, der es für die "ultima ratio" hielt, den Souverän selbst zu Wort kommen zu lassen. In eine "Technologie des letzten Jahrhunderts" dürfe "kein Cent mehr" investiert werden, stand für den Abgeordneten außer Frage. Auf europäischer Ebene ortete Pirklhuber zu wenig Initiative Österreichs, eine federführende Rolle unter jenen Ländern einzunehmen, die sich gegen Atomenergie aussprechen.

Auch das BZÖ plädiere für einen Ausstieg aus EURATOM, erklärte B-Mandatar Rainer Widmann. Seitdem der Lissabon-Vertrag in Geltung stehe, vertreten schließlich auch ExpertInnen die Ansicht, dass ein solcher Schritt rechtlich möglich wäre, auch wenn die von Seiten der Bundesregierung vorgelegten Gutachten anderes behaupteten. Die Schätzung, wonach 40 Mio. € jährlich für die Mitgliedschaft aufzuwenden seien, stimme, wie Widmann argumentierte, nicht mehr: Diesen Wert müsse man angesichts der stetigen Erhöhung der Nettozahlungen Österreichs wohl deutlich nach oben korrigieren. Dass die genauen Kosten, die durch die Teilhabe an EURATOM entstehen, nicht beziffert werden könnten, wie der Umweltminister ausgeführt hatte, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Außerdem habe Berlakovich im Sinne seiner Auskunftspflicht das zur rechtlichen Möglichkeit eines EURATOM-Austritts vorliegende Gutachten des Verfassungsdienstes den Abgeordneten auszuhändigen – eine Auffassung, der sich auch G-Mandatar Wolfgang Pirklhuber anschloss. Der Debatte über dieses Thema werde die Bundesregierung nicht entfliehen können – ob es auf der Tagesordnung der nächsten Nationalratssitzung stehe oder nicht, mahnte Widmann.

Dieser Auffassung schlossen sich auch Abgeordnete der Freiheitlichen Fraktion an: F-Mandatar Werner Neubauer mahnte die ÖVP in diesem Zusammenhang, nicht zur "Atompartei" zu werden und damit den in Österreich bestehenden Anti-Atom-Konsens zu konterkarieren. Der Bundesminister müsse in dieser Frage "Farbe bekennen", ob er es wolle oder nicht. Auch Neubauer hielt einen EURATOM-Austritt für rechtlich möglich, wie die Gutachten namhafter Europa- und Völkerrechtsexperten illustrierten. Dass das Geld, das Österreich in diese Mitgliedschaft investiert habe, allein zur Sanierung von "Schrottreaktoren" verwendet wurde, sei außerdem nicht richtig: Mit den Mitteln fördere man im Gegenteil ihr Fortbestehen – zu Ungunsten erneuerbarer Energien. Dabei müsse nicht zuletzt die aktuelle Entwicklung in Libyen Anlass zu energiepolitischem Umdenken geben, schloss er.

Seine Fraktionskollegen Norbert Hofer und Harald Jannach kamen außerdem auf die Frage, welche Kosten die Mitgliedschaft bei EURATOM verursache, zu sprechen: Dass man diese nicht genau beziffern könne, wäre, wie die Abgeordneten ausführten, mehr als unverständlich.

Anlass zur Kritik gab auch die Wortmeldung von S-Abgeordnetem Josef Auer: Dieser habe zwar gute Gründe gegen die Mitgliedschaft bei EURATOM vorgebracht, meinte Widmann, doch sei er – anders als viele seiner Parteikollegen auf Länderebene – zum Fazit gelangt, dass diese doch sinnvoll wäre. F-Abgeordneter Norbert Hofer hielt Auer, der die rechtliche Situation betreffend eines Ausstiegs Österreichs nicht so klar bewertet sehen wollte, Aussendungen von SPÖ-Pressediensten entgegen, die zeigten, dass innerhalb dieser Partei nicht alle diese Auffassung teilten.

Auer plädierte demgegenüber für eine Versachlichung der Diskussion. Schwarz-Weiß-Argumente seien, wie er ausführte, "zu wenig". Dass Ende diesen Monats ohnehin ein Volksbegehren zum Thema durchgeführt werde, mache den Antrag der Freiheitlichen obsolet. Er sei deshalb ebenso zu vertagen wie der Antrag der Grünen Fraktion, mit dem man dem Votum der ÖsterreicherInnen vorgreifen würde.

Auch V-Mandatar Erwin Hornek plädierte für eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema. In Österreich herrsche nach wie vor ein Konsens darüber, dass Atomenergie abzulehnen ist, hielt er seinen VorrednerInnen entgegen. Richtig sei auch, dass ein seriöser Dialog mit den Nachbarstaaten über dieses Thema geführt werden müsse. Dieser Bestrebung stünde jedoch die Haltung mancher Abgeordneter entgegen: So könne es, wie Hornek festhielt, nicht angehen, dass Ausschussobfrau Christiane Brunner (G) nach der Besichtigung eines ungarischen Atomkraftwerks, bei der er ebenfalls zu gegen gewesen war, in einer österreichischen Zeitung Unwahrheiten verbreite. Das stehe einem konstruktiven Diskurs mit den Nachbarstaaten in jederlei Hinsicht entgegen, meinte Hornek. Dieser Auffassung konnte sich G-Mandatarin Brunner nicht anschließen: Eine sachliche Diskussion sei zwar wichtig, doch habe sie stets einen emotionalen Aspekt. Stehe sie – wie in Ungarn der Fall gewesen – "Atommüllfressern" in einem Raum gegenüber, verursache ihr das ein "mulmiges Gefühl", schloss sie.

Umweltminister Nikolaus Berlakovich sprach von einer eindeutigen Position Österreichs in Hinblick auf das Thema Atomenergie: National wie international vertrete man die Meinung, dass diese keine Option zur Stillung des "Energiehungers" darstelle. Österreich habe mit dieser Linie bereits Einiges erreicht, gab Berlakovich, der zahlreiche Beispiele in Hinblick auf die Verbesserung des europäischen Schutzniveaus ins Treffen führte, zu bedenken. Das Ziel laute auch in Hinkunft Energieautarkie.

Die Mitgliedschaft Österreichs bei EURATOM müsse man differenzierter betrachten als in der gegenständlichen Diskussion der Fall, schließlich sichere sie Mitspracherechte in Hinblick auf Sicherheitsvorkehrungen für AKWs. Zur Ausgabe des erwähnten Gutachtens an die Abgeordneten sei er nicht autorisiert. Man könne es aber über den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts und das Auswärtige Amt beziehen, versicherte Berlakovich. Mit den Nachbarstaaten, die Atomkraft nutzten, stehe man außerdem im Dialog. Man dürfe dabei auch sicher sein, dass Österreich alle Rechtsinstrumente ausschöpfe, um einer Renaissance der Atomkraft in Europa entgegenzuwirken, schloss er.

Die gegenständlichen Oppositionsanträge wurden – trotz Forderung von FPÖ, BZÖ und Grünen nach einer klaren Positionierung vor dem Hintergrund des bevorstehenden Volksbegehrens - mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP vertagt.

Novelle zum Altlastensanierungsgesetz angenommen

Die erforderliche Mehrheit fand ein S-V-Antrag betreffend Änderung des Altlastensanierungsgesetzes (1384/A[E]). Er wurde unter Berücksichtigung eines von V-Abgeordnetem Hermann Schultes eingebrachten Abänderungsantrags mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ angenommen. Dieser sieht vor, dass die Verwendung von Schlacken aus der Eisen- und Stahlindustrie in der Bauwirtschaft und die Entsorgung von Abbruchsabfällen bei Neubauten in Ortskernen vom Altlastensanierungsbeitrag befreit werden.

Zweiter Punkt gelte für Bauten, die vor 1955 errichtet wurden und nicht mehr bewohnbar sind, hielt V-Mandatar Hermann Schultes in Richtung Abgeordneter Ruperta Lichtenecker fest. Bislang komme die Renovierung eines solchen Hauses teurer als ein Neubau in der "grünen Wiese" – eine Entwicklung, der man mittels Befreiung vom Altlastensanierungsbeitrag gegensteuern wolle. Dabei sprächen auch zahlreiche ökologische Aspekte für diesen Schritt, hielt Schultes fest.

G-Mandatarin Ruperta Lichtenecker kritisierte vor diesem Hintergrund die Teilaufhebung der Zweckwidmung im Rahmen der Altlastensanierung und befürchtete, dass sich viele dieser Vorhaben nun verzögerten. Umweltminister Nikolaus Berlakovich versicherte der Abgeordneten, dass es sich nur um eine befristete Aufhebung handle, die die angesprochenen Projekte nicht um Jahrzehnte verzögere.

B-Abgeordneter Rainer Widmann hielt den ersten Punkt des Abänderungsantrags für durchaus begrüßenswert, befürchtete aber Lobbyismus in Hinblick auf die Befreiung von Schlacken aus der Eisen- und Stahlindustrie.

Grüne gegen geplante Wiederinbetriebnahme von Kohlekraftwerken

Um die geplante Inbetriebnahme eines stillgelegten Kohlekraftwerks im steirischen Voitsberg zu verhindern, verlangen die Grünen per Entschließungsantrag (1037/A[E]) die Festlegung eines elektrischen Mindestwirkungsgrades von 58 % für neue Kohlekraftwerke, die Durchsetzung nationaler Klimaschutz-Regelungen auf EU-Ebene und den Einsatz der Sperrminorität des Bundes in den Aufsichtsgremien von Energieversorgern.

F-Mandatarin Susanne Winter hielt fest, der Antrag der Grünen werde nicht mit der Zustimmung der Freiheitlichen rechnen können. Die FPÖ spreche sich dezidiert gegen die Wiederaufnahme und Neuerrichtung fossiler Kraftwerke aus, die Festschreibung von Mindestwirkungsgraden halte sie dabei nicht für den richtigen Weg.

G-Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber hielt es für "kurios", dass S-Mandatar Rudolf Plessl in seiner Wortmeldung eingestanden habe, dass Österreich über keine umfassende Energiestrategie, sondern lediglich über einen diesbezüglichen Maßnahmenkatalog verfüge. An einer Veränderung dieses Status-quo wolle die Grüne Fraktion gerne mitarbeiten, meinte er. Wie seine Fraktionskollegin Christiane Brunner machte Pirklhuber außerdem auf das Problem "Carbon Capture and Storage" aufmerksam.

Umweltminister Nikolaus Berlakovich versicherte den G-MandatarInnen jedoch, dass "Carbon Capture and Storage" keine Option für Österreich darstelle. Ihm zufolge gelte es seriös über das Ziel der Energieautarkie, das man bis 2050 verfolge, zu diskutieren. Dabei müsse klar sein, dass es im Übergang nicht ohne fossile Brennstoffe gehe.

Der Antrag der Grünen wurde mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP vertagt.

Oppositionsparteien für Verbot von Plastiksackerln

Die Vermeidung von Plastikmüll ist allen Oppositionsparteien ein Anliegen. In ihren Entschließungsanträgen fordern Grüne und BZÖ deshalb ein nationales Verbot für Plastiksackerl (1210/A[E]) und eine diesbezügliche Abänderung der EU-Verpackungsrichtlinie, die einem solchen Verbot in EU-Staaten bislang im Wege stehe (1401/A[E]). Beide Initiativen wurden mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP vertagt.

V-Mandatar Konrad Steindl argumentierte die Vertagung der Anträge damit, dass die Hersteller von Kunststofftragtaschen bereits für das Problem sensibilisiert seien. Eine Umstellung brauche aber Zeit.

G-Mandatarin Christiane Brunner konnte sich dieser Auffassung nicht anschließen. Erst gestern habe sie mit Jugendlichen eine diesbezügliche Petition an Nationalratspräsidentin Prammer übergeben, führte sie aus. Ihr zufolge müsse sich Österreich ein Beispiel an Italien nehmen, das ein solches Verbot bereits umgesetzt habe. B-Abgeordneter Rainer Widmann hielt die diesbezügliche Initiative der Grünen für begrüßenswert, doch plädiere seine Fraktion für eine Lösung, die auf europäischer Ebene ansetze. Ein nationales Verbot könne – da es im Widerspruch zu geltendem EU-Recht stehe – schließlich wieder aufgehoben werden, gab er zu bedenken. Auch F-Mandatar Norbert Hofer konnte den gegenständlichen Anträgen einiges abgewinnen. Da die unter Umweltminister Pröll ausgehandelte freiwillige Vereinbarung mit dem Handel gescheitert sei, gelte es legistisch aktiv zu werden, schloss er.

Umweltminister Nikolaus Berlakovich sprach von einer "simplen, plakativen Forderung" der Oppositionsparteien. Man müsse aber auch bedenken, dass der Konsument die Kosten für Alternativen zahle. Das von ihm vorgelegte 5-Punkte-Programm ziele auf eine allmähliche Ablöse der Kunststofftaschen ab. (Schluss)