Parlamentskorrespondenz Nr. 189 vom 01.03.2011

Das Plenum analysiert die brisanten Ereignisse in der arabischen Welt

Abgeordnete fordern Freilassung iranischer Oppositioneller

Wien (PK) - An der Spitze der Tagesordnung der heutigen 96. Plenarsitzung des Nationalrates stand eine Erklärung von Außenminister Spindelegger zum Thema "Bilanz der österreichischen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat sowie zu den brisanten Ereignissen in der arabischen Welt, speziell im arabischen Raum".

Bevor Nationalratspräsidentin Barbara Prammer dem Bundesminister das Wort erteilte, kündigte sie für 15 Uhr die Behandlung eines Dringlichen Antrages der Grünen auf Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag (1427/AE) an. Im Anschluss daran findet eine Kurze Debatte über den Fristsetzungsantrag des BZÖ an den Verkehrsausschuss betreffend Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen zur ÖBB (892/AE) statt.

Zudem wird der Nationalrat über Anträge der Oppositionsparteien auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Amtsführung des ehemaligen Finanzministers Grasser debattieren. Die Grünen wollen unzulässige Einflussnahmen im Bereich des Finanzministeriums untersuchen, das BZÖ die Verwicklung Grassers in der Causa BUWOG-Verkauf und die FPÖ die Rolle Grassers und Westenthalers bei der Bundesliga-Förderung.

Herausforderungen und Chancen in der arabischen Welt

 

Bundesminister Michael SPINDELEGGER zog zunächst eine Bilanz über die Mitgliedschaft Österreichs im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und teilte mit, das Engagement sei vor allem von dem Grundsatz getragen gewesen, der Herrschaft des Rechts zum Durchbruch zu verhelfen, dies sowohl anlässlich des Bürgerkriegs in Sri Lanka und der Auseinandersetzungen im Gaza-Streifen als auch bei der Terrorismusbekämpfung im Allgemeinen. Als weitere Schwerpunkte nannte der Ressortchef den Schutz von Zivilisten in bewaffneten Konflikten sowie den Bereich Frauen, Frieden und Sicherheit, aber auch das Bemühen um ein stärkeres Gewicht der EU innerhalb der UNO.

Anliegen Österreichs sei zudem auch eine Stärkung des Amtssitzes Wiens, etwa durch die Schaffung des Wiener Zentrums für Abrüstung und Non-Proliferation oder eines neuen Liaison-Offices für alle Abrüstungsinitiativen.

Was die Entwicklungen in der arabischen Welt betrifft, bemerkte Spindelegger, diese seien eine Herausforderung und eine große Chance, zu demokratischen Strukturen zu kommen und eine bessere Basis für die Bevölkerung zu schaffen. Er begrüßte die Sanktionen seitens der internationalen Gemeinschaft und stellte überdies fest, Österreich sei auf die Evakuierung seiner Bürger gut vorbereitet gewesen.

Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) warf der Regierung vor, die Neutralität zu entsorgen, und warnte vor einer Kooperation mit der NATO. Mit Nachdruck wandte er sich gegen die Teilnahme österreichischer Soldaten an einer Battlegroup in Libyen, wobei er zu bedenken gab, heimische Soldaten hätten in bewaffneten Konflikten abseits eines UN-Mandates nichts verloren. Strache legte ein klares Bekenntnis zur Neutralität, aber auch zur Beibehaltung der Wehrpflicht ab und kritisierte, ÖVP und SPÖ würden ein übles Spiel mit der Sicherheit treiben und das Erbe der Gründerväter dieser Republik beseitigen. Statt internationale Kampfeinsätze zu unterstützen sollte Österreich vielmehr die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX stärken, betonte er. Kein Thema war für den Redner die Aufnahme libyscher Flüchtlinge. Dies sei nicht zu bewerkstelligen, das Boot sei bereits voll, sagte er.

Abgeordneter Josef CAP (S) sah in der Entwicklung in den arabischen Staaten die Chance, eine neue Stabilität auf Basis demokratischer Werte zu schaffen, und bekräftigte, Österreich werde bei seiner Neutralität bleiben, ein Militäreinsatz in Libyen sei ausgeschlossen. Es gehe vielmehr darum, mit friedlichen Mitteln die Etablierung von Demokratie zu erreichen und durch Kredite und Transfer von Know-How Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Ein Land wie Österreich mit seinem aktiven Neutralitätsverständnis und seiner Glaubwürdigkeit könne dabei einen wesentlichen Beitrag im Konzert der Europäischen Union leisten, stand für Cap fest.

Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) rief zur Solidarität mit den Opfern der Unterdrückung in der arabischen Welt auf und meinte, das Zusperren der Grenzen sei die falsche Reaktion. Sie sprach kritisch von Doppelbödigkeit der europäischen, aber auch der österreichischen Politik und warf den Regierungen vor, Diktatoren über lange Zeit hofiert zu haben. Aus rein wirtschaftlichen Interessen habe man auf Stabilität gesetzt und Fragen von Demokratie und Menschenrechten gar nicht erst angesprochen. Die Bedeutung der Öllieferungen etwa aus Libyen war für die Rednerin auch ein Argument, sich durch eine entsprechende Energiepolitik unabhängig von fossiler Energie zu machen.

Abgeordneter Wolfgang SCHÜSSEL (V) gratulierte eingangs seiner Rede dem Außenminister und seinem Team zur Arbeit im UN-Sicherheitsrat. Die in beispielloser Schnelligkeit gefallene UN-Resolution des Sicherheitsrates zu Libyen sei auch als ein Erfolg der europäischen Diplomatie zu werten. Schüssel meinte, die Dinge bewegten sich in Nordafrika in eine richtige Richtung, aber es sei sicher die Frage, ob sie sich als nachhaltig erweisen werde. Man sollte dabei die Fehler, die Europa und die USA gemacht haben, nicht verschweigen. So habe man das Waffenembargo gegenüber Libyen zu schnell aufgehoben. Seine Vorrednerin habe die Frage der Waffenexporte zu Recht aufgeworfen, hierüber müsse es eine ehrliche Diskussion geben, wolle man eine ernsthafte europäische Außenpolitik, meinte Schüssel. Er verwies auf den Iran, wo derzeit die Oppositionsbewegung massiv unterdrückt werde. Österreich sollte in diesem Zusammenhang einen Appell an die iranische Regierung richten, forderte Schüssel. Österreich und Europa müssten aus früheren Fehlern lernen und den südlichen Nachbarstaaten am Mittelmeer die Expertise und Ressourcen, über die man verfüge, anbieten. Es sei an der Zeit, die Union für das Mittelmeer zu beleben. Es werde auch an Europa liegen, wohin sich der Nahe Osten entwickle. Die Chancen auf eine Entwicklung zu mehr Demokratie und Marktwirtschaft sollten jedenfalls genützt werden, anstatt sich vor diesen Entwicklungen zu fürchten.

Abgeordneter Josef BUCHER (B) meinte, dass die Militärregierung in Ägypten schon seit einigen Wochen absehbar gewesen sei, und warnte davor, die Entwicklung nur "durch eine rosarote Brille" zu sehen. Man dürfe sich in Europa nicht zurücklehnen und hoffen, das dort von selbst eine gute Entwicklung stattfinden werde. Die EU habe sich außenpolitisch als nicht handlungsfähig und uneinig erwiesen und sei nicht imstande, richtig auf die derzeitige Situation zu reagieren. Bucher erinnerte daran, dass noch vor kurzem viele europäische Staatschefs in Libyen wirtschaftliche Interessen verfolgt und Zugang zu libyschen Öl gesucht hätten. Niemand anderer als Bruno Kreisky habe die Tür zu Libyen geöffnet. Wie Europa, so hätten sich auch die USA nur daran interessiert gezeigt, sich die libyschen Ölvorkommen zu sichern, meinte Bucher und warnte davor, dass die Europäer die Kosten einer kurzsichtigen Politik in Form von Ölpreis und Flüchtlingsströmen tragen müssten. Hier liege die Herausforderung der europäischen Außenpolitik. Es gehe darum, die Menschen im arabischen Raum dazu zu bewegen, im eigenen Land am Aufbau demokratischer Verhältnisse mitzuwirken. Weiters müsse man ausreichende Grenzschutzmaßnahmen treffen. FRONTEX sei gegen illegale Einwanderer aufzurüsten, da Italien sicher nicht bereit sein werde, alle Flüchtlinge aufzunehmen. Bucher forderte daher den Außenminister auf, eine aktivere Rolle zu spielen und alle österreichischen Kontakte im arabischen Raum in diesem Sinne zu nützen. 

Abgeordnete Christine MUTTONEN (S) meinte zu Österreichs Rolle im UN-Sicherheitsrat, als nichtständiges Mitglied brauche man Verhandlungsgeschick und eine positive Agenda. Wie sich nach zwei Jahren zeige, sei diese Agenda richtig gewählt worden und bilde einen Auftrag, sich weiter für den Schutz der Menschenrechte einzusetzen. Muttonen zeigte sich tief betroffen von den derzeitigen Ereignissen in Libyen und begrüßte die Sanktionen der UNO und der EU gegenüber dem Regime. Aus humanitären und wirtschaftlichen Überlegungen müsse man jetzt eine Strategie zur Unterstützung der Region erarbeiten. Die Abgeordnete hob hervor, dass Frauen und Männer gemeinsam die Proteste tragen und sprach ihnen dafür die Bewunderung aus. Es bestehe aber das Risiko, dass sich an der Situation der Frauen langfristig nichts ändern werde, die Gesellschaft wieder in vordemokratischen Strukturen erstarre und Frauen weiter von der Politik ausgeschlossen blieben. In Ägypten zeigten sich schon Anzeichen einer solchen Entwicklung, befürchtete Muttonen. Das Fenster der Möglichkeiten, bevor sich die Strukturen wieder verfestigen, sei nur kurz offen, der Außenminister solle daher jetzt jede Möglichkeit nützen, um die Gleichberechtigung der Frauen zu Grundbedingung für Hilfe seitens der EU zu machen. Hier könnte Österreich eine wichtige Rolle spielen, zeigte sich Muttonen überzeugt.

Abgeordnete Ursula PLASSNIK (V) meinte, die Mitgliedschaft Österreichs im Menschenrechtsrat werde die nächste Herausforderung an die österreichische Außenpolitik sein. Zu den Ereignissen in Nordafrika meinte sie, der Ruf nach Demokratisierung komme aus der Mitte der Gesellschaft. Der Weg zur Freiheit werde sicher noch schwierig sein, aber die Bevölkerung sei gewillt, die alten korrupten und repressiven Herrschaftsverhältnisse abzuschütteln. Europa habe selber mehrfach die Transformation von Gesellschaften erlebt und sollte daher nun den Mut haben, einen eigenen Plan zu formulieren. Sie wünsche sich dazu einen Europa-Plan, der vordringlich Wissenstransfer enthalten solle, etwa zur Verfassungsgesetzgebung und zum Aufbau von Wahlordnungen. Die Zeit sei jetzt reif für eine neue Mittelmeerpartnerschaft, und die Mittel für die wirtschaftliche Entwicklung seien vorhanden. Wichtig sei dabei die Förderung des Mittelstandes, der Zugang zu Bildung und die Unterstützung der Frauen als wichtige Verbündete im Kampf für Menschenrechte und gegen Fundamentalismus. Auch Israel, mit seinen verständlichen Sicherheitsinteressen, könne nachhaltige Sicherheit letztlich nur in der Partnerschaft mit den Staaten der Region finden. Sie wünsche sich daher einen Durchbruch in den Verhandlungen mit den Palästinensern. "Zuschauen ist keine Option", schloss Plassnik.

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) stimmte seiner Vorrednerin zu, jetzt brauche es "Mut zum Frieden". Der Begriff der Mittelmeerpartnerschaft sei aber in den letzten Jahrzehnten völlig diskreditiert worden. Er stehe für die Unterstützung von diktatorischen Regimen und ihrer Repressionsapparate durch Europa. Es brauche daher eine ehrliche Politik und eine klare Linie. Bloße symbolische Sanktionen seien dafür zu wenig. Man dürfe auch die alten Fehler der Außenpolitik nicht fortschreiben, wie man das etwa im Fall von Aserbaidschan derzeit betreibe, wo man erst unlängst eine Botschaft eröffnet habe. Das Verhalten gegenüber dem Regime sei jedenfalls kein Beispiel einer sauberen und konsequenten Außenpolitik. Hübner brachte einen Entschließungsantrag seiner Partei ein, der den Außenminister auffordert, sich für das Recht der Selbstbestimmung im arabischen Raum und für Maßnahmen zum Stopp der Flüchtlingsströme einzusetzen. In diesem Antrag formuliert die FPÖ außerdem ihre Ablehnung eines Einsatzes des Bundesheeres in den Krisenregionen.

Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN (G) thematisierte den Widerspruch, der daraus entstehe, dass man in der Außenpolitik zwar einerseits die Herrschaft des Rechts fordere, diese aber immer wieder den Sicherheitsinteressen unterordne. Die politischen "Realisten" hätten im aktuellen Falle Nordafrikas einmal nicht recht behalten. Die Reaktion des UN-Sicherheitsrats sei tatsächlich sensationell schnell erfolgt, doch habe die EU leider nicht schnell genug reagiert. In den Gegenmaßnahmen gegen die Politik Gaddafis halte man sich zu sehr zurück. Die Staatengemeinschaft sollte daher eine Flugverbotszone über Libyen einrichten. Das sei zweifellos eine heikle Entscheidung, aber es gebe durchaus Präzedenzfälle. Van der Bellen brachte daher einen Entschließungsantrag ein, der den Außenminister auffordert, sich in der Staatengemeinschaft aktiv für den Schutz der libyschen Bevölkerung durch Errichtung einer Flugverbotszone einzusetzen. Der "arabische Frühling" erinnere an Europa 1989, es sei zu wünschen, dass er ebenfalls eine positive Entwicklung zu Demokratie und Freiheit einleite.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) problematisierte die Forderung seines Vorredners nach einer Flugverbotszone über Libyen. Er kritisierte außerdem, dass man im Nachhinein die Kontakte zu den Regimen in Nordafrika abwerte. Es gehe immer darum, eine Veränderung durch einen kritischen Dialog voranzutreiben. Fragwürdig wäre es, wenn die USA oder auch die europäische Außenpolitik nur nach einem Freund-Feind-Schema agierten. Dies führe nur zu Doppelbödigkeit in der Politik. Man müsse sicherstellen, dass sich demokratische Systeme entwickeln können, alles andere sei gefährlich für den Weltfrieden.

Abgeordnete Gisela WURM (S) verteidigte in ihrer Wortmeldung die Außenpolitik von Bruno Kreisky. Sie müsse vor dem Hintergrund der damaligen Zeitumstände beurteilt werden. Österreich habe seine Rolle im UN-Sicherheitsrats sehr gut wahrgenommen, konstatierte Wurm und dankte Bundesminister Spindelegger für seine gute Arbeit. Auf die gegenwärtigen Entwicklungen in Nordafrika müsse eine europäische Antwort gefunden werden. Nach dem Jahr 1989 habe sich gezeigt, dass Europa viel Know-how für einen friedlichen Übergang zur Demokratie anzubieten habe. Man müsse ohne Einmischung und ohne Bevormundung dafür eintreten, dass sich in Nordafrika und im Nahen Osten eine demokratische Entwicklung vollziehe, schloss die Rednerin.

Abgeordnete Katharina CORTOLEZIS-SCHLAGER (V) bezeichnete die Kandidatur Österreichs für den UN-Menschenrechtsrat nach der Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat als die nächste Herausforderung. Sie brachte in diesem Zusammenhang einen S-V-G-B-Entschließungsantrag ein. Österreich solle sich nach Kräften dafür einsetzen, dass die Einhaltung der Menschenrechte die Grundlage für internationale Beziehungen bilde. Man werde derzeit Zeuge des Mutes jener Menschen in Nordafrika und im Nahen Osten, die bereit seien, sich für eine demokratische Entwicklung ihrer Länder einzusetzen. Man sei aber auch mit der Gewalttätigkeit des Gaddafi-Regimes konfrontiert. Es zeige sich daran, wie wichtig Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten seien. Österreich trete in seiner Außenpolitik für den Dialog auf kultureller, wissenschaftlicher und demokratiepolitischer Ebene ein und habe in diesen Aspekten sehr viel anzubieten, war die Abgeordnete überzeugt.

Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) meinte, die plötzliche Änderung der Haltung gegenüber dem libyschen Regime sei nicht überzeugend. Noch vor wenigen Monaten hätten europäische Politiker auch Gaddafi gerne die Hand geschüttelt. An anderer Stelle pflege man immer noch Kontakte mit diktatorischen Regimen, meinte Vilimsky und erinnerte auch daran, dass man im Falle Chinas bei internationalen Kontakten die Menschenrechtsprobleme aus wirtschaftlichem Opportunismus nicht anspreche. Vilimsky kritisierte in diesem Zusammenhang auch die Politik der USA in den derzeitigen Krisenländern Nordafrikas und warnte davor, sich von Seiten Österreichs vorschnell darauf einzulassen, diese Linie zu unterstützen.

Abgeordneter Peter PILZ (G) ging zunächst auf die geglückte Heimholung von 40 ÖsterreicherInnen aus Libyen ein und bemerkte dazu, dass in diesem Zusammenhang das Heeresnachrichtenamt chaotisch vorgegangen sei. Nur über Mittelsmänner habe die richtige Route gefunden werden können, kritisierte er und zeigte kein Verständnis dafür, dass man nun über das Honorar für die Mittelsmänner streitet. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen stand aber der Vorwurf hinsichtlich eines illegalen Kriegsmaterialtransports an die Eliteeinheit von Diktator Gaddafi. Die Firma Schiebel aus Wiener Neustadt habe im Wert von 7 Mio. Euro im Jahr 2009 vier Drohnen geliefert, die der genannten Eliteeinheit genau den Standort der DemonstrantInnen meldet, und damit werde es dem Regime ermöglicht, gezielt auf die Menschen zu schießen. Der Export sei nicht geprüft worden, stellte Pilz fest. Weiters bemängelte er, dass die Regierung bis vor Beginn der Aufstände zu Fragen der Menschenrechts- und Demokratiepolitik geschwiegen hat, und stellte abschließend die Vermutung in den Raum, dass die FPÖ über Konten in Liechtenstein Millionen aus Tripolis erhalten hat.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) konterte eingangs, Gaddafi sei in früheren Jahren ein großer Förderer der linken Bewegung gewesen. Grundsätzlich vertrat er die Auffassung, dass der Versuch von SPÖ und ÖVP, mit langen Fingern auf das BZÖ und die FPÖ zu zeigen, völlig daneben gegangen sei. Er erinnerte an die zahlreichen Besuche von österreichischen SpitzenpolitikerInnen in der Vergangenheit in Libyen und rechnete vor, dass 20 % des in Schwechat raffinierten Rohöls aus dem Land Gaddafis stammen. Der OMV-Chef sei SPÖ nahe, fügte er hinzu.

In einer Replik auf die vorangegangenen Wortmeldungen meinte Bundesminister Michael SPINDELEGGER, es sei notwendig, auch mit diktatorischen Regimen in Kontakt zu treten. Selbstverständlich trachte er danach, bei jedem dieser Kontakte auf das europäische Wertesystem Rücksicht zu nehmen. Er spreche beispielsweise immer wieder bei derartigen Treffen die Menschenrechtsfragen an. Man dürfe nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, sagte Spindelegger, und habe die wirtschaftlichen Kooperationen mit den westlichen Wertevorstellungen zu verknüpfen. Abgeordneten Pilz ersuchte er, ihm die Unterlagen zur Verfügung zu stellen und versicherte, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, werde dies Konsequenzen haben.

Der Außenminister trat auch dafür ein, die Nachbarschaftspolitik mit den Staaten des Mittelmeerraums zu überdenken. Man dürfe diese nicht mehr als einheitlichen Raum betrachten, sondern müsse die Beziehungen von Land zu Land unterschiedlich betrachten. Des weiteren urgierte er in Anbetracht des zu erwartenden Flüchtlingsstroms, in Zusammenarbeit mit der EU Vorkehrungen zu treffen.

Abgeordneter Hannes WENINGER (S) meinte, es gelte nun, die soziale und wirtschaftliche Zukunft der Menschen in der Region aber auch in Europa zu bewerten. Gefragt sei eine Art Marshall-Plan für die Region, um den Menschen eine Zukunftsperspektive zu geben. Im Hinblick auf die Kritik der Opposition merkte Weninger an, jetzt seien alle gescheiter. Man könne aber ein Signal setzen, indem man beispielsweise das Fischereiabkommen der EU mit Marokko nicht mehr unterstützt. Der Abgeordnete ging auch kurz auf die Rolle Österreichs im Sicherheitsrat ein, wofür er großes Lob aussprach. Diese Periode habe zu einem Globalisierungsschub der österreichischen Außenpolitik geführt, sagte er. Abschließend brachte er einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Cap und Schüssel ein, in dem die unverzügliche Freilassung der Oppositionsführer im Iran gefordert wird.

Abgeordneter Wolfgang GROSSRUCK (V) bezeichnete die laufende Debatte vor dem Hintergrund des Freiheitskampfs in Nordafrika, wo Menschen um ihr Leben fürchten müssen, als unwürdig. Vielmehr habe man nun die Pflicht, gemeinsam eine Strategie zu erarbeiten, wie man den Menschen in dieser Region helfen kann. Keiner könne heute sagen, wie das Endergebnis der Umwälzungen aussehen wird, aber man könne dieses durch entsprechende Hilfsmaßnahmen mit beeinflussen. Großruck machte deutlich, dass es keine Neutralität geben kann, wo Menschenrechte verletzt werden. Den Antrag der Grünen zu den Flugverbotszonen hielt er prinzipiell für gut, er bedauerte jedoch, dass dieser zu spät vorgelegt wurde, sodass keine Zeit mehr bleibe, kleinere Änderungen zu verhandeln.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) betonte die enge Verknüpfung der Außenpolitik mit der Sicherheitspolitik und stellte in Abwandlung eines Zitats von Talleyrand fest, Außenpolitik sei in erster Linie Interessenspolitik. Der Außenminister habe daher die österreichischen Interessen zu vertreten. Er warnte auch davor, zu schnell die Moralkeule zu schwingen.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) kritisierte nochmals die Waffengeschäfte Österreichs mit Diktaturen und die Verzögerung im Hinblick auf das Einfrieren der Vermögen Gaddafis in Österreich. Hier sei Gefahr in Verzug gewesen, stellte Kogler fest, und Österreich hätte durchaus autonom vorgehen können und nicht auf die EU und die UNO warten müssen. Als scheinheilig bezeichnete er auch das Nabucco-Projekt, denn dieses sei nur in Zusammenarbeit mit dem Iran wirtschaftlich vertretbar.

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) sprach sich dafür aus, statt Sanktionen zu erlassen, den Weg des Dialogs zu gehen. Das bringe den Menschen mehr, das sehe man auch am Beispiel des Irak, wo heute der Terror überhandnehme. Es sei auch ein Fehler zu glauben, dass man westliche Standards überfallsartig in afrikanischen Staaten etablieren könne. Mit allem Nachdruck wies Petzner die Mutmaßungen zurück, von Gaddafi seien Gelder auf Konten Jörg Haiders geflossen. Vielmehr stelle sich die Frage, bei welchen roten und schwarzen Banken der libysche Diktator sein Vermögen gebunkert hat. 

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag der Koalitionsparteien betreffend Freilassung iranischer Oppositionspolitiker einstimmig und der S-V-G-B-Entschließungsantrag betreffend Österreichs Kandidatur für den UN-Menschenrechtsrat mehrheitlich angenommen.

Der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend Revolution im arabischen Raum und der Entschließungsantrag der Grünen betreffend Flugverbotszone in Libyen blieben hingegen in der Minderheit. (Fortsetzung NR)