Parlamentskorrespondenz Nr. 278 vom 23.03.2011

EU-Hauptausschuss befürwortet mehrheitlich Stabilitätsmechanismus

Nationalrat richtet "Feuerwehrkomitee" während Ratssitzung ein

Wien (PK) – Beim kommenden Europäischen Rat am 24. und 25. März werden in der EU wirtschafts- und finanzpolitisch neue Weichen gestellt. Als eine Antwort auf die Krise sollen ein permanenter Europäischer Stabilitätsmechanismus oder Euro-Schutzschirm (ESM) eingerichtet und ein Wettbewerbspakt erarbeitet werden, um die Staatsverschuldung in den Euroländern zu dämpfen. Der Euro-Schutzschirm soll mit 700 Mrd. Euro dotiert werden, bestehend aus einem eingezahlten Kapital von 80 Mrd. € und 620 Mrd. € Rufkapital und Garantien. Für Österreich fallen in diesem Zusammenhang 2,2 Mrd. € an, 17,3 Mrd. € sind im Bedarfsfall für abzudeckendes Kapital und Garantien zur Verfügung zu stellen. Dazu ist auch eine Ergänzung des Artikel 136 AEUV notwendig, diese Vertragsänderung muss dann in allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.

Die Mitglieder des Hauptausschusses beschlossen, angesichts der wichtigen Thematik das von der Geschäftsordnung vorgesehene "Feuerwehrkomitee" einzurichten, damit im Verlauf der Beratungen im Europäischen Rat direkter Kontakt mit den Fraktionen im Nationalrat aufrecht erhalten werden kann.

SPÖ und ÖVP: Finanzhilfen nur mit strengen Auflagen

SPÖ und ÖVP nahmen zudem mehrheitlich einen Antrag auf Stellungnahme an, der eine Ergänzung des Artikel 136 AEUV, wie ihn die deutsche Bundesregierung vorgeschlagen hat, einfordert. Die gewünschte Ergänzung lautet: "Die Mitgliedsstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen."

Bundeskanzler Werner Faymann ging davon aus, dass der vorliegende Text zum Euro-Schutzschirm noch Änderungen erfahren wird. Zum einen gehe es um die gerechte Verteilung der Lasten unter den Ländern - eine Frage, die noch nicht völlig ausdiskutiert ist - zum anderen müsse die Frage einer stärkeren Heranziehung von Privaten noch eingehend diskutiert werden. Er halte dies für notwendig, auch wenn die EZB meint, eine Heranziehung Privater würde nur zu einer Zeitverzögerung führen und den Schutzschirm schwächen. Der Kanzler sah keinen Anlass, Euro-Bonds einzuführen.

Einmal mehr sprach sich Faymann für eine Finanztransaktionssteuer aus, wobei er einräumte, dass es dazu in Europa noch große Widerstände gebe. Staatssekretär Andreas Schieder, der ebenfalls vehement für die Einbeziehung Privater eintrat, ergänzte, im Ecofin sei es wichtig gewesen sicherzustellen, dass der ESM mit einem AAA-Rating auf den Kapitalmärkten reüssieren kann. Man wollte auch gewährleisten, dass die aufgenommenen Schulden nicht den Budgets der Mitgliedstaaten angerechnet werden. Bei der Aufteilung der Mittel habe man den EZB-Kapitalschlüssel herangezogen. Schieder unterstrich insbesondere die strengen Bedingungen für die Vergabe von Mitteln, diese könnten nur gewährt werden, wenn dies der Wahrung der Stabilität der Eurozone dient.

Der Bundeskanzler nahm auch zum geplanten Wettbewerbspakt Stellung. Ihm sei es wichtig, die Beurteilung eines Landes nicht nur nach dessen Verschuldung vorzunehmen. Ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes liege auch darin, ob das Land überhaupt in der Lage sei, seine Schulden zurückzuzahlen. Aber auch der soziale Frieden sowie das Niveau von Bildung, Ausbildung und Forschung seien zu berücksichtigen. Das Ganze sei aber derzeit in Diskussion. Bis April soll jedes Land die Faktoren melden, die es in diesem Zusammenhang für wichtig hält, dann werde man vergleichen und dort diskutieren, wo die Meinungen stark auseinandergehen, erläuterte Faymann. Das Ganze gehe in Richtung von einer besseren Koordination, stellte er fest, wobei verbindlich festgelegt werden soll, auf welche Faktoren Rücksicht zu nehmen ist.

FPÖ und BZÖ gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus

Der Euro-Rettungsschirm wurde dezidiert von FPÖ und BZÖ, auch in Form vorgelegter Anträge, abgelehnt. In einem Antrag auf Stellungnahme, der keine Mehrheit fand, fordert die FPÖ darüber hinaus sich dafür einzusetzen, dass Staaten wie Griechenland oder Irland, deren makroökonomische Kennzahlen einen Verbleib in der gemeinsamen Währungsunion nicht rechtfertigen, aus dieser entlassen werden und ihre alten Währungen wieder einzuführen haben.

In der Minderheit blieb auch der Antrag des BZÖ auf Ausschussfeststellung, in dem sich die Fraktion gegen eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms, eine Laufzeitverlängerung der Kredite für Griechenland, eine Senkung des mit Griechenland vereinbarten Zinssatzes sowie gegen die geplante Vertragsänderung zur Schaffung eines langfristigen Stabilitätsmechanismus ausspricht.

Grüne kritisieren mangelnde Einbindung der Parlamente

Nur unter bestimmten Bedingungen wollen die Grünen einem Europäischen Stabilitätsmechanismus zustimmen. Sie kritisierten vor allem die in ihren Augen mangelnde Informationspolitik der Bundesregierung und den Plan der EU, den europäischen Stabilitätsmechanismus außerhalb der EU-Institutionen anzusiedeln. Damit drohe die Gefahr von Intransparenz und fehlender demokratischer parlamentarischer Legitimation. Sie verlangen daher die Einrichtung des ESM innerhalb des Institutionengefüges der EU unter voller politischer Einbeziehung des Europäischen Parlaments.

Die Grünen sprechen sich in ihrem Antrag auf Stellungnahme unter anderem für ein geordnetes Ent- bzw. Umschuldungsverfahren für Staaten unter Beteiligung privater Gläubiger sowie für die Einführung von Euro-Bonds aus. Weiters befürworten sie eine europaweite Harmonisierung des Satzes und der Bemessungsgrundlage der Körperschaftssteuer, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und den Übergang zur qualifizierten Mehrheit in Fragen der Steuerharmonisierung.

Die Diskussion

In der Diskussion befürworteten die Abgeordneten Josef Cap, Christine Muttonen und Kai Jan Krainer (alle S) den Stabilitätsmechanismus. Dieser mache Schluss mit nur kurzfristigen, unkoordinierten Schritten, sagte Muttonen und forderte die Loslösung von der Abhängigkeit von amerikanischen Rating-Agenturen. Bisher sei alles darauf hinausgelaufen, dass die Gewinne privatisiert werden, im Notfall aber die SteuerzahlerInnen einspringen müssen, warf Abgeordneter Cap ein. Deshalb müsse dieser Lobby etwas entgegengesetzt werden, sagte er. Der permanente Mechanismus werde sicherlich dazu beitragen.

Abgeordnete Muttonen wollte in ihrer Wortmeldung nach vorne blicken und thematisierte die Strategie Europa 2020, worin es um die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Bekämpfung der Armut, die Förderung von Forschung und Entwicklung und den Umstieg auf erneuerbare Energien geht. Dabei sei politischer Wille und Entschlossenheit gefordert, merkte sie an, aber auch die Erschließung neuer Finanzierungsquellen, etwa durch die Finanztransaktionssteuer. Muttonen sprach sich auch für eine europäische Bürgerinitiative zur Einführung einer solchen Steuer sowie zum Ausstieg aus der Atomkraft aus. Ihr Klubkollege Kai Jan Krainer hielt den Kritikern des Stabilitätsmechanismus entgegen, man zahle auch beim Abschluss einer Versicherung ein und hoffe, dass man diese doch nicht in Anspruch nehmen muss.

Mit dem dauerhaften Mechanismus mache man einen bedeutenden Schritt nach vorne, meinte auch Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V), der jedoch insofern Kritik verstand, als man in der Vergangenheit, etwa bei Griechenland, andere Lösungen gefunden hatte, die dann neben den neuen Regelungen weiterlaufen. Er warnte eindringlich davor, die Vertragsänderung nicht zu beschließen, denn dann laufe das Ganze aus den Rudern und das werde wieder auf die SteuerzahlerInnen zurückfallen. Schüssel zeigte sich zufrieden darüber, dass der Mechanismus nicht rein intergouvernemental ausgerichtet ist, sondern dass die EZB und die Kommission voll eingebunden sein sollen. Auch Schüssel sprach sich für die Heranziehung Privater aus und meinte, Euro-Bonds seien nur dann sinnvoll, wenn es automatische Sanktionen gibt.

Was den Wettbewerbspakt betrifft, so meinte sein Klubkollege Martin Bartenstein (V), der Pakt stärke die österreichische Politik, denn hierzulande spielten bereits heute die Lohn- und Produktionskosten eine Rolle. Selbstverständlich, so Bartenstein, gehe es auch um das Pensionssystem, und hier insbesondere um die Frühpensionierung. 

Eine völlig andere Beurteilung des Euro-Schutzschirms nahm Abgeordneter Heinz-Christian Strache (F) vor. Seiner Meinung nach entwickelt sich die EU zu einer "Transferunion", in der man auf Lebenszeit für bankrotte Staaten Schulden zahlen müsse. Der Euro-Rettungsschirm führe auf die Dauer zu einer Hyper-Inflation, zeigte er sich überzeugt, und liege nicht im Interesse der österreichischen Bevölkerung. Strache forderte, über die geplante Vertragsänderung eine Volksabstimmung abzuhalten.

Ähnlich negativ lautete die Stellungnahme von Abgeordnetem Ewald Stadler (B). Er sei "beeindruckt", wie er sich ausdrückte, dass man ohne weiteres 2,2 Mrd. Euro zusätzlich zur Verfügung stelle, obwohl man genau sehe, dass die Hilfen aus dem Ruder laufen. Das bisherige Vorgehen der EU-Staaten sei vertragswidrig gewesen, aber auch die in Aussicht genommene Vertragsänderung werde nicht die Zustimmung des BZÖ finden, denn die EU schlage damit einen völlig falschen Weg ein. Das Signal für den Bankensektor sei damit, dass die SteuerzahlerInnen ohnehin einspringen, weshalb man so weiter machen könne wie bisher.

Der BZÖ-Mandatar kritisierte auch scharf den Wettbewerbspakt und befürchtete dadurch einen Eingriff in die Tarifverträge sowie immense Auswirkungen auf die Lohnpolitik. Einmal mehr stellte Stadler den Vorschlag einer Hartwährungszone zur Diskussion.

Nicht grundsätzlich negativ fiel die Stellungnahme von Abgeordnetem Alexander Van der Bellen (G) zum Euro-Schutzschirm aus. Er hielt es aber für eine "Provokation", dass die Mechanismen auf keiner demokratiepolitischen Basis erfolgen und die Staats- und RegierungschefInnen Verträge schließen, ohne vorher das Parlament zu informieren. In diesem Sinne forderte Van der Bellen eindringlich die Vorlage eines Informationsgesetzes ein. Vorher gebe es keine Zustimmung der Grünen zur angestrebten Vertragsänderung, bekräftigte er.

(Fortsetzung EU-Hauptausschuss)