Parlamentskorrespondenz Nr. 496 vom 18.05.2011

Der Euro - Erfolgsstory oder Lügenkonstrukt?

Aktuelle Europastunde im Nationalrat

Wien (PK) – Der Nationalrat leitete heute seine 107. Plenarsitzung mit einer Aktuellen Europastunde ein, deren Thema vom BZÖ ausgewählt wurde: "Die Eurolüge – Genug gezahlt für marode Banken und bankrotte Euroländer!"

BZÖ-Klubobmann Josef BUCHER zeigte sich einleitend "erfreut darüber, dass Finanzministerin Maria Fekter derzeit im Inland weilt" und der Debatte beiwohne. Halte sie sich im Ausland – oder besser gesagt in Brüssel – auf, komme das den österreichischen SteuerzahlerInnen schließlich teuer zu stehen, wie der Beschluss des ECOFIN-Rats über ein weiteres Hilfspaket für Portugal in Höhe von 78 Mrd. € unter Beweis stelle. Dabei äußere man aber schon jetzt Bedenken, dass dieser finanzielle Rahmen nicht ausreichen werde.

Die österreichischen BürgerInnen fühlten sich vor diesem Hintergrund betrogen. Sie könnten nicht nachvollziehen, warum auf europäischer Ebene Unsummen für "marode Banken" und "Pleiteländer" aufgewendet, in Österreich aber die Familienbeihilfe gekürzt und die Mineralölsteuer erhöht werden, konstatierte Bucher. Dass man legitimerweise von einer "Euro-Lüge" sprechen könne, illustriere auch die Aussage Jean-Claude Junckers, der als Gruppenchef der Euro-Zone festgestellt habe, dass man lügen müsse, "wenn es ernst werde".

Die Tatsache, dass Haftungen Zahlungsverpflichtungen sind, die jederzeit schlagend werden können, vergesse die Bundesregierung nur allzu gerne, kritisierte Bucher. Was man in dieses "marode System" hineinpumpe, sei außerdem Geld, das man selbst noch nicht erwirtschaftet habe. Damit müsse nun Schluss sein. Als Gewinner stünden schließlich immer nur die Banken da, die mit dem Kauf von Staatsanleihen Renditen von bis zu 25 % erwirtschafteten. Was die immer wieder erhobene Forderung nach einer europäischen Transaktionssteuer anbelange, verzeichne man aber keine konkreten Fortschritte, kritisierte Bucher.

Für Griechenland gebe es keinen anderen Ausweg als eine vernünftige Umschuldung und die Rückkehr zur eigenen Währung, stand für den B-Klubobmann außer Frage, alles andere sei Konkursverschleppung. Ein Festhalten am bisher praktizierten Modell führe schließlich auch Österreich in eine "Schuldenfalle" und in eine Transferunion, an deren Spitze eine europäische Zentralregierung stehen werde, zeigte sich der Redner überzeugt.

Für Finanzministerin Maria Theresia FEKTER stand außer Zweifel, dass B-Klubobmann Bucher "nichts verstanden" habe. Sachlich betrachtet gehe es um einen Sanierungsplan, der darauf abziele, die betroffenen Staaten aus der Schuldenkrise zu führen, erläuterte sie. Sie zu sanieren sei schließlich besser, als sie "in die Pleite zu schicken". Übersehen werde außerdem, dass Österreich für die Kredite, die es vergebe, auch Zinsen erhalte, die den SteuerzahlerInnen zugutekämen, erinnerte Fekter.

Den Euro halte sie für ein "Erfolgsmodell", erklärte die Finanzministerin, er habe schließlich mehr Preisstabilität gebracht und die Sparguthaben gesichert. Außerdem fördere er das Zusammenwachsen Europas, stärke die europäischen Märkte und sei eine weitaus stabilere Weltwährung als der US-Dollar. Österreich habe stark von der Einführung der gemeinsamen Währung profitiert, erläuterte Fekter, schließlich könnten 0,9 % des Wachstums auf Euro und Binnenmarkt zurückgeführt werden. Außerdem habe man vor diesem Hintergrund 20.000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen können.

Der Euro sei zwar nach wie vor eine starke Währung, doch könne man die Schuldenkrise einiger Staaten der Euro-Zone nicht bestreiten. Sie halte aber den eingeschlagenen Weg ihrer Sanierung für richtig, zumal die Auszahlung der Finanzmittel an Reformauflagen geknüpft werde. Griechenland müsse unter anderem sein Staatsgefüge "entrümpeln" und mit Unterstützung der Europäischen Gemeinschaft ein effizientes Steuersystem aufbauen. Schließlich stehe dieser Staat auf dem Stand Österreichs in den 1970er Jahren. Dass Europa richtig agiere, illustriere der Fall Irland: Dieser Staat müsse den Haftungsrahmen nicht zur Gänze ausschöpfen, wie vor kurzem verlautbart wurde, sondern könne wieder Geld aus den Finanzmärkten beziehen.

Schuldenerlass und Umschuldung hielt die Finanzministerin für nicht zielführend: Im Falle eines Erlasses erhalte niemand die aufgewendeten Finanzmittel zurück, was unter anderem auf Kosten der europäischen Pensionskassen gehe, erläuterte Fekter, eine Umschuldung bedeute nichts anderes als die Verlagerung der Schuld auf die Nettozahler. Sie wolle den Griechen die erforderliche Zeit für Reformen zugestehen, ohne sie und die ihnen übermittelten Gelder einfach "abzuschreiben".

S-Klubobmann Josef CAP erinnerte daran, dass Griechenland 2000 von einer "jubelnden" schwarz-blauen Regierung in der Euro-Zone empfangen wurde. Vergessen dürfe man aber auch nicht die Haftungen, die der österreichische Staat für die Hypo habe übernehmen müssen. Der Fall Griechenland dürfe nicht zu einem "Festmahl für Populisten" werden, forderte Cap, mit ihm seien schließlich auch heimische Exporte und Arbeitsplätze verbunden. Was Österreich in der jetzigen Situation tue, sei das Vernünftigste, was man tun könne: Es gelte die Sanierung Griechenlands mitzutragen, um weiter von der Euro-Zone profitieren zu können, schloss der S-Klubobmann.

V-Abgeordneter Wilhelm MOLTERER attestierte Bucher, in einen "Anti-EU-Wettbewerb" mit den Freiheitlichen eingetreten zu sein. Das spiegle sich auch darin, dass man mit dem Begriff "Euro-Lüge" die Diktion der FPÖ übernehme. Wer aber "im Glashaus sitzt", solle nicht mit Steinen werfen, gab Molterer zu bedenken: Schließlich wären die Haftungen, die die österreichischen SteuerzahlerInnen für die Hypo übernommen haben, höher als jene für Griechenland. Den schwächelnden Staaten der Euro-Zone gelte es in jedem Fall beizustehen. Hier stehe schließlich nicht nur die Zukunft des "Erfolgsprojekts" Europa, sondern auch jene des österreichischen Staates auf dem Spiel, erklärte Molterer. Vom Euro habe schließlich auch die heimische Wirtschaft enorm profitiert, skizzierte er. Als kleines Land sei Österreich außerdem auf den "Schutzschirm" der gemeinsamen Währung angewiesen. Über die Haftungen, die man für Griechenland übernehme, könne man nicht begeistert sein, doch halte er, Molterer, den eingeschlagenen Sanierungsweg für richtig: Man könne schließlich keinen Staat in die Pleite schicken, wie man es noch in den 1930er Jahren getan habe.

Den Titel der heutigen Europastunde hielt F-Mandatar Johannes HÜBNER angesichts der Verharmlosung und Verleugnung wesentlicher Fakten durch die Bundesregierung für mehr als berechtigt. Die vorgebrachten Argumente für die Unterstützung Griechenlands hielt er für haltlos. Angesichts der Tatsache, dass der griechische Staat eine Verschuldung von 220 % des eigenen Bruttoinlandsprodukt aufweise, müssten schließlich berechtigte Zweifel daran aufkommen, ob mit den Zinsen, die Finanzministerin Fekter angesprochen hatte, ein wirklich gutes Geschäft zu machen ist. B-Klubobmann Bucher sei mit der Diktion "Euro-Lüge" deshalb Recht zu geben. Das derzeit bestehende Finanzchaos führe zur Verunsicherung der Welt gegenüber dem Euro und damit auch gegenüber Österreich, gab der F-Mandatar zu bedenken.

G-Klubobfrau Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK hielt es für eine "gefährliche Tendenz", auf alles Europäische "einzudreschen". Derartige Themen bedürften schließlich einer vernünftigen und differenzierten Betrachtung. Brenne "das Haus des Nachbarn", könne man außerdem nicht tatenlos zusehen, stellte die Grüne Mandatarin fest: Im Sinne des europäischen Konzepts der Solidarität gelte es einzuschreiten. Zwar halte sie den Rettungsschirm für in mancherlei Hinsicht mangelhaft, doch wäre er grundsätzlich sinnvoll und mitzutragen. Sei der Brand jedoch gelöscht, müssten auch die Brandursachen identifiziert werden: Es gelte eine Gläubigerbeteiligung einzufordern und die Banken entsprechend in die Pflicht zu nehmen. BZÖ und FPÖ ließ Glawischnig-Piesczek wissen, dass man auch Kärnten aus der Euro-Zone hätte ausschließen müssen, wäre eingefordert worden, was diese Parteien nun für Griechenland forderten.

Angesichts der Wortmeldung der Finanzministerin sei man verführt, den Äußerungen Treichls zuzustimmen, meinte B-Mandatar Ewald STADLER: Eine Ministerin, die so mit Steuergeldern umgehe, ist schließlich eine "Gefahr für das Land". Was Griechenland anbelange, mangle es an einem wirklichen Konzept, stellte Stadler fest. Auch das Solidaritätsargument, das G-Klubobfrau Glawischnig-Piesczek vorgebracht habe, könne man angesichts der Verschuldung des griechischen Staates von rund 260 % nicht gelten lassen. Den ÖsterreicherInnen gehe es bereits schlecht genug, sie müssten sich nicht aus Solidarität auf griechisches Niveau begeben. Was die ÖVP anbelange, habe sie als Wirtschaftspartei ausgedient und sei zur "Finanzpartei" geworden, die die Banken am "Gängelband" herumführten, schloss Stadler.

Finanzstaatssekretär Andreas SCHIEDER meinte, in der gegenständlichen Debatte, sei viel Richtiges, aber auch viel Falsches gesagt worden. Die Beschlüsse, die man auf europäischer Ebene gefasst habe, halte er für gut, auch wenn sie nicht leicht gefallen wären. Das Geld, das Griechenland nunmehr erhalte, werde außerdem nicht "leichtfertig verschenkt", versicherte er. Das Risiko, das Österreich für die Hypo auf sich genommen habe, sei ein wesentlich größeres als jenes für Irland, Portugal und Griechenland zusammen.

Vom Euro und der EU-Mitgliedschaft habe Österreich profitiert, konstatierte Schieder, die Inflationsrate zu Schillingzeiten wäre schließlich weitaus höher gewesen als jene des vergangenen Euro-Jahrzehnts.

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) argumentierte, die Krise Griechenlands sei infolge einer Milliardenspekulation gegen den Euro entstanden. Nun werde in einer nächsten Spekulationswelle bereits auf den Zahlungsausfall Griechenlands gewettet. Jene, die in den europäischen Parlamenten die Einstellung der Hilfe für Griechenland fordern, handelten als fünfte Kolonne dieser Spekulanten, denn die Einstellung der Griechenland-Hilfe, wie sie von FPÖ und BZÖ verlangt werde, verhelfe diese Spekulanten zum Erfolg ihrer Wetten. Die SPÖ sei dafür nicht zu haben. Europa stehe vor der Aufgabe, eine Art "Marshall-Plan" für Griechenland zu beschließen, denn nur mit neuem Wirtschaftswachstum werde es seine Schulden zurückzahlen können. 

Abgeordneter Reinhold LOPATKA (V) meinte, die tatsächliche "Euro-Lüge" bestehe im Negieren der Erfolgsgeschichte des Projekts der gemeinsamen Währung in den letzten 15 Jahre. Der Euro habe die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt und eine Senkung der Arbeitslosigkeit in Europa bewirkt. Die Antwort auf die Krise könne nicht lauten "weniger Europa", sondern aus der Krise zu lernen. Auch wir müssen unseren Staatshaushalt in Ordnung bringen. Griechenland dürfe man nicht abschreiben, sondern sei zu einer Sanierung bereit. Die EU müsse aber als Solidargemeinschaft eine Zeitlang helfend eingreifen. Für nachhaltiges Wachstum in Europa brauche man Reformen, man dürfe aber dabei nicht den Euro schlecht reden, schloss Lopatka. 

Abgeordneter Martin STRUTZ (F) warf den Verteidigern der EU vor, nur ihre eigenen Interessen zu vertreten, welche in gut bezahlten EU-Posten bestehen. Scharf wies er den Vergleich, den Finanzministerin Fekter zwischen Griechenland und dem Österreich der Siebzigerjahre gezogen hatte, zurück. Dieser Vergleich sei eine Beleidigung der fleißigen ÖsterreicherInnen, die stets ihre Steuern gezahlt haben, sagte Strutz. Die SPÖ sei nicht berechtigt, das Beispiel der Hypo Alpe-Adria anzuführen, denn tatsächlich hätten vor allem SPÖ Politiker "sich bereichert", sagte Strutz. Die FPÖ sei im Gegensatz dazu eine Partei, die die Interessen der österreichischen Bevölkerung vertrete, nicht der EU.  

Bundesministerin Maria FEKTER stellte gegenüber Abgeordnetem Strutz klar, ihr Vergleich habe sich auf den hohen Verstaatlichungsanteil und den teuren Beamtenapparat bezogen. In diesen Punkten sei er absolut gerechtfertigt gewesen.

Abgeordneter Alexander van der BELLEN (G) warf Abgeordnetem Bucher vor, mit seinen Forderungen "zurück in die Provinz" zu wollen. Seine Argumentation entspreche dem Programm rechtsradikaler Parteien in Europa und sei einfach nur peinlich. Europa habe in Wirklichkeit keine Wirtschaftsregierung, wie man sie im Grunde brauchen würde, denn bisher habe die Antwort auf die Wirtschaftskrise nur in einem ständigen Improvisieren bestanden. Die richtige Antwort könne daher nur lauten "mehr Europa", nicht die Rückkehr zur Kleinstaaterei.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) warf seinem Vorredner vor, zu jenen zu gehören, die keinerlei Kritik am Euro zulassen wollten. Wenn man im Falle Griechenlands einen Brand zu löschen habe, der von Spekulanten verursacht wurde, wie Abgeordneter Matznetter es dargestellt habe, so werfe das die Frage auf, warum man dann die Brandstifter nicht zur Verantwortung ziehe. Diese angebliche Sanierung sei kein gutes Geschäft, wie die Finanzministerin behaupte, sondern bedeute die Haftung der österreichischen SteuerzahlerInnen. Die Lösung könne nur in einem "Europa der zwei Geschwindigkeiten" bestehen, das den Krisenländern den Aufbau ihrer Wirtschaft ermögliche, forderte Scheibner. (Schluss Europastunde)