Parlamentskorrespondenz Nr. 672 vom 30.06.2011

Aktuelle Stunde im Bundesrat zum Thema Kinderbetreuung

Gefragt sind gute Betreuungsangebote und Wahlfreiheit der Eltern

Wien (PK) – Der Bundesrat leitete seine heutige 798. Sitzung mit einer Aktuellen Stunde zum Thema "Kinderbetreuung in Österreich: aktuelle Situation und weiterer Ausbau" ein.

Bundesrätin Bettina RAUSCH (V/N) leitete die Debatte mit der Feststellung ein, es sei eine politische Aufgabe, den Menschen Mut zu machen, Kinder zu bekommen und sie darin zu unterstützen, die Betreuung der Kinder nach eigenen Vorstellungen zu organisieren. Das Ja zum Kind soll leichter werden, das Betreuungsangebot an die Eltern besser und die Chancen der Kinder auf ein erfülltes Leben größer werden, sagte Rausch. Dafür brauche es Geldzuwendungen an die Familien. Hier liege Österreich bereits gut. Zudem soll das Angebot an Kinderbetreuung ausgebaut und ein kinderfreundliches Klima in der Gesellschaft gefördert werden. In allen diesen Bereichen sei in den letzten Jahren Fortschritte erzielt worden, stellte die Bundesrätin fest. So haben die verschiedenen Varianten beim Kinderbetreuungsgeld die Wahlfreiheit der Familien erhöht und die Beteiligung der Väter an der Kindererziehung verstärkt.

Der Bund stellt den für die Kinderbetreuung zuständigen Ländern zusätzlich Geld zur Verfügung, lobte die Bundesrätin, ortete aber noch Nachholbedarf beim Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren. Es sei wichtig die Kinder schon im Kindergarten auf die Schule vorzubereiten, Selbstkompetenz, soziale Kompetenz, Sachkompetenz und Sprachkompetenz zu stärken. Die Unterstützung der Länder durch den Bund beim Ausbau der Kinderbetreuungsangebote sei für sie ein Musterbeispiel für gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, sagte Rausch und sprach sich dafür aus auch die Nachmittagsbetreuung für Schulkinder auf hohem Niveau auszubauen.

Bundesrätin Inge POSCH-GRUSKA (S/B) sprach von einer beispielhaften Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden beim Ausbau der  Kinderbetreuungseinrichtungen und wies darauf hin, dass die Gemeinden finanziell beim Ausbau der Kinderbetreuung stark gefordert sind. Die Rednerin verwahrte sich dagegen, von "Rabenmüttern" zu sprechen, wenn Frauen ihre Kinder in Kindergärten geben. Tatsächlich seien die Kindergärten Bildungseinrichtungen, in denen die Kinder wichtige Kompetenzen vermittelt bekommen. Eine Lanze brach die Rednerin für den schon seit vielen Jahren geforderten "Papamonat". Damit könne man jungen Familien in der Zeit unmittelbar nach der Geburt eines Kindes helfen. Jeder weiß, wie schwierig es für junge Väter, Mütter und Geschwister sein kann, ihr Leben nach der Ankunft eines neuen Familienmitgliedes neu zu organisieren. Im öffentlichen Bereich gebe es den Papamonat seit Anfang des Jahres, jetzt gehe es darum, diesen familienpolitischen Fortschritt auch in der Privatwirtschaft umzusetzen, sagte die Bundesrätin, die sich generell für mehr Familienfreundlichkeit in der Wirtschaft stark machte. Auch Posch-Gruska strich die Bedeutung der Anschlussfinanzierung des Bundes für den Ausbau der Kinderbetreuung hervor, zeigte sich stolz auf die Spitzenposition des Burgenlandes bei der Kinderbetreuung und warnte im Interesse der Alleinerzieherinnen davor, die Geschäfte am Sonntag zu öffnen.

Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) betonte das Eintreten ihrer Fraktion für die Wahlfreiheit der Familien bei der Entscheidung über die Betreuung ihrer Kinder und hielt es für unverständlich, dass Frauen, die bei ihren Kindern zu Hause bleiben wollen, immer wieder hören müssen, sie wollten zurück an den Herd. In diesem Zusammenhang zitierte die Rednerin aus Umfragen, die zeigen, dass die meisten jungen Menschen die Familie als den optimalen Ort ansehen, wo Kinder betreut und erzogen werden sollen. Einer aktuellen Studie aus den USA sei überdies zu entnehmen, dass sich Kinder in Kindergrippen emotional oft nicht optimal entwickeln. Entwicklungspsychologen weisen nach, dass kleine Kinder im ersten Lebensjahr kontinuierlichen Kontakt zu einer Betreuungsperson brauchen. Dafür seien in den Kindergrippen die von einer Person zu betreuenden Gruppen meistens zu groß, kritisierte Monika Mühlwerth. Die FPÖ sagt nicht "Frauen zurück an den Herd, sie tritt auch nicht gegen außerhäusliche Kinderbetreuungsangebote auf, weil sie weiß, dass diese unverzichtbar sind, sie unterstreicht aber die Wahlfreiheit der Familien bei der Betreuung ihrer Kinder und will auch jene unterstützen, die teilweise oder ganz zu Hause bleiben wollen, um ihrer Kinder zu erziehen. Für wichtig hielt Monika Mühlwerth auch den Ausbau des Tagesmüttersystems.

Bundesminister Reinhold MITTERLEHNER zeigte sich überrascht, dass die Diskussion über Kinderbetreuungseinrichtungen so stark ideologisch geführt werde und warnte davor, Statistiken und Umfragen allzu monokausal zu interpretieren. Im Mittelpunkt der Diskussion sollte das Wohl der Kinder stehen, sagte der Minister. Außerdem gelte es die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Der Aussage, Kinderkrippen seien schlecht für Kleinkinder, hielt Mitterlehner Untersuchungen entgegen, die nachweisen, dass Kinder, die in Kindergrippen betreut werden, später sehr gute Chancen haben, ihren weiteren Bildungsweg erfolgreich zu gehen. Die Verantwortung für das Erreichen der Barcelonaziele bei der Kinderbetreuung liege bei den Ländern, der Bund lehne sich aber nicht zurück, sondern unterstütze die Länder tatkräftig. So konnte die Zielsetzung beim Ausbau des Betreuungsangebots für die Drei- bis Sechsjährigen übertroffen werden. Bei den unter Dreijährigen wurde die Situation verbessert, es bestehe aber noch Aufholbedarf.

Die Dynamik beim Ausbau der Kinderbetreuung müsse weitergehen, sagte der Minister und bekannte sich auch dazu, das Tagesmütterangebot auszubauen und qualitativ weiter zu verbessern. Der Bund wird in den nächsten beiden Jahren auch 140 Mio. € zum Gratiskindergartenjahr beitragen, das wichtig sei, um die Sprachkompetenz der Kinder zu verbessern. Der Minister kündigte die Vorlage von Evaluierungsberichte zum Thema Kinderbetreuung und Gratiskindergartenjahr an.

Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) setzte sich mit den Aussagen der Bundesrätin Mühlwerth auseinander und warnte Frauen davor, zu Hause zu bleiben, weil dies in Falle einer Scheidung zu großen finanziellen Problemen führen könne. Es erschwere auch den Wiedereinstieg in den Beruf, wenn die Mütter zu lange bei ihren Kindern bleiben. Außerdem sprechen pädagogische Gründe dagegen, Kinder zu lange zu Hause zu behalten. Die Kinder sollten schon vor der Schule soziale Kompetenzen erlernen und auch jene Sachkompetenz gewinnen, die ihnen nur im Kindergrate vermittelt werden könne. Elisabeth Kerschbaum registrierte Fortschritte bei der Aufwertung des Berufs der Kindergartenpädagogen drängte aber auf weitere Verbesserungen der Entlohnung, insbesondere auch für Tagesmütter, bei sie überdies eine bessere sozialrechtliche Absicherung für dringend erforderlich hielt.

Bundesrat Magnus BRUNNER (V/V) beteiligte sich als Vater von Zwillingen in der Rolle des "Praktikers" an der Debatte und wies die Aussage zurück, kleine Kinder würden sich in Kindergrippen nicht gut entwickeln. Um die Wahlfreiheit der Familien bei der Kinderbetreuung zu verbessern, sei es notwendig das Tempo beim Ausbau der Kinderbetreuungsangebote zu erhöhen. Die ÖVP setze im Bemühen um eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf die finanzielle Unterstützung der Familien, auf bessere Rahmenbedingungen durch Kinderbetreuungsangebote für die Familien und auf eine familienfreundliche Wirtschaft.

Bundesrätin Anna BLATNIK (S/K) ging von der Feststellung aus, dass jede Investition für Kinder eine Investition in die Zukunft ist. Wenn man heute über das Leben in den Familien spreche, müsse man beachten, dass die Zeit der Großfamilie vorbei sei und die Zahl alleinerziehender Mütter und Väter zunehme. Auch die SPÖ sage ja zur Wahlfreiheit. Wahlfreiheit könne aber nicht bedeuten, dass nur jene wählen können, die es sich leisten können. Tatsächlich seien 90 % der Alleinerzieher Frauen und weit überdurchschnittlich von Armut gefährdet. Daher kritisierte Anna Blatnik ihr Bundesland Kärnten, das Mittel für die Kinderbetreuung gestrichen habe.

Bundessrat Gerd KRUSCHE (F/St) wies "linke Reflexe" gegen eine Politik zurück, die dafür sorgen möchte, dass kleine Kinder optimal in ihren Familien betreut und erzogen werden können. Die Wahlfreiheit soll nicht nur für Reiche gelten, sagte der Bundesrat und verlangte daher steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Verbesserungen für Menschen, die Kinder erziehen. Verbesserungsbedürftig sei aber auch die Qualität der öffentlichen Betreuungseinrichtungen und die Information junger Familien über diese Angebote, sagte der Bundesrat.

Bundesminister Reinhold MITTERLEHNER stellte klar, dass niemand daran denke, die gesetzlichen Bestimmungen über den Handel am Sonntag zu ändern. Beim Thema Wahlfreiheit in der Kindererziehung bekannte sich Mitterlehner dazu, dafür zu sorgen, dass diese Wahlfreiheit unabhängig von der finanziellen Situation der Betroffenen in Anspruch genommen werden könne. Leider sei der Familienlastenausgleichsfonds aber überschuldet und müsse saniert werden. Bei der Anrechenbarkeit der Kindererziehungszeiten auf die Pension seien bereits Fortschritte erzielt worden, sagte der Minister, der sich auch dafür aussprach, bei der Verbesserung der Qualität in der Kinderbetreuung bundeseinheitlich vorzugehen. (Schluss)


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