Parlamentskorrespondenz Nr. 716 vom 08.07.2011

Debatte über Zugangsbegrenzungen an Unis und Studiengebühren

FPÖ will Herkunftslandprinzip für Erstinskribenten

Wien (PK) – In der heutigen Plenarsitzung des Nationalrats kam es auch zur einer kurzen Debatte über die Lage der österreichischen Hochschulen. Ausgangspunkt dafür war das Verlangen der FPÖ, dem Wissenschaftsausschuss zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 1596/A(E) betreffend "Herkunftslandprinzip" eine Frist bis zum 21. September 2011 zu setzen. Darin wird ein Gesetz zum Schutz des österreichischen Hochschulsektors verlangt, durch das umgehend, längstens aber vor dem Wintersemester 2011/12 das "Herkunftslandprinzip" für Erstinskribenten verankert wird.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) nannte die Universitäten eine der "Hauptbaustellen" Österreichs. Symptomatisch sei, dass die bisherige Studiengebührenregelung vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig gekippt wurde. Die Freiheitlichen sind der Auffassung, dass Studiengebühren nur als letztes Mittel nach grundlegenden Veränderungen des Universitätssystems gerechtfertigt wären. Aufgrund verschiedener Maßnahmen, wie der Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland, sei in nächster Zeit ein verstärkter Zuzug von Studierenden zu erwarten. Es sei nicht hinzunehmen, wenn dies die freie Studienwahl von österreichischen Studierenden beeinträchtigen würde. Eine Lösung würde daher die Implementierung des Herkunftslandprinzip bieten.

Für die Durchsetzung dieses Prinzips müsse die Regierung aber zu einem konsequenten Auftreten gegenüber der "europäischen Zentralbürokratie" bereit sein. Es gebe auch Signale, dass andere europäische Länder durchaus Verständnis für diese Maßnahme hätten. Sogar von Seiten des Europäischen Gerichtshofs und der Europäischen Kommission äußere man Verständnis für Staaten, welche eine unverhältnismäßig große Anzahl ausländischer Studierender ausbilden müssen. Trotzdem gebe es in Österreich nur Überlegungen über Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren. Die Freiheitlichen sprächen sich dagegen aus, sagte Rosenkranz, jeder Maturant und jede Maturantin in Österreich sollte studieren können, was er bzw. sie wolle.

Abgeordnete Andrea KUNTZL (S) bekannte sich eingangs ihrer Rede zum freien Hochschulzugang, aber genauso zur Internationalität der Hochschulen. Den Antrag habe man bereits im Ausschuss diskutiert, sie stehe nach wie vor dazu, dass man mit ihm gegen EU-Recht verstoßen würde. Ihre Fraktion werde ihm daher nicht zustimmen. Der Antrag fordere die Bundesregierung zu einem wissentlichen Rechtsbruch auf. Es müsse vielmehr auf europäischer Ebene nach einer Lösung gesucht werde. Es müssten Änderungen im Primärrecht der EU ausverhandelt werden, welche die Grundlage für eine österreichische Regelung bilden könnten. Denkbar seien für sie auch Verhandlungen über Ausgleichszahlungen, hier könnte Österreich durchaus Verbündete finden. Vom neuen Wissenschaftsminister erwarte sie sich, dass er hier aktiver sei als seine VorgängerInnen.

Auch Abgeordnete Anna FRANZ (V) sprach sich gegen den Fristsetzungsantrag aus und meinte, das Herkunftslandprinzip sei EU-rechtswidrig und der Antrag der FPÖ deshalb nicht zielführend. Eine Vereinbarung über Ausgleichszahlungen sei nicht so schnell zu erwarten, daher müsse man andere Wege beschreiten, um die Probleme der Universitäten Österreichs zu lösen. Zum Erkenntnis des VfGH hielt sie fest, dieser stelle Studiengebühren an sich nicht in Frage, habe aber festgestellt, die Gesetzesbestimmungen dazu seien zu ungenau formuliert. Nun gebe es Handlungsbedarf, sagte Franz und forderte einen "nationalen Schulterschluss" zugunsten der Universitäten. Die Themen Hochschulzugang und Studienbeiträge dürften dabei keine Tabus sein. Beiträge müssten selbstverständlich mit einem treffsicheren Studienbeihilfesystem kombiniert werden, die ÖVP wolle keine finanziellen Hürden für Studierende. Es sei auch festzustellen, dass der vierzig Jahre lang bestehende freie Hochschulzugang die soziale Durchmischung der Universitäten nicht gefördert habe, meinte Abgeordnete Franz.

Abgeordneter Martin GRAF (F) kritisierte, dass die ÖVP in allen Debatten über Wissenschaftspolitik als einzige Punkte immer nur die Forderungen nach Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen erhebe. Das sei ihm persönlich zu wenig, denn es gebe viele andere Themen, die für die Zukunft der Universitäten wichtiger seien. Es gebe auch in der ÖVP Stimmen, welche sich für das Herkunftslandprinzip als Lösung des bestehenden Problems aussprechen. Das Herkunftslandprinzip könne verhindern, dass in Österreich auch Leute studieren dürfen, die nach den Bestimmungen ihres eigenen Herkunftslandes nicht studieren könnten. Hierzu brauche man eine grundsätzliche Regelung. Der Fristsetzungsantrag solle dazu dienen, Druck auf den Wissenschaftsminister und die Regierung auszuüben, in dieser Frage aktiv zu werden. Die Freiheitlichen hätten deshalb eine namentliche Abstimmung verlangt, damit klar werde, wer im Parlament bereit sei, diese Forderung zu unterstützen.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) meinte, der Antrag der Freiheitlichen sei zu eng gefasst. Eine Zahl von 60.000 ausländischen Studierenden an österreichischen Unis sei jetzt bereits zu hoch, das Herkunftslandprinzip löse hier nichts. Der Fehler sei die nicht durchdachte Abschaffung der Studiengebühren gewesen. Im derzeitigen System würden dadurch die sozial schlechter Gestellten den Kindern der höheren Einkommensschichten das Studium finanzieren. DAS BZÖ stehe auf dem Standpunkt, dass Studiengebühren von 500 € pro Semester in Verbindung mit einen sozial gerechten Stipendiensystem machbar wären. Seine Fraktion fordere zudem eine  Einschreibgebühr, welche die österreichischen Studierenden über einen Uni-Bonus wieder zurückerhalten würden. Derzeit herrsche aber in Hochschulfragen eine Politik des Chaos, man lasse die StudentInnen im Stich, kritisierte Widmann.

Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD (G) äußerte Verständnis für das Anliegen der Freiheitlichen, doch sei das Herkunftslandprinzip schon 2005 von der EU als rechtswidrig erkannt worden. Das Wissenschaftsressort habe seitdem aber keine Maßnahmen ergriffen, um andere Lösungen zu finden. So sei auch die Quotenregelung Österreich nur befristet bis ins nächste Jahr zugestanden worden. Trotzdem sei von Seiten des Ministeriums noch immer nichts in dieser Frage geschehen. Die Aufhebung eines Gesetzes über Studiengebühren durch den VfGH betreffe jene ältere Regelung, in der man sich für den Studienerfolg noch auf "Studienabschnitte" bezogen hatte. Diese seien ja in der neuen Studienordnung nicht mehr gegeben. Grünewald widersprach zudem der Darstellung, es habe sich an der sozialen Zusammensetzung der Studierenden nichts geändert. Es gebe jetzt einen weit höheren Frauenanteil an den Universitäten. Der sinkende Anteil von Arbeiterkindern entspreche dem allgemeinen Rückgang des Anteils der Arbeiterschaft in der Bevölkerung. Das von ÖVP und BZÖ geforderte System von Studiengebühren mit einer Abfederung durch Studienbeihilfen käme außerdem noch teurer als das derzeitige System, argumentierte Grünewald.

In der von den Freiheitlichen geforderten namentlichen Abstimmung wurde der Fristsetzungsantrag mit 112 Neinstimmen bei 43 Jastimmen abgelehnt.

(Schluss Kurzdebatte(Fortsetzung NationalratI