Parlamentskorrespondenz Nr. 763 vom 01.08.2011

Das Außenministerium: Weltweit für Österreich aktiv

Außenpolitischer Bericht 2010 liegt vor

Wien (PK) – "Zum ersten Mal heißt dieser Bericht Außen- und Europapolitischer Bericht. Der neue Name ist der großen Bedeutung der Europapolitik in seiner internen wie auch externen Dimension für die österreichische Außenpolitik geschuldet", erklärt Bundesminister Michael Spindelegger in seinem Vorwort zum "Außenpolitischen Bericht 2010", der dieser Tage dem Hohen Haus zugeleitet wurde (III-250 d.B.).

Die europäische Integration

Der europäische Integrationsprozess bleibe, so heißt es weiter, der effektivste Weg, in Europa Frieden, Stabilität und Sicherheit zu garantieren, denn nur gemeinsam könnten die Herausforderungen unserer Zeit gemeistert werden. Der 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon und der dadurch neu geschaffene Europäische Auswärtige Dienst (EAD) sollen helfen, dieser Aufgabe effektiver und kohärenter gerecht zu werden. Der EAD sei für Österreich ein wichtiger Ansprechpartner gerade in jenen Ländern, in denen Österreich über keine oder nur eine kleine eigene diplomatische Vertretung verfüge. Gerade dort profitiere Österreich von einem verstärkten Informationsfluss mit den Delegationen der Union.

Die Gründung des EAD heiße aber auch einerseits, dass die europäische Dimension in der österreichischen Außenpolitik noch stärker an Gewicht gewinnen werde. Andererseits bedeute sie, "dass die österreichische Diplomatie noch stärker gefordert ist, um genuine österreichische Interessen, die Marke "Österreich" im europäischen und internationalen Entscheidungsprozess und Wettbewerb zu vertreten."

Aber Europa müsse auch ankommen zu Hause, meint der Außenminister. Man müsse es sehen und spüren im direkten Kontakt: "Ich habe daher meine "EU-Dialogtour" durch die Bundesländer fortgesetzt und bin mit vielen Österreicherinnen und Österreichern über ihre Sorgen und Anliegen betreffend die EU ins direkte persönliche Gespräch gekommen. Um den Mitbürgerinnen und Mitbürgern in den Gemeinden Österreichs die Möglichkeit zu geben, die EU betreffende Fragen direkt an einen vertrauten Ansprechpartner in ihrer eigenen Gemeinde zu stellen, habe ich die Gemeinderäte-Initiative ins Leben gerufen, durch die in jeder Gemeinde eine Gemeinderätin oder ein Gemeinderat als Anlaufstelle für EU-Fragen der Bevölkerung fungieren wird. Ich freue mich, dass diese Initiative von Anfang an auf ein sehr positives Echo gestoßen und mittlerweile mit Leben erfüllt worden ist."

Gute Nachbarschaft

Österreich legt einen besonderen Schwerpunkt seiner Außenpolitik auf die Nachbarschaftspolitik. So habe man gemeinsam mit Griechenland eine Initiative für neue Impulse am Westbalkan gestartet, um den Staaten der Region zu helfen, sich der EU anzunähern. Dies mit dem Ziel, dass alle diese Staaten bis zum Jahr 2020 Mitglieder der EU werden. Federführend war Österreich auch bei der Entwicklung der Donauraumstrategie, die mittlerweile ein Kernprojekt der EU geworden ist und durch einen ganzheitlichen Ansatz, der verschiedene Bereiche wie Transport- und Umweltfragen, Mobilität und Wirtschaftsentwicklung untereinander verknüpft, neue Synergien aufzeigt: "Österreich kann sich hier beispielsweise durch sein Know-how bei der effizienteren Nutzung der Donau als Transportader unter Berücksichtigung höchster Umweltstandards einbringen." Auch in der Schwarzmeerregion setzte Österreich Impulse, so beispielsweise durch ein eigens dieser Region gewidmetes Treffen des Weltwirtschaftsforums in Wien.

Österreich im UN-Sicherheitsrat

"Was die Menschen wollen, egal ob in Österreich oder in Tunis oder Kairo, ist mehr Teilhabe, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Die bahnbrechenden Entwicklungen im Nahen Osten und in Nordafrika in den vergangenen Wochen und Monaten zeigen die Aktualität der Schwerpunkte, die Österreich in seiner Außenpolitik seit vielen Jahren verfolgt", so Spindelegger. Dazu gehörten "vor allem die Stärkung der Herrschaft des Rechts, der Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten und die Rolle von Frauen in der Bewältigung von Konflikten und im Wiederaufbau". Und genau diese Themen waren auch die großen Schwerpunkte, die Österreich während seiner Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat in den letzten beiden Jahren gesetzt habe. Diese Arbeit habe sich bezahlt gemacht: "Denn viele der in den letzten beiden Jahren im Sicherheitsrat verabschiedeten Resolutionen tragen eine deutliche österreichische Handschrift. Sie versuchen den Schutz der Zivilbevölkerung in Konflikten sicherzustellen und Straflosigkeit zu bekämpfen."

Amtssitz Wien – Drehscheibe für Frieden und Sicherheit

Ein weiteres wesentliches Anliegen konnte Österreichs Außenpolitik ebenfalls in den letzten zwei Jahren umsetzen: Österreich war schon zu Zeiten des Kalten Krieges auf Grund seiner geopolitischen Stellung und der Neutralität eine Plattform für internationalen Dialog. Eine Ausgangsposition, die mit der Eröffnung der UNO-City 1979 gestärkt werden konnte und im Rahmen der Mitgliedschaft Österreichs im Sicherheitsrat noch einmal ausgebaut werden sollte. So hat es etwa Friedensgespräche zur Westsahara in Dürnstein im Sommer 2009 oder zum Sudan in Baden und Wien im November 2010 gegeben. Nicht zuletzt dank dem Renommee als engagiertes Land in der Abrüstungsdebatte hat Österreich nun auch einige wichtige Institutionen im Bereich der Abrüstung und Nichtverbreitung von Nuklearwaffen in Wien ansiedeln können, ein UNO-Büro für Abrüstungsfragen und das Wiener Zentrum für Abrüstung und Non-Proliferation, eine Plattform vor allem für zivilgesellschaftliches Engagement. Wichtig sei auch die Internationale Antikorruptionsakademie, die weltweit erste ihrer Art, die einen wesentlichen Beitrag zu mehr Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und besserer Regierungsführung leisten werde.

Österreichs Mitgliedschaft im UNO-Menschenrechtsrat

Im Sinne des aktiven Engagements Österreichs in den Vereinten Nationen und des konsequenten Eintretens für die Menschenrechte hat sich Österreich für einen Sitz im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen beworben. Am 20. Mai 2011 wurde Österreich mit großer Mehrheit von der Generalversammlung der UNO gewählt. Dies könne als großer Vertrauensbeweis und Anerkennung für Österreichs bisherige Arbeit in der internationalen Gemeinschaft gewertet werden.

Man wolle die Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat dazu nützen, in einigen Schwerpunkthemen konkrete Fortschritte zu erzielen. Diese seien der Schutz der Religionsfreiheit und religiöser Minderheiten, die Förderung der Medienfreiheit und Schutz von Journalistinnen und Journalisten sowie die Förderung der Rechte von Kindern und Schutz vor Gewalt und Ausbeutung. Zu den traditionellen österreichischen Resolutionsinitiativen, wie Minderheiten und Binnenvertriebene, werde man auch die Prioritäten aus dem Sicherheitsrat, insbesondere im Bereich des Schutzes der Zivilbevölkerung und Stärkung der Frauenrechte in geeigneter Form im Menschenrechtsrat fortsetzen, heißt es in dem Bericht. Von großer Bedeutung sei weiterhin als Leitmotiv die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, die sich als roter Faden durch das langjährige Engagement ziehe.

Kandidatur für den UNESCO-Exekutivrat, Dialog der Kulturen

Österreich will 2011–2014 auch im Exekutivrat der UNESCO Verantwortung übernehmen. Österreich gehörte bislang zwei Mal (1972–1976 und 1995–1999) dem Exekutivrat, dem wichtigsten Steuerungsgremium der Organisation, an. Gerade in Zeiten weltweit wachsender Spannungen zwischen religiösen Gruppen sei der Dialog mit und unter den Religionsgemeinschaften und zwischen den Kulturen unentbehrlich für Frieden und Sicherheit. Dies spiegle sich auch in Österreichs Kandidatur wider, die klare Schwerpunkte auf den interkulturellen sowie interreligiösen Dialog lege. Ganz im Sinne seiner langen Tradition als Ort des Dialogs war Österreich 2010 auch Gastgeber der dritten Konferenz europäischer Imame und SeelsorgerInnen und des ersten Young Arab-European Young Leaders Forum.

Österreichische Entwicklungszusammenarbeit

Entwicklungspolitik sei heute im wesentlichen Strukturpolitik genauso wie Außenpolitik im wesentlichen "Weltinnenpolitik" sei. Globale Politikfelder dürften nicht isoliert betrachtet werden, sondern seien vielmehr eng miteinander vernetzt, wie Menschenrechte, Ressourcen, Handel und Umwelt, Klimawandel, Migration und Sicherheit, Zugang zu Wissen und Kommunikation und deren Technologien. Sie beeinflussten sowohl die konventionelle "Entwicklungspolitik" als auch Außenpolitik als solche.

Es sei daher klar, Entwicklungszusammenarbeit alleine reiche nicht. Es bedürfe neuer Ansätze für neue Wachstums- und Entwicklungschancen der am wenigsten entwickelten Länder. Der Frage der guten Regierungsführung, der Transparenz und der Bekämpfung der Korruption weltweit komme hier eine tragende Rolle zu. Österreich könne und müsse sich dort einbringen, wo es einen Mehrwert leisten könne. Man habe, heißt es im Bericht, zum Beispiel ausgewiesene Expertise im Bereich Wasser, Umwelt und nachhaltiger Energie, wie auch zu naturnaher Landwirtschaft, die man auch künftig zum Wohl aller zum Einsatz bringen wolle.

"Weltweit für Sie da" – Konsularische Arbeit

Österreicherinnen und Österreicher werden immer mobiler. Etwa 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher reisen zumindest einmal im Jahr ins Ausland. Der Konsularbetrieb des Außenministeriums sei daher eindeutig "eine Wachstumsbranche". Von Jahr zu Jahr verzeichne das Ministerium Steigerungsraten von rund 10 Prozent. 2010 hatte das Außenministerium über 300.000 Konsularfälle. Das heißt nicht weniger als 1500 Fälle pro Arbeitstag. – Und dabei sei 2010 ein vergleichsweise "normales" Jahr gewesen.

Das Außenministerium habe seinen konsularischen Einsatz in vielfacher Hinsicht verstärkt. Man habe zehntausende Anfragen allein im Zusammenhang mit den beiden großen Krisenregionen in Nordafrika, dem Nahen Osten und Japan beantwortet, rund um die Uhr und zusätzlich zum Normalbetrieb. Man habe eigene "Krisenunterstützungsteams" nach Tunesien, dann nach Ägypten, zuletzt nach Libyen entsandt, an denen auch das Innen- und das Verteidigungsministerium beteiligt waren.

Auslandskulturpolitik

Die Auslandskulturpolitik ist ein integraler Bestandteil des Außenministeriums und ein zentrales Instrumentarium, das Österreich über seine Botschaften, Kulturforen und Konsulate weltweit mit Erfolg einsetzt. Mit ca. 5400 Veranstaltungen in nahezu 110 Ländern und 800 Städten, die über 7,7 Millionen Besucherinnen und Besucher weltweit verzeichnet haben, trägt die Auslandskultur maßgeblich zur Positionierung und zum Bild Österreichs im Ausland bei. Das Netzwerk der Auslandskulturarbeit des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten umfasst derzeit 30 Kulturforen, 82 Botschaften, 11 Generalkonsulate, 60 Österreich-Bibliotheken, 9 Österreich Institute sowie Spezialbüros in Lemberg, Sarajewo und Washington DC. Die Österreich-Bibliotheken haben 2010 neben ca. 143.000 Bibliotheksbesucherinnen und Bibliotheksbesuchern 260.000 Besucherinnen und Besucher bei knapp 800 Veranstaltungen verzeichnet.

Verantwortung übernehmen

Österreich tue aber weit mehr als all das. Man verstehe sich nicht nur als Servicestelle für das Land und die Österreicherinnen und Österreicher in der Welt. Man sei bereit, auch für andere Verantwortung zu übernehmen: 50 Jahre Beteiligung Österreichs an UNO-Friedenseinsätzen mit weltweit rund 90.000 Österreichern und Österreicherinnen im Einsatz zeigten, man scheue diese Verantwortung nicht. Österreich wolle die internationale Politik mitgestalten – und die zweijährige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat habe bewiesen, dass Österreich das auch könne.

Breites Berichtsspektrum

Wie traditionell üblich werden im Bericht sodann einzelne Themen wie die Menschenrechtslage, Wirtschaftspolitik, Abrüstungsfragen sowie nachhaltige Umweltgestaltung in den Fokus genommen, ehe sich eigene Abschnitte mit der Öffentlichkeitsarbeit und dem österreichischen auswärtigen Dienst befassen. Neun ausgewählte Dokumente beinhalten Reden von Bundespräsident Heinz Fischer und Außenminister Michael Spindelegger vor wichtigen Foren und zu bedeutsamen Fragen. Der Anhang bietet die traditionell detaillierten Länderinformationen sowie statistisches Material zum Diplomatischen Korps in Österreich, zur Diplomatischen Akademie und zu den österreichischen Mitgliedern in außenpolitischen Gremien. Daten zu "Österreich im internationalen Vergleich" runden den 523 Seiten umfassenden Bericht ab. (Schluss)