Parlamentskorrespondenz Nr. 768 vom 08.08.2011

"Gender Pay Gap" ist in Österreich nach wie vor ein Problem

Bundesregierung informiert über Situation von Frauen am Arbeitsmarkt

Wien (PK) – Die ökonomische und strukturelle Lage von Männern und Frauen gestaltet sich in Österreich nach wie vor sehr unterschiedlich. Dieses Missverhältnis in zahlreichen gesellschaftlichen Bereichen behindere jedoch die Erreichung wichtiger Zielsetzungen, deren Erfüllung von grundsätzlicher Bedeutung für die Erhaltung des europäischen Wohlstandes und die zukünftige soziale und wirtschaftliche Entwicklung sei, heißt es in einem Bericht von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek betreffend Abbau von Benachteiligungen von Frauen 2009-2010 (III-251 d.B.), der nun dem Parlament vorliegt.

Wie die statistischen Kennzahlen verdeutlichen, liegen die Brutto- und Nettoeinkommen, Arbeitslosengelder und Pensionen von Frauen deutlich unter den Vergleichswerten der Männer. Lediglich in den Bereichen Teilzeitarbeit und Kinderbetreuung verzeichnet man eine prozentuale Mehrbeteiligung.

Zunehmende Maßnahmendichte, kaum verbesserte relevante Kennzahlen

Was die Maßnahmen der Bundesregierung zur Reduktion der Benachteiligung von Frauen anbelangt, konnte im Analysezeitraum eine deutliche quantitative Steigerung (von 172 auf 213 externe ministerielle Maßnahmen) verzeichnet werden. Besonderes Augenmerk legte man dabei auf aktive Frauenförderung im arbeitsmarktpolitischen Kontext, mit der sich auch der gegenständliche Bericht schwerpunktmäßig auseinandersetzt.

Die getroffenen Maßnahmen konzentrierten sich vor allem auf Angebote der Beratung und Qualifizierung sowie der Öffentlichkeitsarbeit und richteten sich überwiegend an Mädchen, Arbeitnehmerinnen, Migrantinnen und ältere Frauen. Die dafür erforderliche finanzielle Ausstattung stammte größtenteils aus Eigenmitteln bzw. Ko-Finanzierung mit anderen Trägern (insbesondere aus sonstigen öffentlichen Mitteln), erläutert der Bericht.

Trotz dieser Maßnahmenvielfalt konnten in Hinblick auf die relevanten Kennzahlen (z.B. "Gender Pay Gap") keine nennenswerten Verbesserungen erzielt werden. Insbesondere für den Care Sektor (familienorientierte und unbezahlte Pflege- und Betreuungsarbeit) und zur Beendigung der horizontalen und vertikalen Segregation des Arbeitsmarktes bleibe weiterhin nach umfassenden und nachhaltigen Lösungen zu suchen. Als diesbezüglich vielversprechenden Schritt benennt der Bericht den "Nationalen Aktionsplan Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt" (NAP), den man in Teilbereichen bereits umsetze.

Ökonomische und soziale Gleichstellung: Die Ampel steht auf Rot

Um den Status der ausgemachten Problemfelder zu verdeutlichen, wählt der Bericht die Darstellungsform der Ampel. Während diese in Hinblick auf den Ausbau des kulturellen Kapitals und das Aufschließen in der Erwerbstätigkeit auf Grün steht, zeigt sie in Bezug auf die ökonomische und soziale Gleichstellung von Frauen, ihre demokratische Ermächtigung und das Aufbrechen von Geschlechterrollen in den Bereichen Bildung und Arbeitsmarkt Rot. Da die Bundesregierung aber gerade zur Stärkung der ökonomischen Situation von Frauen sehr viel tue, gelte es zu hinterfragen, wodurch die Wirksamkeit der diesbezüglichen Maßnahmen verhindert werde: Der seit rund 10 Jahren stagnierende, im EU-Vergleich an zweiter Stelle rangierende "Gender Pay Gap" Österreichs löse schließlich immer noch eine rote Ampel aus. Damit hinke die soziale Absicherung von Frauen dem längst erreichten Beschäftigungsziel hinterher.

Eine Maßnahmenlücke bestehe außerdem in Hinblick auf die notwendige Überwindung des "Care Paradox": Einerseits werde viel unternommen, um Frauen in Beschäftigung zu bringen, andererseits müsse aber die öffentliche Hand "liegen gebliebene" Aufgaben im Pflegebereich auffangen, da die von Frauen generierten Einkommen nicht ausreichten, um dem Markt die Bearbeitung des Pflegeproblems überlassen zu können, skizziert der Bericht. Außerdem gelte es auch der Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters für Frauen und der damit einhergehenden Verschiebung weiblicher Arbeitskraft auf den Regelarbeitsmarkt Augenmerk zu schenken: Durch diese Entwicklung werde nämlich die Krise im "Care Sektor" und die Doppelbelastung von Frauen zusätzlich verschärft, warnt der Bericht.

Einer weiteren Beobachtung seien außerdem die Problemfelder Vereinbarkeit von Erwerbs- und Pflegearbeit, "Gläserne Decke" und horizontale (geschlechterspezifische) Segregation des Arbeitsmarkts zu unterziehen: Diese "Points-to-Watch" werden im Bericht mit einer gelben Ampelphase ausgewiesen.

Vor diesem Hintergrund gelte es sich letztlich auch die Frage zu stellen, inwieweit die Investition in das Humankapital von Frauen sinnvoll ist, wenn vertikale und horizontale Segregation eine effiziente Ressourcenallokation und damit Wachstumsförderung verhinderten, heißt es im Bericht: Die geschlechtsbezogene Segmentierung der (berufsbezogenen) Bildung und des Arbeitsmarkts verändere sich schließlich nur zögerlich, obgleich das Bildungssystem Erfolge hinsichtlich der Beteiligung von Frauen zu verzeichnen habe. Der Bericht schlägt deshalb das Andenken einer geschlechtersensiblen Bildungsstrategie im Rahmen der noch ausstehenden Schulreform vor.

Folgekosten akuter häuslicher Gewalt: 78 Mio. € jährlich

In Zusammenhang mit dem Thema Benachteiligung kommt der Bericht nicht zuletzt auch auf die Präsenz geschlechtsbezogener, symbolischer Gewalt im familiären und partnerschaftlichen Umfeld zu sprechen: Diese könne als Ausdruck und Konsequenz einer hierarchischen Gesellschaftsordnung begriffen werden kann, die Frauen aufgrund ihres Geschlechts eine untergeordnete Rolle zuweist.

Angaben der Österreichischen Gewaltschutzzentren und der Informationsstelle Wien zufolge waren 2009 tatsächlich überwiegend Frauen von häuslicher Gewalt betroffen, die in 94 % der Fälle von Männern ausging. Laut Schätzungen des Instituts für Konfliktforschung aus dem Jahre 2006 belaufen sich die gesellschaftlichen Folgekosten akuter häuslicher Gewalt in Österreich auf 78 Mio. € pro Jahr.

Keine Gleichstellung von Männern und Frauen in Führungspositionen

Was die Kennzahlen zur Beschäftigung in Führungspositionen anbelange, lasse sich schlussfolgern, dass österreichische Frauen (bei einem (EU-)durchschnittlichen Anteil an der Gesamtbeschäftigung und vergleichsweise hohem weiblichem Bildungsüberhang im Post-Sekundarbereich) im Vergleich zu etlichen anderen EU-Staaten in höherem Maße Positionen mit Führungsverantwortung erreichten. Eine diesbezügliche Gleichstellung von Frauen und Männern sei dennoch weder im privaten noch im öffentlichen Sektor gegeben: 2010 belief sich der Anteil der weiblichen Führungskräfte in der Wirtschaft auf lediglich 30 %, womit man nicht nur unter dem Anteil der Männer, sondern letztlich auch unter dem EU-Durchschnitt lag, heißt es dazu im Bericht. (Schluss)