Parlamentskorrespondenz Nr. 1087 vom 18.11.2011

Abgeordnete diskutieren Agrarpolitik grundsätzlich und umfassend

Berlakovich: Österreich ist Weltmeister im Bio-Landbau

Wien (PK) – Das Themenspektrum bei der Plenarverhandlung über die Budgetansätze von Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich reichte von Fragen zur bevorstehenden Reform der Europäischen Agrarpolitik über Vorschläge für ein gerechtes Förderungssystem und Stellungnahmen zu den Themen Sicherheit und Qualität der Ernährung, Bio-Landbau, Bergbauern, Tierschutz, ländlicher Raum und Situation der BäuerInnen bis hin zu den Ursachen des Bienensterbens. Minister Berlakovich wies Kritik der Opposition zurück und sprach von einem Zukunftsbudget, mit dem eine nachhaltige, flächendeckende Landwirtschaft aufrecht erhalten werden könne. Sowohl die Umweltprogramme als auch die Bergbauernförderung seien ausfinanziert. Gespart werde in der Agrarverwaltung und investiert in den Bildungsbereich, führte der Landwirtschaftsminister aus und zeigte sich stolz auf das Lob der EU-Kommission für Österreich als Weltmeister in der biologischen Landwirtschaft.

Abgeordneter Josef A. RIEMER (F) sprach von einem EU-Diktat in der Landwirtschaft und stellte dem die Forderung nach Ernährungsautonomie entgegen. Bauern und Bäuerinnen seien Leistungsträger, sie sorgten für gesunde Ernährung und die Wahrung des Kulturraums. Die Betriebe müssten sich entwickeln können, sagte Riemer und kritisierte scharf die überbordende Bürokratie. Außerdem brachte er einen Entschließungsantrag betreffend Anbauverbot der Genkartoffel Fortuna ein. Um die bäuerlichen Strukturen aufrecht zu erhalten, seien neue Lösungen gefragt, sagte er und forderte neue Betriebswege. Ein Ausspielen von Tierschutz gegen Bauern dürfe nicht passieren. Es könne auch nicht sein, dass Landwirtschaftsbetriebe Tonnen von Lebensmitteln vernichten, nur damit andere Betriebe eine hohe Marge haben, meinte er.

Abgeordnete Anna HÖLLERER (V) wies auf die großen Herausforderungen im Hinblick auf die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik in der EU (GAP) hin. Bauern und Bäuerinnen seien flexibel und bereit zur Modernisierung, sie dürften aber nicht in ihrer Existenz gefährdet werden. Ein wichtiger Faktor in der Landwirtschaft seien die Frauen, weshalb diese besonderer Unterstützung bedürfen. Höllerer ging dann auf den landwirtschaftlichen Bildungsbereich ein und zeigte sich erfreut darüber, dass hier nicht gespart wird. Sie würdigte die ausgezeichnete Beratungstätigkeit und hob besonders die Erwachsenenbildung hervor, die eine wesentliche Hilfestellung für die Bäuerinnen bedeutet.

Harsche Kritik an den Kürzungen für die ländliche Entwicklung übte Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G), der auch eine ausreichende Förderung des Bio-Landbaus vermisste. Das Landwirtschaftsressort nehme die Schnittstelle Klimaschutz in der Landwirtschaft durch Bio-Betriebe nicht wahr, stellte er fest. Pirklhuber forderte vom Minister eine klare Unterstützung der Pläne der EU in Richtung Ökologisierung der Agrarpolitik und ein Bekenntnis zur Basisprämie. Er bemängelte ferner die seiner Meinung nach ungerechte Verteilung der Förderungen und warf dem Minister vor, eine viel zu hohe Obergrenze gefordert zu haben. Gegenüber seinen 800.000 € sei die EU-Kommission mit 300.000 € dem Minister weit voraus. Was die Diversität des Anbaus betrifft, so hielt er die Festlegung von höchstens 70% für eine Sorte für viel zu hoch angesetzt. Diese Grenze müsste auf 50% gesenkt werden. Pirklhuber hielt schließlich dem Minister auch vor, dass es bis heute kein Recht auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft gibt.

Abgeordneter Kurt GASSNER (S) bemängelte ebenso die Reduzierung der Mittel für die ländliche Entwicklung und befürchtete, dies werde zu Lasten der Regionen gehen. Er sah auch eine Ungleichbehandlung zwischen landwirtschaftlichen Schulen und anderen Schulen und kritisierte die Pauschalierungen bis zu einem Einheitswert von 100.000 € als ein Privileg. Abschließend forderte er eine Millionärssteuer.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH verteidigte sein Budget mit dem Hinweis, dass jedes Ressort seinen Beitrag zur Budgetsanierung leisten müsse, dennoch sei es ihm gelungen, ein Zukunftsbudget vorzulegen. Damit könne eine nachhaltige, flächendeckende Landwirtschaft aufrecht erhalten werden, sagte er. Es werde nicht in die bäuerlichen Einkommen eingegriffen und sowohl die Bergbauernförderung als auch die Umweltprogramme seien ausfinanziert. Man habe in der Agrarverwaltung gespart und in den Bildungsbereich investiert, hielt der Landwirtschaftsminister fest. Österreich werde von der Kommission für seine Agrarpolitik gelobt, da man Weltmeister in der biologischen Landwirtschaft sei. Bestehende Bio-Landbetriebe können ihren Anbau erweitern, erläuterte Berlakovich, bevor jedoch der neue Finanzrahmen für die EU nicht feststehe, habe es keinen Sinn, Neueinsteiger zuzulassen, zumal man keine Garantie abgeben könne, dass sie Gelder bekommen, und Bio-Betriebe brauchen eine Planungssicherheit von rund fünf Jahren. Abgeordnetem Pirklhuber gegenüber stellte der Minister fest, dass die Kommission das Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der Gentechnik in ihr Programm übernommen habe und der Ball nun bei der Kommission liege. Abschließend bekräftigte der Ressortchef, die österreichische Landwirtschaft hole jeden Euro aus Brüssel zurück, sein Ziel sei es, die kleinbäuerliche Struktur zu erhalten. Als wesentliches Element für die Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit nannte er die Pauschalierungen. Er wolle die Reform der GAP unterstützen, wenn sie ökologisch ist, er werde sich aber gegen ein Übermaß an Bürokratie wehren, so der Landwirtschaftsminister.

Abgeordneter Maximilian LINDER (F) unterstrich ebenfalls die Bedeutung der kleinstrukturierten Landwirtschaft, sie sei aber durch eine überbordende Bürokratie belastet, außerdem bestehe große Unsicherheit, was sie nach dem Jahr 2014 erwartet. Deshalb hätte er sich erwartet, dass das Budget Sicherheit für die kleinstrukturierte Landwirtschaft signalisiert. Die Kürzung bei der ländlichen Entwicklung bewirke aber das Gegenteil.

Abgeordneter Franz ESSL (V) argumentierte, man solle das Geld von der GAP für den Agrarsektor einsetzen, was die ländliche Entwicklung betrifft, so möge man sich überlegen, wie man dafür Mittel aus der Regionalpolitik lukrieren könne. Das Budget des Ressorts ist seiner Ansicht nach stabil und es sei wichtig, die Kofinanzierung sicherzustellen. Die Umweltmaßnahmen und die Bergbauernförderung seien weiter gesichert, bekräftigte er.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) betonte den Wert gesunder und regionaler Nahrungsmittel und meinte, dass die Leistung der Landwirtschaft darüber hinaus gehe und diese auch für die Pflege des Naturraums sorge. Sie bedauerte, dass die Projekte für die ländliche Entwicklung nun auf die lange Bank geschoben werden. Die Landwirtschaft hat große Verantwortung im Umgang mit Tieren, stellte Brunner fest und bezeichnete die Schweinehaltung als nicht gesetzeskonform, weil man noch immer den Kastenstand erlaube. Sie forderte daher den Minister auf, Mittel zur Verfügung zu stellen, um einen gesetzeskonformen und tiergerechten Zustand zu gewährleisten. 

Abgeordnete Gabriele BINDER-MAIER (S) nahm die Mittelverteilung ins Visier, da diese in ihren Augen unausgewogen und ungerecht erfolgt. Sie widmete sich dann dem Bienensterben und zitierte eine Studie, wonach Gentechnik und Pestizide als Ursache dafür festgemacht wurden. In diesem Sinne verlangte Binder-Maier strengere Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel.

Auch Abgeordneter Rupert DOPPLER (F) ortete große Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der Fördermittel. Er forderte, die überbordende Bürokratie für die bäuerlichen Betriebe zu reduzieren und die Pauschalierungen beizubehalten. Abschließend unterstrich er die Bedeutung der Arbeit der Bergbauern als Beitrag für mehr Schutz und Sicherheit vor Naturkatastrophen.

Abgeordneter Jakob AUER (V) bezeichnete den Vorwurf, Bauern seien Subventionsempfänger der Nation, als schmerzlich und falsch, denn diese Subventionen bewirkten ein hohes Investitionsvolumen, Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer, Impulse für die Wirtschaft und damit auch die Sicherung von Beschäftigung und Wirtschaftsaufträgen in der Region. Er verteidigte die Kontrolle als notwendiges Instrument und meinte, dass vor allem bei der Bio-Kontrolle Nachholbedarf bestehe. Auer hob die Leistung der Bäuerinnen und Bauern für die Landschaft hervor, sie prägten das Gesicht der Landschaft und schüfen damit Anreize für TouristInnen. Bäuerinnen und Bauern in Österreich wirtschaften laut Auer im europäischen Vergleich mehr als nachhaltig. Kritik übte der Redner an den "Greening Plänen" der EU. Er forderte die Senkung des Prozentsatzes, um mehr Geld für den inländischen Eiweißanbau lukrieren zu können.

Abgeordneter Harald JANNACH (F) thematisierte mit äußerst kritischen Anmerkungen die Öffentlichkeitsarbeit des Landwirtschaftsministers. Hier werde eine unglaubliche Vermarktungsmaschinerie in Gang gesetzt, während man bei den Bauern und Bäuerinnen spare. Er präsentierte mehrere Beispiele, um seine Kritik zu untermauern, und legte schließlich einen Entschließungsantrag vor, der auf mehr Transparenz im Bundesvoranschlag, vor allem in Bezug auf die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit, abzielt. Jannach konnte auch nicht verstehen, warum die AMA in einer Werbung die Firma McDonald's unterstützt. Damit untergrabe man die Bemühungen um eine gesunde Ernährung der Bevölkerung, bemerkte der Redner.

S-Abgeordneter Ewald SACHER meinte, es wäre ein Akt der Steuergerechtigkeit, festzulegen, dass Reiche und MillionärInnen einen höheren Beitrag zu leisten hätten. Was das eigentliche Thema der Debatte anbelange, sei man natürlich allen Bäuerinnen und Bauern dankbar dafür, dass sie gesunde Lebensmittel produzierten. Ebenso dankbar wäre man aber auch allen anderen Berufsgruppen, die den ländlichen Raum erhielten. Sacher zeigte sich deshalb ob der massiven Kürzungen der Förderungen für die ländliche Entwicklung enttäuscht: Berlakovich setze einfach die falschen Schwerpunkte, schloss er. 

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) meinte, das Bauernsterben der letzten zehn Jahre zeige, dass die ÖVP "auf dem Holzweg" sei. In Tirol würden 18.000 MiteigentümerInnen von Agrargemeinschaften enteignet, ohne dass sich der Landwirtschaftsminister dazu geäußert habe. Im Budget gebe es nur für "ÖVP-Vorfeldorganisationen", wie die AMA, kräftige Erhöhungen. Die Zwangsmitgliedschaft bei der Landwirtschaftskammer sei außerdem abzulehnen. Derzeit befinde sie sich in einem Konflikt zwischen Interessensvertretung und Kontrolle. Es sei ihm auch unverständlich, wie Vertreter der Bauernschaft diesem Budget zustimmen konnten. Bauern sollten freie Unternehmer sein können, nicht zu Bittstellern degradiert werden. Nicht der Einheitswert, sondern das tatsächliche Einkommen sollte dementsprechend die Basis für Besteuerung und Sozialversicherungsbeiträge der Bauern sein.

Huber forderte außerdem eine Stärkung der Wettbewerbsbehörde, um die Bauern vor Monopolisten wie Raiffeisen zu schützen. Der Landwirtschaftsminister sollte in Brüssel alle Möglichkeiten ausschöpfen, damit Österreich vor Importen aus Drittländern geschützt werde und selbst gentechnikfreies Eiweißfutter produzieren könne. Derzeit importiere man 2 Mio. Schweine und 100.000 Rinder pro Jahr und sei damit nicht mehr autark. Die LandwirtInnen hätten genug davon, dass ihre Existenz ruiniert werde, schloss der Redner.

Für V-Mandatar Nikolaus PRINZ stand außer Frage, dass Bäuerinnen und Bauern einen wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Es gelte deshalb auch Sorge dafür zu tragen, dass sie ihre hochwertigen Nahrungsmittel zu vernünftigen Preisen absetzen können. Es sei daher wichtig, dass die Programme für den ländlichen Raum wie den Agrarsektor auch 2012 ausfinanziert sind. Die Landwirtschaft bezeichnete Prinz außerdem als "wesentlichen Investitionsfaktor" und Arbeitsmarktsektor, der rund 550.000 Menschen Beschäftigung biete. Vor diesem Hintergrund gelte es zusammen das Beste für diese Menschen herauszuholen, forderte Prinz.

S-Abgeordneter Michael SCHICKHOFER zeigte sich erfreut darüber, dass Österreich ein Vorreiter auf dem Gebiet der nachhaltigen, ökologischen und biologischen Landwirtschaft sei. Den Bäuerinnen und Bauern dankte er vor diesem Hintergrund für ihre hochqualitativen Produkte und ihre Leistungen auf dem Gebiet der Landschaftspflege. Erfreut zeigte sich Schickhofer angesichts der signalisierten Gesprächsbereitschaft von Bauernbundobmann Jakob Auer in Hinblick auf Maßnahmen zur Schaffung von mehr Leistungsgerechtigkeit im Agrarsektor: Es gehe schließlich nicht an, dass LandwirtInnen an der Umwidmung ihrer Nutzflächen abgabenfrei verdienten. Über Verteilungsgerechtigkeit gelte es aber auch insofern zu sprechen, als man Förderprogramme sozial gerechter gestalten sollte, zeigte sich der S-Mandatar überzeugt.

In einer tatsächlichen Berichtigung hielt Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) fest, dass es nicht den Tatsachen entspreche, dass die Grüne Fraktion im EU-Parlament gegen den Schutz von Bienen gestimmt habe. Man hätte im Gegenteil sogar eine weiter reichende Resolution eingebracht, schloss der F-Mandatar.

Für Abgeordneten Peter MAYER (V) stand außer Frage, dass sich aktive Landwirtschaft auch in Zukunft lohnen müsse. Deshalb gelte es sicherzustellen, dass die entsprechende Finanzierung gewährleistet sei. Der österreichische Bauernstand bekenne sich aber traditionsgemäß zum Sparen und einem effizienten Mitteleinsatz, zeigte sich Mayer überzeugt. Was die Agrarexporte anbelange, hätten sie sich gesteigert und erreichten in diesem Jahr wahrscheinlich ein Volumen von 9 Mrd. €. Stolz könne man dabei unter anderem darauf sein, dass man aufgrund hoher veterinärmedizinischer Standards jährlich 30.000 Zuchtrinder ans Ausland verkaufe und im Bereich der Käseexporte sogar die Schweiz überholt habe. Was die Preise für diese Lebensmittel anbelangte, gab Mayer zu bedenken, dass es angesichts der Tatsache, dass die ÖsterreicherInnen inzwischen mehr Geld für Hobby und Freizeit als für Lebensmittel ausgäben, nicht zu viel verlangt sein können, ein bis zwei Cent mehr in Qualität zu investieren.

S-Mandatar Walter SCHOPF schlug vor, die landwirtschaftlichen Ausbildungsstätten in den Regelschulbereich einzugliedern. Er zeigte sich außerdem überzeugt, dass es notwendig sei, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, um junge Menschen im ländlichen Raum zu halten. Ihre Abwanderung in die Städte zu verhindern, müsse schließlich ein klares Ziel der Politik sein. (Schluss Budget Land- und Forstwirtschaft/Fortsetzung Umwelt)