Parlamentskorrespondenz Nr. 1104 vom 21.11.2011

Vorlagen: Justiz

Vereinsgesetz, StGB-Novelle, KFZ-Haftpflichtversicherungsgesetz

Vereinsgesetz: Haftungsrisiko für unentgeltlich Tätige begrenzen

Die Übernahme von Funktionen in Vereinsorganen ist derzeit mit nicht unerheblichen Haftungsrisiken verbunden. Obgleich man bei der Beurteilung des Sorgfaltsmaßstabs die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit berücksichtigt, entstehen in der Praxis immer wieder Unsicherheiten, die der Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, entgegenstehen können. Mit einer Novelle des Vereinsgesetzes und des Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetzes (1503 d.B.) will die Bundesregierung diesbezüglich Abhilfe schaffen.

Was das externe Haftungsrisiko eines unentgeltlich handelnden Organwalters oder Rechnungsprüfers anbelangt, sieht der vorliegende Entwurf insofern eine Beschränkung vor, als es dem Funktionär künftig möglich sein soll, bei direkter Inanspruchnahme durch Dritte einen Rückersatzanspruch gegenüber dem Verein geltend zu machen. Dies bringt im Regelfall mit sich, dass der im Zuge der Wahrnehmung seiner Pflichten entstandene Schaden vom Verein zu tragen ist, sofern dieser vom Funktionär nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde. In analoger Weise kommt es auch zu einer Begrenzung des internen Haftungsrisikos: Der jeweilige Funktionär wird dem Verein nur dann für den verursachten Schaden verantwortlich, wenn dieser auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln zurückzuführen ist.

Mit der vorliegenden Novelle wird außerdem festgelegt, dass eine Haftpflichtversicherung, die der Verein abschließt, auch den Anspruch eines Organwalters oder Rechnungsprüfers gegen den Verein zu decken hat.

Justiz-Ombudsstellen werden gesetzlich verankert

Eine zum Gerichtsorganisationsgesetz vorliegende Novelle (1504 d.B.) sieht die Etablierung eines Voranmeldesystems für Gerichtstage, die geringfügige Anhebung der Justizverwaltungsquote bei den Oberlandesgerichten, die Schaffung einer Überprüfungsmöglichkeit in Bezug auf die Geschäftsverteilung eines Oberlandesgerichts für die dort tätigen RichterInnen sowie die Verleihung des gesetzlichen Mitwirkungsrechts an die Vereinigung der österreichischen RichterInnen vor.

Darüber hinaus soll der Gesetzesentwurf für eine Klarstellung betreffend die Wirkung von Einschaltungen in die Ediktsdatei und die Zulässigkeit der Ermittlung, Weiterleitung und Weitergabe von personenbezogenen Daten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens sorgen.

Ebenfalls in der Novelle enthalten sind Bestimmungen in Hinblick auf die Justiz-Ombudsstellen: Diese will man gesetzlich festschreiben und damit entsprechend absichern. Die Justizverwaltung wird damit zur Einrichtung von Justiz-Ombudsstellen, deren Aufgabe die Behandlung von Anfragen und Beschwerden über die Tätigkeit der Gerichte ist, verpflichtet.

Strafgesetznovelle: Mehr Schutz für Opfer von Gewalt und Missbrauch

Im Sinne einer Fortschreibung der Maßnahmen des Zweiten Gewaltschutzgesetzes legt die Bundesregierung eine Strafgesetznovelle (1505 d.B.) vor, die zur Verbesserung des Kinderschutzes beitragen und zur Ahndung von Auslandstaten (insbesondere im Bereich des Sexualstrafrechts) befähigen soll.

Was strafbare Gewalthandlungen, die von einem Volljährigen an einer unmündigen Person vorsätzlich begangen werden, anbelangt, sieht der Entwurf eine Verschärfung der Strafandrohungen durch Einführung bzw. Anhebung von Strafuntergrenzen vor: Danach soll – soweit bisher kein Mindestmaß vorgesehen war – bei einem Höchstmaß bis zu einem Jahr ein Mindestmaß von zwei Monaten Freiheitsstrafe und bei einem ein Jahr übersteigenden Höchstmaß eine Strafuntergrenze von drei Monaten gelten. Das bisherige Mindestmaß von sechs Monaten wird, so der Entwurf, auf ein Jahr bzw. von einem Jahr auf zwei Jahre angehoben.

Wurde die Tat des Volljährigen am Unmündigen unter Anwendung von Gewalt und gefährlicher Drohung begangen, soll dies außerdem einen besonderen Erschwerungsgrund darstellen: Die Strafdrohungen des Grundtatbestandes erhöhen sich in diesem Fall auf drei Monate bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Bleiben dem Opfer schwere Dauerfolgen, erhöht sich die Mindeststrafandrohung auf ein bis fünf Jahre. Zieht die Tat den Tod des Unmündigen nach sich, wäre die Untergrenze nunmehr mit zwei Jahren Freiheitsstrafe bemessen. Durch Ausschaltung der alternativen Geldstrafdrohung wolle man außerdem den Eindruck vermeiden, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe im Falle einer Körperverletzung an Unmündigen die Ausnahme bleiben soll: Es gelte fortan vielmehr einzelfallbezogen zu prüfen, ob die Verhängung einer Geld- anstelle der vorgesehenen Freiheitsstrafe überhaupt in Betracht kommt, heißt es im Entwurf.

Mit der Novelle sollen überdies auch die Anwendungsfälle der extraterritorialen Gerichtsbarkeit ausgeweitet werden, sofern bestimmte Voraussetzungen (z. B. Täter/Opfer verfügt über die österreichische Staatsbürgerschaft oder hat hier den gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich) vorliegen: Bestimmte Straftatbestände wie beispielsweise der sexuelle Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person, die Nötigung zur Eheschließung oder die Durchführung einer Genitalverstümmelung sind so – unabhängig von der Tatbegehung im In- oder Ausland und der Strafbarkeit am Tatortstaat – von der österreichischen Justiz verfolgbar.

Mit der vorliegenden Novelle will man außerdem auch zwei neue Straftatbestände schaffen: Das sogenannte "Grooming" (die Anbahnung von Sexualkontakten zu Kindern) soll ebenso strafbar werden wie die wissentliche Betrachtung pornographischer Darbietungen Minderjähriger über Web-Cam. Was ersteren Tatbestand anbelangt, schlägt der Entwurf eine Strafandrohung von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe vor. Der Täter kann jedoch straffrei werden, wenn er sich freiwillig und ehe die Behörde von seinem Verschulden erfahren hat, sein Vorhaben aufgibt und der Behörde sein Verschulden offenbart.

Strafvollzug im Staat mit besseren Resozialisierungschancen 

Mit einer Novelle des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedern der Europäischen Union, des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes sowie des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten (1523 d.B.) reagiert die Bundesregierung auf eine Reihe diesbezüglicher Rahmenbeschlüsse des Rates. Im Zentrum des Gesetzesvorhabens steht allerdings die Umsetzung des von Österreich, Finnland und Schweden initiierten Rahmenbeschlusses über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitentziehende Strafe oder Maßnahme begründet wird.

Dieses basiert auf der Idee, dass der Strafvollzug fortan in jenem Staat vorgenommen werden soll, der am ehesten geeignet erscheint, der Resozialisierung des Verurteilten zu dienen. Die Zustimmung von Vollstreckungsstaat und verurteilter Person zur Übergabe müssen dabei nicht mehr eingeholt werden, wenn letztgenannte die Staatsangehörigkeit des Vollstreckungsstaates besitzt, in diesem Staat wohnhaft ist oder in Folge des Urteils dorthin abgeschoben würde. Von der Umsetzung des Beschlusses verspricht sich die Justizministerin eine Entlastung des österreichischen Strafvollzugs und des Budgets, zumal sich dadurch die Zahl der Ersuchen betreffend Übergabe ausländischer Verurteilter an den Heimatstaat zur weiteren Strafvollstreckung erhöhen könne.

Inflationsanpassungen im Bereich der KFZ-Haftpflichtversicherung

Die EU-Richtlinie über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht sieht eine Inflationsanpassung der Mindestdeckungssummen für Personen- und Sachschäden vor. Dementsprechend nimmt eine nunmehr dem Parlament vorliegende Novelle des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetzes (1524 d.B.) eine Valorisierung der Mindestversicherungssummen vor. Anzupassen gilt es aber auch die mit ihnen korrelierenden Haftungshöchstbeträge, die in verschiedenen Haftpflichtgesetzen, die ebenfalls einer Novellierung zugeführt werden, festgelegt sind. Konsumentenpolitische und soziale Auswirkungen sind dadurch nicht zu erwarten: Für VersicherungsteilnehmerInnen, die nicht ohnehin schon auf höhere Summen versichert sind, könnten Mehrbelastungen in Form von Prämienerhöhungen allerdings nicht ausgeschlossen werden. Diese dürften aber nur äußerst gering ausfallen, heißt es im Entwurf.

Sozialrechtssachen vor ordentlichen Gerichten: Neue Kostenregelung

Gemäß Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz sind die bei den ordentlichen Gerichten im Rahmen von Tätigkeiten in sozialgerichtlichen Verfahren erwachsenden Kosten von den Trägern der Sozialversicherung zu übernehmen, wenn ein solcher Träger Parteistellung genießt. Bislang wurde dieser Verpflichtung durch die Bezahlung eines jährlichen Pauschalbetrags, der seit 1. Juli 2006 41 Mio. € betrug, nachgekommen. Da die tatsächlichen Ausgaben für das Jahr 2011 aber bereits 53 Mio. € erreichen, soll mittels Novellierung der gesetzlichen Grundlage (1525 d.B.) von dieser Praxis abgegangen werden: Dem Justizministerium sind nunmehr jeweils im Folgejahr die tatsächlichen entstandenen Kosten zu ersetzen, heißt es im diesbezüglichen Entwurf. (Schluss)