Parlamentskorrespondenz Nr. 130 vom 29.02.2012

Wie und in welche Verkehrsinfrastruktur soll investiert werden?

Aktuelle Stunde im Nationalrat

Wien (PK) – Das Spar- und Konsolidierungspaket war heute auch Diskussionspunkt der Aktuellen Stunde im Nationalrat, wobei es in erster Linie um Investitionen in die Infrastruktur ging. Konkret lautete das von der SPÖ vorgeschlagene Thema: "Investitionen in Verkehrsinfrastruktur: verantwortungsvoll sparen, klug investieren, Wachstum ermöglichen!". Bundesministerin Doris Bures betonte, beim Straßenbau werde in erster Linie in die Sicherheit investiert, bei den Bahninvestitionen gehe es ihr darum, den Güterverkehr vermehrt auf die Schiene zu bringen.

Vor Eingang in die Debatte dankte Präsidentin Prammer dem scheidenden Parlamentsdirektor Georg Posch, der heute seinen letzten Arbeitstag vor dem Übertritt in den wohlverdienten Ruhestand absolviert, unter dem allgemeinem Beifall des Hauses für seine verdienstvolle Arbeit an der Spitze der Parlamentsverwaltung.

Vor Eingang in die Tagesordnung kündigte Präsidentin Barbara Prammer für 15 Uhr die Behandlung eines dringlichen Antrags des BZÖ betreffend "Stopp der Abzocke bei den Tankstellen" an. Daran anschließend wird eine kurze Debatte über eine Anfragebeantwortung der Unterrichtsministerin betreffend private Feiern an Schulen stattfinden.

Heinzl: Investitionen in Verkehrsinfrastruktur wichtig für Beschäftigung

Die Themenauswahl für die Aktuelle Stunde begründete Abgeordneter Anton HEINZL (S) mit dem Hinweis auf die große Bedeutung von Verkehrsinfrastrukturinvestitionen für den österreichischen Wirtschaftsstandort und den Arbeitsmarkt. Bei dieser Gelegenheit würdigte Heinzl die Leistungen der Bundesregierung bei Ausbildungsgarantie für junge Menschen und machte auch auf deren Erfolge bei der Sicherung der Arbeitsplätze älterer Menschen aufmerksam. "Österreich ist auch in schwierigen Zeiten ein stabiles und sicheres Land", sagte der Abgeordnete. Entscheidend seien auch Investitionen in Infrastruktur sowie die Förderung der thermischen Sanierung und der Nutzung erneuerbarer Energieträger. "Österreich investiert in Arbeit und erspart sich dadurch Arbeitslosigkeit".

Investitionen in die Schieneninfrastruktur sind laut Heinzl notwendig, weil ein großer Teil des österreichischen Schienennetzes noch aus der Monarchie stammt. Daher gelte in der Verkehrspolitik der Grundsatz: "Schiene vor Straße", lobte Heinzl. Dies sei auch von großer Umwelt- und Klimaschutzrelevanz, denn die Öffis sparen jährlich Tonnen von CO2. Es sei daher richtig, weiterhin in die Schiene, in das Rückgrat eines umweltfreundlichen Verkehrssystems zu investieren, die Tunnelprojekte fortzuführen und auch weniger spektakuläre Projekte in die Verkehrssicherheit und in neue Bahnhöfe weiterzuführen. Der Abgeordnete wies auch auf die wirtschaftliche Umweltrentabilität dieser Investitionen hin, die zehntausende Arbeitsplätze sichern.

Das Sparpaket zwinge die Verkehrsministerin dennoch, Einsparungen von 1 Mrd. € bei den Bahninvestitionen bis 2016 vorzunehmen. 75 % dieses Betrags resultieren aus einem langsameren Ausbau der Tunnels, ein Viertel aus Einsparungen bei anderen Projekten. Der Semmering-Basistunnel und der Koralmtunnel werden gemeinsam im Jahr 2024 in Betrieb gehen, betonte er. Beim Brenner-Basistunnel mahnte der Abgeordnete die Abklärung offener Finanzierungsfragen mit den europäischen Partnern, insbesondere mit Italien, ein. Heinzls Dank galt der Verkehrsministerin, die es schaffe, zu sparen und zugleich eine verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Verkehrsinfrastrukturpolitik fortzusetzen. 

Bures: Jede Milliarde Investitionen sichert 17.000 Arbeitsplätze

Bundesministerin Doris BURES informierte die Abgeordneten zunächst darüber, dass der Verkehr bis 2020 um 25 % zunehmen wird und begründete damit ihre Entschlossenheit, weiterhin klug in die Verkehrsinfrastruktur zu investieren. Bures sah darin einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung der Zukunft Österreichs. Im Rahmen des Konsolidierungspakets sind bis 2016 1 Mrd. € an Einsparungen beim Bahnausbau und 2,8 Mrd. € beim Straßenbau vorgesehen. Bei den ÖBB führt ein Stopp der Frühpensionierungen zu nachhaltigen Einsparungen und zu mehr Gerechtigkeit. Dennoch werde Österreich nicht "kaputtgespart". "Denn wir wissen, dass Wirtschaftswachstum der wichtigste Beitrag zur Budgetkonsolidierung ist", sagte sie.

Die Herausforderung besteht laut Bures darin, Budgetsanierung, soziale Sicherheit, Wachstum und Beschäftigung zugleich voranzubringen und weiterhin für einen Spitzenplatz Österreichs in der Europäischen Arbeitslosenstatistik zu sorgen. Dazu gehören Investitionen in umweltfreundliche Mobilität, in die Fertigstellung der aktuellen Tunnelprojekte und in die Modernisierung und Attraktivierung der Bahn für die Kunden. Jede Milliarde Investitionen sichere 17.000 Arbeitsplätze, rechnete die Verkehrsministerin vor und wies auf die enorme Bedeutung des Exports von österreichischem Tunnelbau-Know-how hin. Der vor der Eröffnung stehende Lainzer-Tunnel wird die Fahrzeit zwischen Wien und St. Pölten auf 25 Minuten und zwischen Wien und Linz auf eineinhalb Stunden verkürzen, kündigte die Ministerin an. Beim Straßenbau werde in Sicherheit investiert, neu Straßen aber nur dort gebaut, wo dies unbedingt notwendig sei, etwa in Mannersdorf, wo Menschen durch eine Umfahrungsstraße vor dem Lkw-Durchzugsverkehr zu schützen seien. Die Mobilität von Menschen und Gütern ist eine Grundlage des Wohlstands in Österreich, schloss die Ministerin.  

Diskussion über ÖBB und die Gewichtung von Investitionen in den öffentliche Verkehr und in den Straßenverkehr

Abgeordnete Gabriele BINDER-MAIER (S) bekannte sich zu dem Grundsatz, bei der Budgetkonsolidierung nicht auf die notwendige Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes zu vergessen, in Zukunftsprojekte zu investieren, Beschäftigung zu sichern und die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Daher sei es notwendig, die Projekte fortzuführen, die der Modernisierung des Schienennetzes dienen, sagte die Rednerin. Immerhin sind 56 % der ÖsterreicherInnen in ihren Mobilitätsbedürfnissen auf öffentliche Verkehrsmittel und viele von ihnen auch auf einen barrierefreien Zugang zu den Öffis  angewiesen. Daher brach Binder-Maier eine Lanze für die ÖBB, die alljährlich 460 Millionen Passagiere befördern, 40.000  Menschen beschäftigen und fast 2.000 Lehrlinge ausbilden.

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) schloss sich den Ausführungen seiner VorrednerInnen weitgehend an, bekannte sich aber dazu, Schiene und Straße in der Verkehrsinfrastrukturpolitik gleichermaßen als wichtige Bereiche zu sehen und hielt es für falsch, einen Verkehrsträger gegen den anderen auszuspielen. Der Abgeordnete begrüßte den Beitrag des Verkehrsressorts zum Sparpaket, merkte aber an, dass der Einsparungsbeitrag der ÖBB "am unteren Ende der Möglichkeiten" liege. So lobte Bartenstein die Spar- und Effizienzbemühungen des ÖBB-Vorstands, sprach aber zugleich die Erwartung auf weitere Schritte aus, denn von den 1.067 BundesbahnerInnen, die im Jahr 2011 in Pension gingen, hatten nur 37 das Regelpensionsalter, klagte Bartenstein.

Abgeordneter Martin STRUTZ (F) hielt die Themenwahl der SPÖ für verfehlt, weil die ÖsterreicherInnen sich in diesen Tagen weniger für die ÖBB, sondern mehr für die Auswirkungen des größten Belastungspakets in der Geschichte des Landes interessierten. Strutz warnte vor der Kürzung von Pensionen, der Streichung der Bausparprämien und negativen Auswirkungen auf Häuslbauer und Bauwirtschaft sowie vor lebensbedrohenden Verschlechterungen im Gesundheitswesen und wies darauf hin, dass sich die Menschen das Heizen und das Autofahren nicht mehr leisten können. Für PendlerInnen werde das Arbeiten jenseits einer Distanz von 30 km zu einem Nullsummenspiel, weil die OMV trotz Rekordgewinnen die Benzinpreise in die Höhe treibe und der Wirtschaftsminister seiner Aufgabe nicht nachkomme, die überhöhten Spritpreise amtlich zu regeln. Der Abgeordnete verlangte auch eine Erhöhung von Pendlerpauschale und Kilometergeld und kündigte einen diesbezüglichen Entschließungsantrag der FPÖ an.

Abgeordnete Eva GLAVISCHNIG-PIESCZEK (G) kritisierte ebenfalls das Sparpaket der Bundesregierung, das kleine EinkommensbezieherInnen überdurchschnittlich treffe. Der Verkehrsministerin warf die Klubobfrau der Grünen vor, weiterhin Milliarden in Autobahnen und Schnellstraßen zu investieren, obwohl Österreich über eines der luxuriösesten Autobahnnetze Europas verfüge. Woran es mangle, seien attraktive Zugverbindungen zwischen Graz und Salzburg, zwischen Wien und Bratislava sowie an einer flächendeckenden Lkw-Maut, die Mautflüchtlinge zurück auf die Autobahnen bringt. Nicht einzusehen sei auch die Grundsteuerbefreiung für Parkplätze bei Einkaufszentren, sagte die Abgeordnete.

Abgeordneter Josef BUCHER (B) konnte die Verzögerung wichtiger Verkehrsinfrastrukturprojekte nicht nachvollziehen, weil dadurch kein Cent gespart, sondern lediglich Kosten in die Zukunft verschoben würden. Einmal mehr kritisierte Bucher, dass die ÖBB – für ihn eine "Vorfeldorganisation der SPÖ" – jährlich mit 5 Mrd. € durch die SteuerzahlerInnen finanziert werden, die überdies 2 Mrd. € an Haftungen übernehmen müssen. Es sei den Menschen nicht zumutbar, mit einem Sparpaket konfrontiert zu werden, während über ein neues Griechenlandhilfspaket verhandelt werde, ein milliardenschweres Wirtschaftsbelebungspaket vorbereitet werde und die Banken zusätzliches Geld brauchen. Während die Regierung wortreich über die 1,5 Mrd. € klage, die die Hypo Alpe Adria dem Steuerzahler gekostet hat, verschweige sie, dass die Kommunalkredit 5 Mrd. € verschlungen habe. Die Menschen haben genug gezahlt, betonte er, daher rufe das BZÖ angesichts weiter steigender Treibstoffpreise am 1. März 2012 zu einem Tankstellenboykott auf, sagte der Klubobmann des BZÖ.     

Abgeordneter Wilhelm HABERZETTL (S) warf seinem Vorredner Unkenntnis vor und erinnerte Bucher an Gorbach und Kukacka, die er als Totengräber der ÖBB bezeichnete. Faktum war für Haberzettl, dass die Einsparungen bei den Infrastrukturprojekten eine Gratwanderung zwischen dem erforderlichen Sparkurs und einer unbedingt notwendigen Weiterentwicklung darstellen. Mit Nachdruck bekannte sich der S-Mandatar aber zu Investitionen in die Verkehrspolitik, die er vor allem auch unter dem Aspekt des Wirtschaftsstandortes, der Sozial-, Umwelt- und Arbeitsmarktpolitik betrachtete.

Abgeordnete Karin HAKL (V) begrüßte die Beendigung der Frühpensionierungen bei den ÖBB, bezeichnete die Bahn angesichts der hohen öffentlichen Subventionen als Sozialfall und forderte eine rasche Sanierung. Die Einsparungen bei den Infrastrukturprojekten hielt sie für absolut legitim, Investitionen wünschte sie vielmehr bei der Barrierefreiheit und beim Komfort der Züge.

Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) wandte sich zunächst dem Flugverkehr zu und beklagte hohe Fluggastabgaben und teure Gebühren der Austro-Control. Was die Bahn betrifft, unterstützte er ausdrücklich den Bau des Brenner-Basistunnels, forderte aber eine zeitnahe Kontrolle durch den Rechnungshof, eine Benutzungsverpflichtung für LKW sowie eine Gegenfinanzierung durch die Straße.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) kritisierte, die Infrastrukturprojekte würden bloß die Bauindustrie fördern, ohne zur Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene beizutragen. Anliegen der Rednerin war überdies eine Regelung der Pendlerpauschale zugunsten kleinerer EinkommensbezieherInnen.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) ging vor allem mit der Personalpolitik der Bahn scharf ins Gericht und qualifizierte die ÖBB als Versorgungsinstrument für gescheiterte SP-Funktionäre. Mit scharfen Worten untermauerte er ferner die Kritik seiner Fraktion an den hohen Spritpreisen.

Bundesministerin Doris BURES erinnerte, bei der Straße werde dreimal so viel gespart wie bei der Schiene, und betonte, es gehe vor allem darum, so zu bauen, dass der Verkehr umweltgerecht organisiert werden kann. Auf die Kritik der Grünen hin stellte sie klar, der Großteil der Straßeninvestitionen gehe in den Bereich der Verkehrssicherheit. Bei den Bahninvestitionen wiederum sei es ihr Ziel, den bereits hohen Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene weiter auszubauen. (Fortsetzung Nationalrat)