Parlamentskorrespondenz Nr. 516 vom 19.06.2012

Grünes Licht für König Abdullah Dialogzentrum

Beschluss des Außenpolitischen Ausschusses mit S-V-F-B-Mehrheit

Wien (PK) – Mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ stellte der Außenpolitische Ausschuss heute die völkerrechtlichen Weichen für die Errichtung des sogenannten "König Abdullah Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog" und genehmigte ein entsprechendes Übereinkommen, das die Etablierung dieses Zentrums in Wien als Organisation mit Völkerrechtspersönlichkeit vorsieht. Heftige Kritik zu diesem Schritt kam von den Grünen, die vor allem  auf die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien verwiesen, sich mit ihrem Entschließungsantrag betreffend ein Nein zur Errichtung des Zentrums in Wien aber nicht durchsetzen konnten.

In der Debatte argumentierte Abgeordnete Alev Korun (G), angesichts der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sei das Dialogzentrum für viele Betroffene, insbesondere für Frauen, ein Hohn. Es gehe nicht an, einem Land, das zudem für Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Verfolgung Andersgläubiger bekannt ist, eine Plattform in Österreich zu bieten, meinte die Grün-Mandatarin, die in der Benennung des Zentrums nach König Abdullah vor allem auch ein internationales Feigenblatt für anhaltende Menschenrechtsverletzungen sah und vor einer negativen Symbolwirkung für MuslimInnen in Österreich und Europa warnte. Irritiert zeigte sich Korun auch über die Bestellung von Claudia Bandion-Ortner als stellvertretende Generalsekretärin des Zentrums, wodurch, wie sie sagte, die an sich schon schlechte Optik zusätzlich noch verstärkt werde. Die ehemalige Justizministerin sei bisher noch in keiner Weise durch eine Beschäftigung mit interreligiösem Dialog aufgefallen, gab sie zu bedenken.

Abgeordnete Petra Bayr (S) brachte ihrerseits ihre Skepsis angesichts der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien zum Ausdruck und bezeichnete überdies die Einbindung des Vatikan in das Zentrum als wenig nachvollziehbar.

Abgeordneter Martin Bartenstein (V) wandte ein, die Kritik an den Verhältnissen in Saudi-Arabien möge ihre Berechtigung haben, "unter dem Strich" sei es aber sinnvoll, den Dialogprozess zu beginnen. Gerade wenn man zu einer Öffnung und zu Änderungen beitragen möchte, müsse man es begrüßen, wenn sich Saudi Arabien nun mit diesem Dialogzentrum zu Religionsfreiheit bekennt.

Positiv zum Dialogzentrum äußerte sich auch Abgeordneter Johannes Hübner (F). Die Zustände in Saudi-Arabien seien zwar "schrecklich", warum sollte man sich aber nicht darüber freuen, wenn das Königreich nun ein derartiges Zentrum stiftet, sagte er.

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) teilte ebenfalls die Kritik an der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien, gab aber zu bedenken, es sei gerade vor dem Hintergrund möglicher besorgniserregender Entwicklungen des Arabischen Frühlings wichtig, den Dialog zu führen. Das Zentrum sei keine Erfolgsgarantie, sondern vielmehr ein Strohhalm, an den es jetzt gelte sich zu klammern.

Außenminister Michael Spindelegger wertete das Zentrum als positives Signal und als Zeichen Saudi-Arabiens, sich einer gewissen Öffnung zu widmen. Die Etablierung in Wien bedeutete für ihn dabei eine Fortsetzung der österreichischen Bemühungen, eine Drehscheibe für den Dialog zu sein. Spindelegger teilte überdies mit, dass die Einrichtung von einem Direktorium bestehend aus Vertretern aus 12 Religionen einschließlich des Judentums geleitet und von       Saudi-Arabien finanziert werde. Die ehemalige Justizministerin Bandion-Ortner wiederum werde aufgrund ihrer speziellen Erfahrungen helfen, das Zentrum als internationale Organisation aufzubauen. Mit Nachdruck betonte der Außenminister ferner, sämtliche Muslimgruppierungen Österreichs hätten bis auf eine einzige Ausnahme – die liberalen Muslime – das Zentrum befürwortet.  

Kongo, Westsahara: Ausschuss über Menschenrechtslage besorgt

In zwei Anträgen, die vom Ausschuss einstimmig verabschiedet wurden, deponierten die Abgeordneten ihre Besorgnis über die Menschenrechtssituation in der Demokratischen Republik Kongo und in der Westsahara.

Die Abgeordneten Alexander Van der Bellen (G), Reinhold Lopatka (V) und Christine Muttonen (S) erinnerten in ihrer gemeinsam eingebrachten Initiative an die Präsidentschaftswahlen in der Demokratischen Republik Kongo, verwiesen dabei auf Berichte von unabhängigen Wahlbeobachtern sowie von Vertretern der EU und der katholischen Kirche über massiven Wahlbetrug und appellierten an die Bundesregierung, sich auf bilateraler und multilateraler Ebene den Forderungen der Europäischen Union nach Transparenz und Aufklärung von Unregelmäßigkeiten anzuschließen, für Frieden, Demokratie und die Wahrung aller Menschenrechte einzutreten und sich für einen umfassenden politischen Dialog unter Einbindung der kongolesischen Opposition einzusetzen.

Zur Westsahara lag dem Ausschuss ebenfalls ein Drei-Parteien-Antrag von SPÖ, ÖVP und Grünen vor, in dem die Abgeordneten Christine Muttonen (S), Reinhold Lopatka (V) und Judith Schwentner (G) die Regierung dazu aufriefen, auf Ebene der EU und der UNO auf eine weitere Beobachtung der Menschenrechtslage zu drängen und sowohl Marokko als auch die Polisario zu einem Gewaltverzicht aufzufordern. Österreich sollte sich darüber hinaus auch für die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der saharauischen Bevölkerung und für eine baldige Abhaltung des Unabhängigkeitsreferendums einsetzen, lautete eine weitere Forderung der Initiative. 

Einstimmigkeit über atomwaffenfreien Nahen Osten

Konsens herrschte im Ausschuss auch über die Forderung nach Verwirklichung einer Zone frei von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen im Nahen und Mittleren Osten. Einstimmig wurde in diesem Sinn ein Fünf-Parteien-Entschließungsantrag beschlossen, in dem die Abgeordneten Christine Muttonen (S), Reinhold Lopatka (V), Johannes Hübner (F), Judith Schwentner (G) und Herbert Scheibner (B) die Regierung aufforderten, sich für das Zustandekommen der von der UNO für 2012 beschlossenen Konferenz für eine massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten einzusetzen und dabei insbesondere auch auf eine Teilnahme des Iran, Syriens und Israels hinzuwirken.

Dem bereits eingerichteten Unterausschuss zur Behandlung entwicklungspolitischer Themen wurden schließlich der Bericht über das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2010 bis 2012 sowie ein S-V-G-B-Entschließungsantrag betreffend die Rechte und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen in der Entwicklungszusammenarbeit zugewiesen.  

Spindelegger gegen Ausweisung des syrischen Botschafters

Im Rahmen einer Aktuellen Aussprache nahm Außenminister Spindelegger auf Fragen der Abgeordneten Christine Muttonen (S), Alexander Van der Bellen (G) und Herbert Scheibner (B) auch zu den Entwicklungen des Arabischen Frühlings Stellung und beurteilte die Situation in Tunesien und Marokko vorsichtig optimistisch. Besorgt zeigte er sich hingegen über die jüngsten Ereignisse in Ägypten und vor allem auch in Syrien. Den Vorschlag Van der Bellens auf Entzug der Akkreditierung des syrischen Botschafters in Wien hielt Spindelegger allerdings nicht für zielführend, wobei er zu bedenken gab, dies würde die Ausweisung des österreichischen Botschafters aus Damaskus zur Folge haben.

Thema der Aussprache waren auch die Rückübernahmeabkommen mit Nigeria und Marokko. Der Außenminister begrüßte die kooperative Haltung Nigerias und sprach auch von einer nun "anderen Art der Zusammenarbeit" mit Marokko. Eine Verknüpfung von EZA-Geldern mit der Rücknahme von Einwanderern, wie dies Abgeordneter Johannes Hübner (F) vorgeschlagen hatte, lehnte Spindelegger allerdings mit Nachdruck ab. Gegenüber der Abgeordneten Judith Schwentner (G) versicherte er, jeder, der nach Nigeria rückgeführt werde, werde im Land von einer Institution aufgefangen, die ihm eine Zukunft bieten kann. (Schluss)