Parlamentskorrespondenz Nr. 520 vom 20.06.2012

Familienausschuss: Die Kurzvarianten des Kinderbetreuungsgeldes

Wolfgang Mazal präsentiert Evaluierungsstudie

Wien (PK) – Die beiden neuen Kurzvarianten des Kinderbetreuungsgeldes (KBG), die im Jahr 2010 eingeführt und inzwischen von fast 25 % der Mütter bzw. Väter gewählt werden, standen im Mittelpunkt einer Aussprache zum Thema "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" im heutigen Familienausschuss.

Universitätsprofessor Wolfgang Mazal präsentierte dazu eine aktuelle empirische Studie, die auf einen hohen Zufriedenheitsgrad bei den BezieherInnen dieser familienpolitischen Maßnahme schließen lässt. Bundesminister Reinhold Mitterlehner war überzeugt davon, dass die Grundrichtung des KBG-Modells, das insgesamt fünf Varianten anbietet, stimmt, Verbesserungen – wie zum Beispiel bei der Zuverdienstgrenze – aber möglich sind.

Neben der aktuellen Aussprache standen noch eine Reihe von oppositionellen Entschließungsanträgen auf der Tagesordnung, die nicht nur die Ausweitung des Kinderbetreuungsgeldes (FPÖ) zum Thema hatten, sondern auch die Schaffung einer Bundeskompetenz im Bereich Elementarpädagogik (Grüne), die Ausbildung und Bezahlung von Tageseltern (BZÖ), die Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes (BZÖ) sowie eine Bundes-Rahmenregelung für Fälle von Kindeswohlgefährdung (BZÖ).

Mazal: Hohe Zufriedenheitsrate bei Inanspruchnahme der Kurzvarianten

Der Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung (ÖIF), Universitätsprofessor Wolfgang Mazal, wurde als Experte in den Ausschuss eingeladen, um die Ergebnisse der Evaluierungsstudie über die beiden Kurzvarianten des Kinderbetreuungsgelds (12 plus 2 Monate) - die wesentlichste Neuerung der KBG-Reform 2010 - zu präsentieren. Damit wurde das bislang bestehende Pauschalsystem durch ein Einkommensersatzsystem ergänzt. Durch die Bindung des KBG an eine bisherige Erwerbstätigkeit sollten vor allem die männlichen Partner und gut verdienende Frauen in den Fokus genommen werden. Parallel dazu wurde eine gleich lange Pauschalvariante (12+2) eingeführt, die jedoch unabhängig von einer vor der Geburt des Kindes ausgeübten Erwerbstätigkeit ist.

Professor Mazal erläuterte eingangs, dass die Daten auf einer empirischen Studie basieren und ca. 1.000 Personen im Rahmen einer Telefonumfrage erfasst wurden. Die Erhebung fand im September 2011 statt, als das jüngste Kind maximal 20 Monate alt war. Was die Inanspruchnahme angeht, so wurden finanzielle Gründe als Hauptmotiv für die Wahl einer 12+2 Bezugsvariante angegeben. Beim einkommensabhängigen Modell (80 % des Gehalts bzw. maximal rund 2.000 € monatlich) konnte man feststellen, dass eher Personen, die in Österreich geboren wurden und einen höheren Bildungsabschluss, eine geringere Kinderzahl, ein höheres vorheriges Einkommen und eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufweisen, darauf zurückgreifen. Bei der Pauschalvariante (rund 1.000 € monatlich) ergibt sich ein genau umgekehrtes Bild: niedriger Bildungsabschluss, höhere Kinderzahl, niedriges vorheriges Einkommen, Österreich ist nicht Geburtsland, selbständige Tätigkeit.

Bezüglich der realen Väterbeteiligung informierte Mazal darüber, dass diese in der vorliegenden Stichprobe bei 32,6 % liegt. Väter partizipieren primär am KBG-Bezug, weil sie mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen wollen. Sie tun dies überwiegend (67,5 %) für einen Zeitraum von zwei Monaten, und meistens dann, wenn das Kind ein Jahr alt ist (47,6 %). Es werden primär finanzielle und berufliche Argumente angeführt, wenn sich der Partner nicht am KBG-Bezug beteiligt: Entweder fürchtet man einen beruflichen Schaden (28,7 %) oder die finanzielle Lage erlaubt es nicht (24,6 %). Generell könne man jedoch sagen, so Mazal, dass drei Viertel der BezieherInnen mit der von ihnen getroffenen Wahl sehr zufrieden sind. Hätte es die beiden neuen Kurzvarianten nicht gegeben, so präferieren die befragten Personen eindeutig das Modell 15+3 Monate (ca. 800 Euro monatlich) als Alternative, ergibt die Umfrage.

Mitterlehner: KBG-Modelle werden gut angenommen; kein großer Änderungsbedarf

In einer einleitenden Stellungnahme ging Familienminister Reinhold Mitterlehner zunächst auf einige aktuelle Themen aus seinem Ressortbereich ein. Es sei klar, dass sich alle eine Ausweitung der Leistungen für die Familien in Österreich wünschen, meinte er, aber angesichts eines sich in Umsetzung befindlichen Konsolidierungspakets sei dies sehr schwierig. Auf jeden Fall sollte es seiner Meinung nach zu einer Vereinfachung des Systems der Familienleistungen kommen, an einem entsprechenden Vorschlag werde in seinem Haus bereits intensiv gearbeitet.

Ein weiterer Schwerpunkt sei das Thema Kinderbetreuung, wo es nicht einfach darum gehe, einen generellen Ausbau zu forcieren, da auch die qualitative Umsetzung in den einzelnen Bundesländern damit Schritt halten müsse. Dies betreffe Fragen wie die Weiterentwicklung der Ausbildung der KindergartenpädagogInnen und der Hilfskräfte, die Gruppengrößen und die Öffnungszeiten, gab er zu bedenken. Er hoffe aber, dass noch im Sommer eine Vereinbarung mit den Ländern erzielt werden kann.

Um die Väterbeteiligung weiter auszubauen, müsse ein gesellschaftlicher Bewusstseinsprozess eingeleitet werden, so Mitterlehner, den er durch diverse Aktivitäten zu unterstützen versuche. Als Beispiele nannte er die Bundesländertournee mit Professor Mazal, die Sozialpartner-Charta, das Audit Beruf und Familie sowie den Beruf und Familie-Index.

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (F) sah ein Problem darin, dass sich die Familien relativ rasch für ein Kinderbetreuungsmodell entscheiden müssen. Außerdem wünschte sie sich eine Anpassung des Kündigungsschutzes an die KBG-Bezugszeiten sowie eine Gleichstellung der AlleinerzieherInnen. Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (S) wollte wissen, welche Gründe es gibt, dass sich noch immer wenig Väter an der Kinderbetreuung beteiligen, während Abgeordnete Gisela Wurm (S) das Stadt-Land-Gefälle bei der Kinderbetreuung ansprach. Abgeordnete Daniela Musiol (G) dankte für die informative Studie, die sie als Bestätigung des Modells der Grünen sah. Abgeordnete Ursula Haubner (B) hielt das derzeitige Modell für zu kompliziert; ihre Fraktionskollegin Martina Schenk sah es als problematisch an, dass der Anspruch auf den Bezug des einkommensabhängigen KBG an eine vorherige ununterbrochene Beschäftigung im Ausmaß von sechs Monaten gekoppelt ist. Abgeordnete Christine Marek (V) sprach sich gegen eine Abschaffung der Zuverdienstgrenze aus, weil damit die Intention, mehr Männer davon zu überzeugen, sich an der Kinderbetreuung effektiv zu beteiligen, unterlaufen würde. Ihr Fraktionskollege August Wöginger (V) trat für die Beibehaltung aller fünf Varianten ein; die längste – 30 plus 6 Monate – werde noch immer von fast 50 % der Eltern gewählt. Außerdem befürwortete er den Ausbau der Tageselternstrukturen vor allem in den ländlichen Regionen.

Mazal und Mitterlehner gegen Ausdehnung des Kündigungsschutzes

Universitätsprofessor Wolfgang Mazal sprach sich strikt gegen eine Ausdehnung des Kündigungsschutzes aus. Dies wäre ihm zufolge ein Incentive, um genauso lange aus dem Berufsleben auszuscheiden, so lange das Kindergeld bezogen wird. Es müsse allerdings klar darüber informiert werden, dass man zwar drei Jahre beim Kind bleiben kann, der Job aber nur zwei Jahre gesichert ist. Damit bleibe noch genügend Zeit, um sich quasi im Übergangsjahr, alles weitere – wie den Berufseinstieg, die Kinderbetreuung etc. - zu organisieren.

Hinsichtlich der Beteiligung der Männer an der Kinderbetreuung, ortete Mazal die Probleme eher beim Arbeitgeber und den Vorgesetzten, als bei den jungen Vätern. Überall dort, wo Firmenchefs die Männerkarenz fördern, wird sie auch besser angenommen. Die jungen Männern sind daher seiner Meinung nach die falschen Adressaten. Er persönlich trete auch für eine generelle Abschaffung der Zuverdienstgrenze ein, da sie keine Lenkungsmaßnahme darstelle und weil die Menschen nicht zu einer bestimmten Art der Kinderbetreuung gezwungen werden sollten. Außerdem ist es auch schon bisher für niedrigere EinkommensbezieherInnen möglich, neben dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes einem Vollerwerb nachzugehen, gab er zu bedenken.

Minister Mitterlehner unterstrich noch einmal, dass alle fünf Varianten des Kinderbetreuungsgeld-Modells erhalten bleiben sollen. Auch wenn Verbesserungen möglich sind, so glaube er, dass Österreich damit im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt ist.

Einer Ausweitung des Kündigungsschutzes stand er ablehnend gegenüber, weil damit auch nur eine scheinbare Sicherheit gewonnen wäre. Die Praxis belege, dass ein möglichst frühzeitiger Kontakt zwischen karenzierten ArbeitnehmerInnen und den Unternehmen, z.B. in der Form von Teilnahme an Firmenveranstaltungen oder Zugang zum Email-Verkehr, einen zufriedenstellenden Berufseinstieg für beide Seiten fördere. Mitterlehner wies auch noch darauf hin, dass die KBG-BezieherInnen der längsten Variante eine automatische Verständigung vor dem zweiten Geburtstag des Kindes darüber erhalten, dass der Kündigungsschutz ausläuft. Anders sieht es seiner Meinung nach bei der Zuverdienstgrenze aus, wo noch weiter diskutiert werden soll und eventuell eine Änderung ins Auge gefasst werden könne. (Fortsetzung Familienausschuss)