Parlamentskorrespondenz Nr. 744 vom 08.10.2012

100 Jahre Anton Benya - Festveranstaltung im Parlament

Er war "der Präsident"

Wien (PK) – Er wurde 1912 als Kind einer Arbeiterfamilie in Wien geboren, erlebte zwei Weltkriege, den Zusammenbruch des Habsburgerreichs, das soziale Elend der Zwischenkriegszeit, die Arbeitslosigkeit und das Scheitern der Ersten Republik. Er war Elektromechaniker, kam als Lehrling zur Sozialdemokratie, war in zwei Diktaturen gewerkschaftlich aktiv und wurde 1934 und 1937 politisch inhaftiert. 1945 trat er in den ÖGB ein, wirkte maßgeblich am Wiederaufbau der Republik mit, wurde 1956 in den Nationalrat, 1963 zum ÖGB-Präsidenten und 1971 zum Präsidenten des Nationalrates gewählt. Er übte diese Ämter lange Jahre mit Erfolg aus, erlangte Vertrauen über politische und gesellschaftliche Grenzen hinweg sowie großes Ansehen in der Öffentlichkeit und wurde bald nur noch "der Präsident" genannt. - Die Rede ist von Anton Benya, dessen Geburtstag sich heute zum 100. Mal jährt. Aus diesem Anlass luden Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neugebauer und ÖGB-Präsident Erich Foglar gemeinsam prominente Gäste zu einer Festveranstaltung in das Parlament. Ein Film sowie eine Ausstellung unter dem Titel "Sein Weg" dokumentierten den bemerkenswerten Lebensweg Benyas. Erich Foglar präsentierte auch die von Nani Kauer im ÖGB-Verlag herausgegebene Festschrift "Anton Benya. Der Vertrauensmann", die Beiträge von Zeitgenossen und Weggefährten des großen Gewerkschafters und Politikers bietet.   

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer begrüßte Bundespräsident Heinz Fischer und dessen Gattin Margit, Bundeskanzler Werner Faymann, Mitglieder der Bundesregierung, ParlamentarierInnen, Landeshauptleute, Präsidenten von Höchstgerichten sowie RepräsentantInnen der Sozialpartner und erinnerte in sehr persönlichen Worten an Anton Benya, der politisch viel bewegt und vieles in der Entwicklung der Zweiten Republik zum Besseren gewendet habe. Anton Benya ist ein "Baumeister der Republik", für den "Solidarität" keine Worthülse gewesen sei, er habe diesen Wert vielmehr selbst gelebt und von anderen entschieden eingefordert, erinnerte sich Prammer. Benya sei auch ein Kämpfer gewesen, der es zugleich verstanden habe, Kompromisse zu schließen, sagte Prammer.

Prammer: Große Fortschritte des Parlaments in der Zeit Anton Benyas 

Zu den vielen Fortschritten, die ihr Amtsvorgänger für den Nationalrat erreicht hat, zählte Präsidentin Prammer die Geschäftsordnungsreform 1975, den Ausbau der Infrastruktur und die Einrichtung des parlamentarisch-wissenschaftlichen Dienstes sowie die Erweiterung der räumlichen Ressourcen des Parlaments. An gesetzgeberischen Fortschritten in der Amtszeit Anton Benyas nannte Prammer das Arbeitsverfassungsgesetz 1973, die Strafrechtsreform 1974, das UOG 1975, die Familienrechtsreform, die Einrichtung der Volksanwaltschaft 1977 und das Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft im Jahr 1979. "Anton Benya hat sich Zeit seines Lebens für ein soziales und demokratisches Österreich eingesetzt", schloss Präsidentin Prammer.

Faymann über die Aktualität der Erkenntnisse und Werte Anton Benyas

Bundeskanzler Werner Faymann würdigte die historischen Leistungen Anton Benyas bei der Versöhnung zwischen den Klassen in Österreich, beim Aufstieg der Arbeiterbewegung, der Entwicklung des Wohlfahrtsstaates und der Sozialpartnerschaft als eines Systems des Miteinanderredens sowie bei der Aussöhnung der Arbeiterschaft mit der katholischen Kirche. Er war eine der großen Persönlichkeiten der Zweiten Republik, sagte Faymann. Anton Benya sei es wichtig gewesen, Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten sowie darum zu kämpfen, das gemeinsam Erwirtschaftete gerecht zu verteilen. Denn Anton Benya habe aus persönlicher Erfahrung gewusst, wie negativ sich eine Gesellschaft verändere, wenn hohe Arbeitslosigkeit herrsche und die Menschen das Gefühl haben, es gehe nicht gerecht zu. In vielen Ländern Europas herrsche derzeit hohe Arbeitslosigkeit und hohe Jugendarbeitslosigkeit, sagte der Kanzler und wies darauf hin, dass Österreich aktuell eine geringe Arbeitslosigkeit und die geringste Jugendarbeitslosigkeit der EU verzeichne. "Der einzelne ist schwach, miteinander sind wir stark", laute eine Erkenntnis Anton Benyas, die man auch bei der Bewältigung der aktuellen Probleme in der Europäischen Union wichtig sei, sagte der Bundeskanzler. Faymann wies darauf hin, dass viele Menschen in Osteuropa noch mit sehr wenig Geld auskommen müssen und die Arbeitslosigkeit in Südeuropa erschreckend hoch sei. Große aktuelle Bedeutung habe auch Anton Benyas Wertschätzung für eine gute Facharbeiterausbildung. Persönlich würdigte Werner Faymann Anton Benya als einen bodenständigen Mann, der klar gesprochen und für andere immer Respekt bekundet hat. "Das sind Werte, mit denen er bis heute ein Vorbild für uns darstellt.

Leitl: Anton Benya ist heute ein Vorbild für uns alle

Auch der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, Christoph Leitl, sah in Anton Benya eine Persönlichkeit, die auch heute Orientierung geben könne. Österreich sei heute keine "Insel der Seligen" mehr und habe weniger nationale Souveränität als zu Zeiten des Anton Benya. Anton Benya würde aber sehr viel Freude damit haben, wie sich Österreich entwickelt hat, zeigte sich Leitl überzeugt. Zur Zeit Benyas wurden in Österreich 400.000 Arbeitsplätze geschaffen, seit damals weitere 700.000 Jobs. Heute würde Anton Benya der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Österreich sowie der Flexibilität, der Innovationskraft und der Ausbildung der jungen Menschen höchsten Stellenwert beimessen, sagte Leitl.

Ihm habe Benya den Satz mit auf den Weg gegeben: "Die Sozialpartnerschaft hat Österreich groß gemacht und ist ein Wert für die zukünftigen Generationen", berichtete Leitl und fügte hinzu, Benya hätte auch viel Freude mit dem großen Vertrauen gehabt, das die Sozialpartnerschaft im heutigen Österreich genießt. Die Problemlösungskraft der Sozialpartnerschaft unterstrich Präsident Leitl auch im Hinblick auf die aktuellen europäischen Probleme und sprach sich für die Mitwirkung der Sozialpartner an der Entwicklung einer vertieften Zusammenarbeit an der Europäischen Union aus. Ohne die Expertise der Sozialpartner wird eine vertiefte Zusammenarbeit in Europa nicht möglich sein, meinte Leitl. Anton Benya war und ist ein Vorbild. Bescheidenheit, Solidarität und Anstand haben ihn ausgezeichnet. "Er war damals ein Vorbild für viele, heute ist er ein Vorbild für uns alle."

Neugebauer: Wer miteinander lebt, muss miteinander reden 

Der Zweite Präsident des Nationalrates, Fritz Neugebauer, berichtete von persönlichen Begegnungen mit Anton Benya und teilte das Urteil des Politologen Anton Pelinka, der Benya als "konservativen Pragmatiker" bezeichnete. Benyas Grundsatz habe gelautet, "wer miteinander leben will, muss auch miteinander reden". Neugebauer bewunderte, wie sich Anton Benya in der Sprache selbst treu geblieben sei, wie er es verstanden habe, sich einfach auszudrücken und Probleme mit Hausverstand zu analysieren. Benya habe seine Funktionen und Ämter mit einem "beamtenhaften Pflichtbewusstsein" ausgeübt und der Verlässlichkeit und der Pünktlichkeit hohen Wert beigemessen. Er sei zu einer Inkarnation der Sozialpartnerschaft geworden und habe sich auch in harten Verhandlungen immer bemüht, den Partner nicht das Gesicht verlieren zu lassen. Fritz Neugebauer erzählte auch, was "Handschlagqualität" bei Anton Benya bedeutet habe, wie sehr sich Benya als Gewerkschafter für Fortbildung begeistern konnte und wie wichtig ihm der Kontakt und das intensive Gespräch mit den Betriebsräten gewesen sei. Anton Benya stehe in einer Reihe mit den großen Persönlichkeiten der Zweiten Republik, schloss Zweiter Präsident Neugebauer.

Edlinger: Das grün-weiße Herz Anton Benyas 

Der Präsident des Sportklubs Rapid, ehemalige Finanzminister und Parlamentarier, Rudolf Edlinger, beleuchtete eine andere Seite im Leben Anton Benyas, nämlich dessen große Leidenschaft für den Fußballsport. Anton Benya, in seiner Jugend selbst Fußballer, war Zeit seines Lebens Anhänger und auch Präsident und schließlich Ehrenpräsident des SK Rapid. An diesem Arbeiterfußballverein im Westen Wiens hatte ihm immer der Kampfgeist imponiert, mit dem die Mannschaft in den grün-weißen Dressen oft noch am Ende eines Matches, in der berühmten "Rapid-Viertelstunde" ein verloren geglaubtes Spiel gewinnen konnte. Edlinger würdigte die Leistungen des Klubpräsidenten Anton Benya für Rapid und hob dessen Großzügigkeit bei der persönlichen Unterstützung des Vereins in schweren Zeiten hervor.

Foglar über den ersten Vertrauensmann der Nation

"Der Blick in die Vergangenheit hat nur dann einen Sinn, wenn er uns hilft, die Aufgaben der Gegenwart zu bewältigen und Kräfte für die Zukunft freizumachen", zitierte ÖGB-Präsident Erich Foglar seinen Amtsvorgänger. Aus Benyas Wirken hob Foglar die Weiterentwicklung der Arbeitsverfassung und die Verabschiedung des Nachtschichtschwerarbeitsgesetzes sowie die Abschaffung der Lohngruppen für Frauen in den Kollektivverträgen hervor. Foglar erinnerte an das Credo des Gewerkschafters Anton Benya, Lösungen am Verhandlungstisch herbeizuführen, den Konflikt aber, wenn nötig, nicht zu scheuen. Auch Foglar unterstrich das Bemühen Benyas um eine tragfähige Gesprächsbasis mit allen Verhandlungspartnern und betonte Benyas Leistungen bei der Aussöhnung mit der katholischen Kirche, an seinen Beitrag zur Fristenlösung und an sein Bemühen, Gräben zwischen dem ÖGB und dem Bundesheer zuzuschütten. Anton Benya hat nicht zufällig als "Betriebsrat der Nation" und als "Erster Vertrauensmann" gegolten. Das Gespräch mit den Menschen sei ihm immer wichtig gewesen und darin sei er auch heute ein großes Vorbild. Für Anton Benya war es ein großer Wert, in einer demokratischen Gesellschaft zu leben und daher habe er es immer als wichtig betrachtet, für die Demokratie und gegen Faschismen aller Art anzukämpfen.

Für die musikalische Umrahmung der Feierstunde sorgten Karl Hodina und Rudolf Koschelu mit alten, teils auch sozialkritischen Wienerliedern, wie sie Anton geliebt und gerne selbst gesungen hat. (Schluss)

Fotos von dieser Veranstaltung finden man auf der Homepage des Parlaments im Fotoalbum.