Parlamentskorrespondenz Nr. 940 vom 20.11.2012

Knackpunkte im EU-Budget: Rabatt und Förderung des ländlichen Raums

EU-Hauptausschuss diskutiert mehrjährigen Finanzrahmen 2014-2020

Wien (PK) – Die österreichische Bundesregierung wird sich für die Beibehaltung des EU-Rabatts sowie für die weitere substanzielle Förderung des ländlichen Raums im Rahmen des kommenden mehrjährigen EU-Finanzrahmen 2014-2020 einsetzen, bekräftigten sowohl Bundeskanzler Werner Faymann als auch Vizekanzler Michael Spindelegger im heutigen EU-Hauptausschuss, der im Vorfeld des Europäischen Rats am 22. und 23. November tagt. Wenn es bei diesen beiden Punkten keine Bewegung gibt, dann könne man dem Budget nicht zustimmen, machten beide klar. Ziel sei es jedoch, so der Bundeskanzler, ein Ergebnis zustande zu bringen, das es erlaubt, Umschichtungen dort vornehmen zu können, wo man es für notwendig erachtet. Ratspräsident van Rompuy hat Spindelegger zufolge einen neuen Vorschlag angekündigt, derzeit liege aber noch nichts vor.

Faymann machte keinen Hehl daraus, dass er angesichts der aktuellen Situation und der vorliegenden Papiere besorgt ist. Ihm sei eine gute Einigung wichtiger als ein rasches aber schlechtes Verhandlungsergebnis, erklärte er. Er wäre auch nicht überrascht, wenn beim kommenden Gipfel noch keine Entscheidungen fallen, sondern sich die Verhandlungen bis ins nächste Jahr hinziehen, sagte er, das Ganze müsse jedoch bis 2014 stehen. Selbstverständlich könne man auch mit jährlichen Beschlüssen leben, aber es liege im österreichischen Interesse und vor allem auch der österreichischen Wirtschaft, mehr Berechenbarkeit und Planbarkeit in Hinblick auf die Investitionen zu haben.

Die Ausgangslage für die österreichische Position bei den Verhandlungen sei ja eine durchaus erfreuliche, erläuterte die Regierungsspitze, da man gute wirtschaftliche Kennzahlen vorweisen könne, die besser seien als die der anderen Nettozahler. Darüber hinaus sei es Österreich gelungen, mit der Kofinanzierung, aber auch durch gut vorbereitete und durchgerechnete Projekte die EU-Förderungen optimal auszunützen und damit ein besseres Verhältnis bei den Rückflüssen zu erzielen. Es gehe jedoch nicht an, dass man für die Anstrengungen zur Konsolidierung und Bewältigung der Krise sowie für die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen bestraft werde. Es sei auch nicht akzeptabel, dass andere Länder wie Großbritannien, Deutschland, Niederlande und Schweden ihren Rabatt weiter behalten können, nur Österreich nicht, hielten Faymann und Spindelegger unisono fest.

Die Förderung des ländlichen Raums habe deshalb auch Priorität, weil diese von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung ist, merkte Faymann an. Auch Vizekanzler Michael Spindelegger bezeichnete den Ansatz von Ratspräsident van Rompuy für nicht hinnehmbar, die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) so massiv zu kürzen. Anstatt die biologische Landwirtschaft und die Bergbauern zu fördern und die Entwicklung des ländlichen Raums zu unterstützen, begünstige der momentane Vorschlag massiv die große Agrarindustrie einiger Mitgliedstaaten, kritisierte Spindelegger. Das sei eine völlig falsche politische Ausrichtung, pflichtete ihm der Bundeskanzler bei.

Faymann: Höhere Beiträge sind in jedem Fall zu erwarten

Faymann unterstrich, man verliere selbstverständlich nicht die europäische Perspektive aus den Augen und werde darauf achten, wie viel für die Belebung der Konjunktur der angeschlagenen Wirtschaft in den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt werde. Der EU-Finanzrahmen könne durchaus einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung des Wirtschaftswachstums leisten, etwa durch Investitionen in die Infrastruktur, in Forschung und Entwicklung sowie in Bildung.

Der Regierungschef räumte in der Diskussion auch ein, dass auf Österreich in jedem Fall höhere Nettobeiträge zukommen werden. Auch wenn der Rabatt und die bisherige Förderung des ländlichen Raums bleiben und man durchschnittliche Rückflüsse dazurechnet, seien erhebliche Mehrleistungen zu erwarten, stellte der Kanzler unmissverständlich fest. Die Nettobeiträge in der Höhe von 0,37 % des BIP haben laut Faymann insofern eine sachliche Grundlage, als Österreich im Verhältnis zu den anderen Nettozahlern gut dastehe. Um diesen Anstieg abzufedern, sei es aber auch gerechtfertigt, die genannten Prioritäten - Rabatt und ländliche Entwicklung - einzufordern. Den Kritikern hielt er entgegen, dass Österreich von der EU mehrfach profitiere, nicht nur hinsichtlich der Rückflüsse, sondern auch bei der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, bei der Infrastruktur und bei weiteren nachrechenbaren Projekten. Man könne daher nicht so tun, als ob Österreich generell "Draufzahler" sei.

FPÖ und BZÖ für geringere EU-Beiträge

Die Position der Bundesregierung wurde von den Abgeordneten beider Koalitionsparteien unterstützt. Die Opposition zeigte sich hingegen weniger zufrieden. So sprach sich Abgeordneter Johannes Hübner im Namen der FPÖ für deutliche Einsparungen bei den Ausgaben der EU aus und wandte sich vor allem gegen das, wie er es nannte, "Subventionskarussell". Ein entsprechender Antrag auf Ausschussfeststellung wurde jedoch von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich abgelehnt.

Ähnlich argumentierte das BZÖ, und zwar in einem Antrag auf Stellungnahme. Abgeordneter Stefan Petzner spricht sich darin gegen Beitragserhöhungen aus, er kritisierte vor allem die aus seiner Sicht mangelnde Abstimmung innerhalb der Koalition. Sein Antrag blieb ebenfalls in der Minderheit.

Grüne für höheres EU-Budget

Keinen Erfolg hatten auch die Anträge der Grünen, die Abgeordneter Bruno Rossmann einbrachte. Seine Argumente unterschieden sich jedoch diametral von jenen der beiden anderen Oppositionsparteien, denn die Grünen sprechen sich vehement für eine schrittweise Aufstockung des EU-Haushalts aus, um diesen zu einem schlagkräftigen Instrument im Kampf gegen die Krise und die Arbeitslosigkeit zu machen. Der Grün-Mandatar zeigte deutlich seine Präferenz, langfristig ein zentrales EU-Budget von der Größenordnung der USA auf Basis eigener Einnahmen der Union zu erstellen. Im Gegenzug sollten nationale Beiträge und das intransparente Rabattsystem abgeschafft werden. Diese Initiative erhielt keine Unterstützung von den anderen Fraktionen.

Auch sein Vorstoß, Brüssel als einzigen Sitz für das Europäische Parlament festzulegen, blieb in der Minderheit, wobei die anderen durchaus Sympathien dafür zeigten. Die verschiedenen Sitze des EU-Parlaments seien im Primärrecht verankert, erläuterte Vizekanzler Spindelegger, und dafür bedürfe es einer Vertragsänderung. Er wies auch darauf hin, dass der britische Rabatte im Primärrecht festgelegt ist.

SPÖ: Mittel gezielt für Wachstum und Beschäftigung einsetzen

Volle Unterstützung für die Position der österreichischen Regierungsmitglieder signalisierte SPÖ-Klubobmann Josef Cap, der darauf hinwies, dass das österreichische Modell immer mehr zum Vorbild für andere Staaten werde. Österreich müsse sich vor allem in die Verteilungsdebatte im Rahmen der EU-Haushaltsdiskussion einbringen und für eine positive Entwicklung aller Regionen in der EU eintreten. Dies sei notwendig, um die Konkurrenzfähigkeit des EU-Raums gegenüber den anderen Wirtschaftsräumen zu sichern, argumentierte er. Das EU-Budget müsse daher einen besonderen Schwerpunkt auf Wachstum und Beschäftigung legen. Leichte Kritik übte Cap an EU-Kommissar Hahn, der in der Kommission den für Österreich nachteiligen Beschlüssen zugestimmt hat. Dem entgegnete der Vizekanzler, Hahn habe als Mitglied der Kommission die Verpflichtung, die europäischen Gesichtspunkte wahrzunehmen.

Ähnlich wie Cap äußerte sich auch seine Klubkollegin Christine Muttonen. Maxime bei den Haushaltsverhandlungen müsse es sein, eine stabile und handlungsfähige EU zu erhalten, die auch in Zukunft Wohlstand, Sicherheit und Frieden bieten kann. Daher habe man den zukünftigen EU-Haushalt so auszurichten, dass er die Herausforderungen, wie Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastrukturprojekte, aber auch in nachhaltige Arbeits- und Beschäftigungsmaßnahmen berücksichtigt. Insbesondere sprach sich Muttonen für eine Jugendgarantie aus.

Es gehe nun darum, die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise zu überwinden und die gemeinsame Währungszone zukunftsfähig zu machen, führte sie weiter aus. Die Möglichkeit zu Einsparungen sieht die SPÖ-Mandatarin vor allem in der Verwaltung und bei der Reduktion der Großbauernförderung. Als einen wichtigen Punkt bei der Finanzierung des Haushalts erachtete sie aber auch die Finanztransaktionssteuer.

Entscheidend sei nicht nur, über wie viel Geld die EU verfügt, sondern auch, was mit dem Geld passiert und welche Wirkung damit erzielt werden soll. Diese Klarstellung forderte Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) vor allem von Vizekanzler Michael Spindelegger. Krainer führte darüber hinaus ins Treffen, dass die Förderungen für große Betriebe gedeckelt werden können, womit man dann auch die Mittel aus der zweiten Säule stabil halten könnte. Gegenüber einer derartigen Flexibilität zeigte sich der Vizekanzler jedoch skeptisch.

ÖVP: Reduktion der 2. GAP-Säule wäre Belastung des heimischen Budgets

Eine Lanze für die weitere ausreichende Förderung des ländlichen Raums brach Abgeordneter Hermann Schultes (V). Wenn man hier reduziere, dann werde sich in doppelter Schärfe eine Belastung für das österreichische Budget ergeben, warnte er. Er halte daher die harte Verhandlungslinie der Bundesregierung für absolut richtig. Der kalte Marktmechanismus habe die Landschaft ohnehin grob verändert, mit der ländlichen Entwicklung habe Österreich gezielt mit Umweltprogrammen, Investitionsförderungen und der Finanzierung von Naturschutz gegengesteuert. Ergebnis sei ein intakter ländlicher Raum, gutes Grundwasser, bessere Umwelt und eine wachsende biologische Landwirtschaft, argumentierte er und wies auf die zusätzliche Wertschöpfung im ländlichen Raum hin.

Auch Abgeordneter Martin Bartenstein (V) teilte die harte Linie Faymanns und Spindeleggers. Die Bundesregierung müsse seitens des Parlaments jegliche Unterstützung erfahren, um die Verhandlungsposition hinsichtlich der Beibehaltung des Rabatts und der Fortführung einer gerechten Förderung des ländlichen Raums zu stärken. Es sei besser, ein gutes Ergebnis einzufahren, als einen raschen nachteiligen Abschluss zu erzielen, monierte er.

FPÖ: Subventionskarussell beenden

Die guten österreichischen Daten seien kein Grund dafür, dass wir dem System Schaden zufügen, leitete Abgeordneter Johannes Hübner (F) seine Stellungnahme ein. Offensichtlich habe man für eine starke zweite Säule der GAP keine Mehrheit mehr in Europa, meinte er und hielt es durchaus für sinnvoll, die Nachteile des ländlichen Raums auf regionaler und nationaler Ebene zu lösen. Unser Ziel könne es nicht sein, das Subventionskarussell am Leben zu erhalten, so Hübner. Die österreichischen Bemühungen sollten daher Hübner zufolge in Richtung Rückgewinnung von mehr nationaler Kompetenz gehen.

Er sprach sich dezidiert gegen höhere Beiträge an die EU aus und kritisierte scharf, dass Ratspräsident van Rompuy nur bei den Erhöhungen gekürzt habe, nicht aber beim Budget selbst. Dessen Vorschlag bedeute eine Erhöhung um rund 20 %, was nicht zu akzeptieren sei, denn wenn nationale Budgets konsolidiert werden müssen, sei es recht und billig, auch das EU-Budget einzufrieren, meinte er. Hübner zeigte daher große Sympathien für die Position Großbritanniens. Sein Klubkollege Andreas Karlsböck stellte die Frage in den Raum, ob man tatsächlich daran denke, das Budget ohne Großbritannien zu beschließen. Seine Einschätzungen der Situation in Griechenland waren düster.

BZÖ: Regierung braucht endlich einheitliche Positionierung

Harsche Kritik an der Vorgangsweise Österreichs hagelte es seitens des BZÖ-Abgeordneten Stefan Petzner. Die Regierung verfüge über keine abgestimmte einheitliche Position und das ist seiner Ansicht nach Ursache dafür, dass man Österreich als einzigem Land den Rabatt streichen möchte. Wie Abgeordneter Cap zuvor, hielt er die Position von Kommissar Hahn für nicht nachvollziehbar, außerdem würden österreichische EU-Abgeordnete ebenfalls querschießen. Sogar Staatssekretär Andreas Schieder habe es für notwendig erachtet, eine einheitliche Position vor allem innerhalb der ÖVP einzufordern. Petzner mahnte daher eine einheitliche starke Positionierung ein.

Abgesehen davon bezeichnete er die Steigerung der EU-Verwaltungsausgaben um 10 % als inakzeptabel. Petzner sprach in diesem Zusammenhang von einem "Koloss".

Grüne: EU-Haushalt gezielt im Kampf gegen Krise einsetzen

Völlig anders fiel die Stellungnahme der Grünen Ausschussmitglieder aus. Für Abgeordneten Bruno Rossmann gehen die Vorschläge der Kommission, der zypriotischen Ratspräsidentschaft und des Ratspräsidenten van Rompuy ebenfalls in die falsche Richtung. Am stärksten von den Kürzungen seien nämlich intelligentes und integratives Wachstum, Forschung und Entwicklung, Bildung, KMUs und Infrastruktur betroffen, kritisierte er. Das sei kontraproduktiv und daher abzulehnen. Im Kontext der Krise sei es vielmehr geboten, den EU-Haushalt gezielt im Kampf gegen die Krise einzusetzen, mehr Geld für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zur Verfügung zu stellen und im Sinne eines "Green New Deal" nötige Ökoinvestitionen zu tätigen, mahnte Rossmann ein. Es sei dringend notwendig, die Mittel innerhalb des EU-Budgets stärker umzuschichten und ein transparentes Finanzierungssystem zu schaffen. Konkret forderte Rossmann, den EU-Haushalt vollständig durch Eigenmittel zu finanzieren, er unterstützte auch dezidiert die Position des EU-Parlaments, den mehrjährigen Finanzrahmen von 2014-2020 um zumindest 5 % zu erhöhen.

Auch Abgeordneter Werner Kogler (G) hätte nichts gegen eine Verdoppelung des Unionsbudgets bei gleichzeitiger entsprechender Verringerung nationaler Beiträge. Das derzeitige Feilschen aus nationalstaatlicher Sicht bezeichnete er als "erbärmlich". Kogler hielt die zweite Säule der Agrarpolitik für wichtig und notwendig, eine Perversion stellt aus seine Sicht jedoch die Unterstützung der großindustriellen Landwirtschaft und damit der Überproduktion dar. Denn dafür müsse man Lager anlegen, die wiederum subventioniert werden, erläuterte er. Kogler kritisierte auch die Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit. (Schluss)