Parlamentskorrespondenz Nr. 232 vom 20.03.2013

Spekulationsverbot lässt noch auf sich warten

Hitziger Schlagabtausch im Nationalratsplenum

Wien (PK) – Das Verbot für alle öffentlichen Hände, mit Steuergeldern zu spekulieren, stand heute zwar nicht auf der Tagesordnung des Nationalrats, dennoch beherrschte es am Vormittag die Diskussion. Im Rahmen einer vom BZÖ verlangten groß angelegten und äußerst kontrovers ablaufenden Einwendungsdebatte stellte die Opposition klar, dass ihr die vorliegenden gesetzlichen Formulierungsvorschläge nicht weitreichend genug sind.

Hintergrund ist, dass der Budgetausschuss einen Bericht über die betreffenden Gesetzesentwürfe - Finanz-Verfassungsgesetz, Vereinbarung nach Art. 15a B-VG mit den Bundesländern sowie Novellen zum Bundeshaushaltsgesetz und zum Bundesfinanzierungsgesetz – verfasst hat, die verfassungsrechtlich notwendige Zweidrittelmehrheit aber dort nicht zustande gekommen ist. Auch die weiteren Verhandlungen zwischen Regierungsfraktionen und Oppositionsparteien haben bislang zu keiner Einigung geführt, sodass das erforderliche Quorum bei einer Abstimmung im Plenum nicht erreicht würde.

Trotzdem beharrte die Opposition darauf, das Thema zu behandeln und nochmals an den Budgetausschuss zurückzuverweisen. Sie konnte sich aber mit ihrer Forderung, die Tagesordnung zu ergänzen, gegen die Mehrheit von SPÖ und ÖVP nicht durchsetzen.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Abgeordneter Josef BUCHER (B) stellte klar, mit dem Geld der Steuerzahlerinnen sollte in Zukunft nicht mehr spekuliert werden dürfen, weder beim Bund noch in den Ländern, Städten und Gemeinden. Er trat namens seiner Fraktion mit Nachdruck für eine diesbezügliche verfassungsgesetzliche Regelung ein und bezeichnete das Verhalten der Regierungsparteien und insbesondere auch der FPÖ als unverständlich. Die dringende Notwendigkeit eines Spekulationsverbots sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene leitete Bucher auch aus der Bankenkrise und der aktuellen Situation in Zypern ab, wobei er den Regierungen vorwarf, immer wieder vor den Großbanken in die Knie zu gehen.

Abgeordneter Kai Jan KRAINER (S) sah im Spekulationsverbot eine langjährige Forderung der SPÖ und betonte, die Sozialdemokratinnen seien einer Lösung nicht im Wege gestanden. Man habe sich mit den anderen Parteien bereits zu 95 % geeinigt, strittig sei bloß noch die Frage der Buchhaltungsregeln. Krainer plädierte in diesem Punkt für ein pragmatisches Vorgehen und gab zu bedenken, man könne die diesbezüglichen Regeln nicht in vier Wochen übers Knie brechen und in ein Gesetz gießen. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass es bei der nächsten Sitzung gelingen werde, zu einer Einigung zu kommen, und rief die anderen Parteien dazu auf, konstruktiv mitzuarbeiten und sich nicht gegenseitig die Schuld zuzuweisen.

Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) verlangte eine Rückverweisung der Materie an den Ausschuss und eine Beratung mit ExpertInnen. Die FPÖ bekenne sich zu einem nachhaltigen Spekulationsverbot, betonte er, kritisierte allerdings, die derzeitige Version sei bloß ein Freifahrschein für die Landeshauptleute und enthalte zu viele Kann-Bestimmungen.

Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) warf der FPÖ vor, ein bereits getroffenes Verhandlungsergebnis aus parteitaktischen Gründen abzulehnen und damit jede politische Glaubwürdigkeit zu verlieren. Bund, Länder und Gemeinden sind laut Kopf darin einig, Spekulationen verfassungsrechtlich auszuschließen. Es sei aber auch klar, dass man das Haushaltsrecht des Bundes nicht 1:1 auf Länder und Gemeinden übertragen könne, sondern abgestufte Regeln brauche, um eine Überbürokratisierung zu vermeiden. Das brauche Festlegungen und weitere Gespräche, hielt Kopf fest. Das Ergebnis, das dazu auf dem Tisch liege, nämlich Festlegung der Details bis Sommer 2014 und deren Umsetzung bis 2018 stelle einen sauberen Weg dar, der keine Hintertüren offen lasse – er könne nicht beschritten werden, weil die FPÖ heute umfalle.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) unterstützte demgegenüber die FPÖ und zeigte Verständnis dafür, dass sie in einer schwierigen Materie Abwägungen zu treffen habe. Das vorgeschlagene Spekulationsverbot hat aus Sicht der Grünen noch zu viele Löcher, sagte Kogler. Das Spekulationsverbot und die neuen haushaltsrechtlichen Vorschriften sollten nicht durch kompliziert ineinander verschachtelte Verweisungen auf verschiedenen Ebenen der Rechtsordnung umgesetzt werden. Die Grünen verlangen, die Inhalte und Grundsätze für ein Spekulationsverbot und für ein modernes Haushaltsrecht in der Verfassung festzuschreiben und alle dabei noch offen gelassenen Lücken zu schließen, sagte Kogler.

Abgeordnete Heidrun SILHAVY (S) betonte das Eintreten aller verantwortlichen Kräfte des Landes für ein Spekulationsverbot und warf dem BZÖ vor, nicht an Inhalten interessiert zu sein, sondern an taktisch motivierten Aktionen, wie sie Klubobmann Bucher schon lange angekündigt habe. Obwohl man sich in der Sache weitgehend geeinigt habe, zögen sich die Oppositionsparteien nunmehr auf eine Fundamentalopposition zurück, kritisierte die Rednerin und verlangte, auch im Nationalratsplenum jenen Weg zu gehen, den das Land Salzburg mit seinem bereits beschlossenen Spekulationsverbot bereits gegangen sei.

Abgeordneter Robert LUGAR (T) räumte ein, dass die Bundesländer in den Fragen eines Spekulationsverbots und bei der Umsetzung eines modernen Haushaltsrechts mitzureden haben. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass der Verfassungsgesetzgeber über diese wichtigen Fragen nicht diskutieren könne. Das Parlament sei keine Abstimmungsmaschine für Beschlüsse, die anderswo getroffen werden, sondern ein Ort des politischen Diskurses. Daher sei über die vorliegenden Vorschläge zu einem Spekulationsverbot im Nationalrat zu debattieren. Die BürgerInnen sollen sehen, wie Parlamentarismus funktioniert, indem über Vorschläge debattiert wird und diese aus vernünftigen Gründen beschlossen oder abgelehnt werden, meinte Abgeordneter Lugar.

Opposition will letzte Ungereimtheiten im Budgetausschuss ausräumen

Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V) hielt einmal mehr fest, dass niemand gegen ein Spekulationsverbot sei und es die Bundesländer gewesen seien, die als erste mit dem Bund eine 15a-Vereinbarung über ein Spekulationsverbot zur Vermeidung von Risiken sowie für volle Transparenz im Rechnungswesen unterschrieben haben. Es habe in weiterer Folge konstruktive Gespräche gegeben, erinnerte Stummvoll und machte auch auf Verbesserungsbeschlüsse im Budgetausschuss aufmerksam. Der Opposition, die die Beratungen schon im Ausschuss vertagen wollte und sie nun wieder dorthin zurückverweisen wolle, warf Stummvoll eine politische Zick-Zack-Linie vor. Vor den Verhandlern der FPÖ zeigte Stummvoll Respekt, sie genössen aber offenbar nicht das Vertrauen ihrer Klubführung, konstatierte er. "Wir sind nahe beisammen" unterstrich Stummvoll einmal mehr - was wir jetzt brauchen sind Verhandlungspartner mit tatsächlichem Verhandlungs-Pouvoir.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) wies den Vorwurf seines Vorredners zurück, die Opposition sei daran schuld, dass es nach wie vor kein Spekulationsverbot gibt. Der Bundesverfassungsgesetzgeber sei dafür verantwortlich, wie mit dem Geld der SteuerzahlerInnen, das vom Bund eingehoben wird, umgegangen wird. Jede Spekulation sei zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass die Finanzgebarung von Ländern und Gemeinden entsprechend kontrolliert werden könne. Diese Verhandlungen sollten nicht außerhalb des Parlaments, sondern dort geführt werden, wo dies verfassungsrechtlich vorgesehen sei, nämlich im Ausschuss und im Plenum, was im vorliegendem Fall bedeute, die Materie in den Ausschuss zurückzuverweisen um sie dort plenumsreif zu machen. Inhaltlich sprach sich auch Abgeordneter Scheibner dafür aus, das Spekulationsverbot nicht durch einen 15a-Vertrag, sondern durch ein Bundesgesetz umzusetzen.

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) mahnte vehement die Verantwortung der Opposition ein, wenn es darum gehe, Verfassungsmehrheiten in wichtigen Fragen wie einem Spekulationsverbot für alle öffentlichen Hände in Österreich herbeizuführen. An dieser Stelle warf Matznetter der FPÖ vor, aus parteipolitischer Taktik eine Vereinbarung nicht einzuhalten, die sie bereits getroffen habe. Matznetter unterstrich die Bereitschaft der SPÖ, auch weitergehenden Regelungen zuzustimmen, hielt aber zugleich fest, dass man die Regeln des Föderalismus einhalten und mit jenen reden müsse, die umzusetzen haben, was das Bundesparlament beschließt. Auch würden die Länder Zeit brauchen, um ein neues Haushaltsrecht einzuführen, sagte der Redner. Schließlich übte Matznetter heftige Kritik am Rechnungshof, dem er bei den Spekulationen in Salzburg "Kontrollversagen" vorwarf.

Abgeordneter Elmar PODGORSCHEK (F) wies den Vorwurf eines taktischen Verhaltens der FPÖ beim Thema Spekulationsverbot zurück. Der Redner räumte ein, dass die vorliegenden Vorschläge inhaltlich in Ordnung seien. Es gebe aber noch unklare Punkte, wobei er auf rechtliche Fragen bei der Umsetzung des Spekulationsverbots aufmerksam machte und sich daher für eine Rückverweisung der Materie an den Ausschuss aussprach. Zu klären sei etwa die Verbindlichkeit einer Entschließung des Nationalrates für eine neue Regierung nach dem Ende der laufenden Gesetzgebungsperiode. Es sei zu verhindern, dass "Kann-Bestimmungen" unter geänderten politischen Bedingungen zu totem Recht werden. Diese letzten Unklarheiten sollten im Ausschuss ausgeräumt werden, meinte Abgeordneter Podgorschek.

Wie kann eine sichere "Firewall" gegen Spekulationen gewährleistet werden?

Abgeordneter Werner AMON (V) sprach sein Bedauern darüber aus, dass nach konstruktiv geführten Verhandlungen nunmehr Einwendungen vorliegen. Eine 15a-Vereinbarung mit den Ländern sei kein "Teufelszeug", formulierte Amon pointiert und erinnerte daran, dass Österreich nach wie vor ein Bundesstaat sei, in dem die Länder legitimerweise eigene Interessen vertreten. Inakzeptabel sei es für ihn aber, inhaltliche Vereinbarungen zu treffen und sich dann nicht daran zu halten, sagte Amon in Richtung FPÖ. Das Spekulationsverbot sei im Ausschuss beraten worden, es wurde dort plenumsreif gemacht, es wäre ein "Treppenwitz", es nun wieder in den Ausschuss zurückzuverweisen.

Abgeordneter Bruno ROSSMANN (G) erinnerte daran, dass bei den Ausschussberatungen zum Spekulationsverbot keine inhaltliche Debatte geführt worden sei und drängte darauf, diese Debatte unter Beiziehung von ExpertInnen zu führen. Die sei notwendig, um die Lücken in der angestrebten "risikoaversen Finanzgebarung" bei allen öffentlichen Händen zu schließen und auch auszuschließen, dass im "Kasino Pröll" weiterhin mit Veräußerungserlösen und Wohnbaugeldern spekuliert werden könne. Daher gehören die Grundsätze für ein Spekulationsverbot ebenso in die Verfassung wie die Grundsätze für ein modernes Rechnungswesen auch bei Ländern und Gemeinden, schloss Abgeordneter Rossmann.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) bekundete die Bereitschaft seiner Fraktion, den vorliegenden Vorschlägen für ein Spekulationsverbot und für gemeinsame haushaltsrechtliche Grundsätzen für den öffentlichen Sektor auch im Zweifel zuzustimmen. Widmann wies es aber entschieden als Unterstellung zurück, wenn Abgeordneter Matznetter dem Rechnungshof bei den Spekulationen des Landes Salzburg "Kontrollversagen" vorwirft. An dieser Stelle erinnerte Widmann daran, dass die ÖBB alljährlich mehr für Marketing ausgeben könne als der Rechnungshof für die Erfüllung seiner Kontrollaufgaben.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) machte darauf aufmerksam, dass der Gesetzentwurf für ein Spekulationsverbot nicht auf der Tagesordnung stehe. Da dieser Gesetzentwurf einen legistischen Pfusch darstelle, weil die in Aussicht genommene Abänderung nicht vorliege, sei seriöse Arbeit gefragt und dafür zu sorgen, dass der Entwurf den Ausschuss nicht verlasse, bevor eine Mehrheit auch im Plenum sichergestellt sei. Um den Verhandlungsprozess seriös zu beenden, sei eine Rückverweisung in den Ausschuss notwendig. Der vorgeschlagene Entschließungsantrag sei weitestgehend in Ordnung. Zuzustimmen sei aber erst, wenn es gelinge, die legistische Kette Verfassung - einfaches Gesetz – Durchführungsbestimmungen vom Bund zu den Ländern und Gemeinden zu schließen, meinte Fichtenbauer.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) betonte, die Lebhaftigkeit der Debatte entspreche dem Anlass, da es um Milliarden an Steuergeldern aus Wohnbaugeldern gebe. Diese Mittel müssten zweckgebunden eingesetzt und dürften nicht, wie in Salzburg und Niederösterreich geschehen, für Spekulationsgeschäfte verwendet werden. Allein Salzburg habe 440 Mio. € der Bundesfinanzierungsagentur hochspekulativ veranlagt. Das Spekulationsverbot dürfe keine Schlupflöcher offen lassen. Veräußerungserlöse aus dem Verkauf von Wohnbaudarlehen wären aber derzeit vom Spekulationsverbot ausgenommen, konstatierte Moser. Ein Spekulationsverbot müsse eine klare "Firewall" gegen Spekulation auf Länder- und Gemeindeebene bilden und dazu klare Grundsätze in der Verfassung verankern, sagte Moser und appellierte an alle Fraktionen, in diesem Sinne an dem Gesetz weiterzuarbeiten.

Das von Abgeordnetem Bucher gestellte Verlangen nach Ergänzung der Tagesordnung blieb schließlich in der Minderheit der Oppositionsparteien und wurde abgelehnt. (Schluss Einwendungsdebatte/Fortsetzung Nationalrat) red