Parlamentskorrespondenz Nr. 50 vom 29.01.2014

Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit

Aktuelle Europastunde im Nationalrat

Wien (PK) – Die kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament am 25. Mai warfen in der heutigen Nationalratssitzung ihre Schatten voraus. Die Abgeordneten nahmen die von der SPÖ vorgeschlagene Aktuelle Europastunde zum Thema "Duales Ausbildungssystem, Ausbildungsgarantie – Österreich als Beispiel für Europa" zum Anlass, nicht nur zu dieser speziellen Frage Stellung zu nehmen, sondern auch allgemeine Anmerkungen über die Zukunft der Europäischen Union zu machen.

So wünschte sich beispielsweise Abgeordneter Josef Cap (S) ein "besseres und anderes Europa", in dem ein Politik- und Mentalitätswechsel vor allem im Rahmen der EU-Kommission Platz greift. Cap warnte insbesondere vor einer Politik des Kaputtsparens, die Massenarbeitslosigkeit und Perspektivenlosigkeit nach sich ziehe und damit eine Basis für Diktaturen aufbereite. Viel mehr forderte er aktive Schritte der EU in Richtung Beschäftigung und Wachstum sowie Erhalt der sozialen Standards. Die EU müsse sich auch für eine ökonomische Weltordnung stark machen, um Armutsmigration einzudämmen, sie müsse Schritte gegen den Klimawandel setzen und die Herausforderungen des digitalen Zeitalters annehmen. Dazu bedürfe es einer starken Währung, effektiver Schritte gegen Finanzspekulationen sowie Maßnahmen, damit Banken wieder mehr für die Realwirtschaft tun.

Cap wandte sich damit gegen all jene Stimmen, die sich pauschal gegen die EU aussprechen und für einen Austritt aus der gemeinsamen Währung plädieren. Ein ähnliches Plädoyer für Europa hielt auch ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Die Rückkehr zu 28 verschiedenen Währungen sei für die Volkspartei keine Option, zumal Österreich mit seiner exportorientierten Wirtschaft auf Stabilität angewiesen sei. 6 von 10 Euro würden von österreichischen Unternehmen durch den Export verdient, 70 % der Exporte gingen in den Euroraum, rechnete Lopatka vor. Er verteidigte in diesem Zusammenhang vor allem die Politik der deutschen Bundesregierung unter Angela Merkel, die für Stabilität sorge. Lopatka unterstrich ferner die Notwendigkeit offener Grenzen für die Wirtschaft, gleichzeitig gab er vor dem Hintergrund der gewalttätigen Demonstrationen rund um den Akademikerball zu bedenken, dass man, wenn notwendig, auch Hindernisse einbauen müsse.

Die beiden Wortmeldungen veranlassten den FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz den beiden Regierungsparteien SPÖ und vor allem ÖVP vorzuwerfen, Denkverbote auszusprechen. Er sei derzeit zwar nicht für einen Austritt aus dem Euro, sagte er, gleichzeitig zeigte er sich aber überzeugt davon, dass es mit der gemeinsamen Währung weiter bergab gehen werde. Sein Klubkollege Bernhard Themessl verwies in diesem Zusammenhang auf die guten Arbeitsmarkt-, Beschäftigungs- und Budgetdaten der Schweiz.

Birgit Schatz von den Grünen forderte wiederum allgemein ein, Instrumente wie die Aktuelle Europastunde für europarelevante Themen zu benützen, wie etwa das Freihandelsabkommen mit den USA oder den Wettbewerbspakt. Sie vermisste dazu ausreichende Informationen und eine klare Positionierung der Bundesregierung.

Stronach verabschiedet sich aus dem Parlament

Frank Stronach (T) nützte die Gelegenheit, sich vom Hohen Haus als Abgeordneter zu verabschieden. Ihm sei es ein Anliegen gewesen, mit seiner Partei das System in Österreich zu ändern und als Politiker ganz bei der Sache zu bleiben. Letzteres sei ihm aber nicht immer gelungen, gab er zu. Auf sein Team im Parlament sei er stolz, merkte er mit Zuversicht für die Zukunft des Team Stronach an. Generell kritisierte er, dass sich der Schwerpunkt zunehmend von der Realwirtschaft zur Finanzwirtschaft verschiebe, obwohl nur die Realwirtschaft mit gut ausgebildeten ArbeitnehmerInnen Wohlstand schaffen könne. Einmal mehr warnte er vor den negativen Konsequenzen einer überbordenden Verwaltung.

Europäische Herausforderungen

Zum zentralen Thema der Aktuellen Europastunde stellte Bundeskanzler Werner Faymann fest, der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit habe viele Facetten. Jugendarbeitslosigkeit sei nicht nur ein Phänomen armer Länder, sondern durchaus auch reicher Staaten. Österreich stehe im europäischen Vergleich mit seinem dualen Ausbildungssystem und der Ausbildungsgarantie gut da, trotzdem sei alles zu tun, um für ein ausreichendes Wirtschaftswachstum zu sorgen, damit man sich nicht an hohe Arbeitslosenquoten gewöhnt. Es sei wichtig, von der Arbeit auch leben zu können, betonte der Kanzler, alles andere sei persönlich und gesellschaftlich unerträglich. Nachdem man Schutzschirme mit Hilfe hoher Steuermittel eingerichtet hat, um Banken zu retten, sei es nun vordringlichste Aufgabe, mit dem selben Einsatz gegen die Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Faymann sprach in diesem Zusammenhang die sich mehr und mehr ausbreitenden prekären Arbeitsverhältnisse und das Lohndumping an, er trat auch vehement für effiziente Maßnahmen gegen den Steuerbetrug und für die Einführung der Finanztransaktionssteuer ein und bekräftigte, in diesem Sinne eine aktive Europapolitik betreiben zu wollen. Darin wurde er von Christine Muttonen (S) unterstützt, die, wie ihre Klubkollegin Sabine Oberhauser, die wichtige Rolle der Sozialpartnerschaft unterstrich und betonte, dass Österreich in der aktiven Beschäftigungspolitik zu einem Vorbildung und Ideengeber für Europa geworden sei.

Um in allen Ländern diese Verbindung der praxisorientierten Ausbildung mit theoretischem Wissen durchsetzen zu können, brauche man makroökonomische Maßnahmen, warf Angelika Rosa Mlinar von den NEOS ein, denn viele Länder könnten aufgrund ihrer konjunkturellen Schwierigkeiten nicht ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Mlinar rief daher zu einem europäischen Schulterschluss auf, um einen gemeinsamen Wirtschaftsraum und Arbeitsmarkt zu schaffen. Große Hoffnungen setzte sie in das Programm Erasmus Plus, in dessen Rahmen nun auch ein größerer Fokus auf die Mobilität der Lehrlinge gelegt wird.

Mangelnde Schulausbildung ist großes Problem

In der Debatte ging es jedoch nicht nur um diese Vorbildfunktion innerhalb der EU, die Abgeordneten artikulierten auch die Notwendigkeit, in Österreich selbst Reformen vorzunehmen. Die Kritik richtete sich in vielen Redebeiträgen gegen die mangelnde Schulausbildung. Viele Schulabgänger beherrschen die Grundfähigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen nur mangelhaft, warnte etwa der Bildungssprecher der Grünen Harald Walser. Da ist Alarm angesagt, formulierte er und verlangte eine grundlegende Schulreform. Das sinkende Image der Lehre hält er für hausgemacht, die Kontrollen bei der Lehrlingsausbildung seien entfallen, es fehlten zunehmend Ausbildungsplätze und in naher Zukunft werde sich der Facharbeitermangel weiter verschärfen, warnte er und vermisste Aussagen der Regierung, wie man diesem Problem entgegen wirken könne. Ebenso drängte Birgit Schatz (G) darauf, bei der Lehrlingsausbildung wieder mehr auf Qualität zu achten. Sie meinte aber, dass die Lehre die Jugendarbeitslosigkeit nur teilweise bekämpfe und vielmehr das Problem nach hinten zu den 19- bis 25-jährigen verschiebe. Auch die SPÖ-Politikerin Sabine Oberhauser ortete das Problem in der schulischen Ausbildung. Man müsse nachjustieren und die Frage beantworten, was die Schule den Kindern bringen soll. Oberhauser glaubt jedoch, dass auch ein Umdenken in den Köpfen der Eltern notwendig sein werde, um das Image der Lehre wieder zu heben. Walter Rosenkranz (F) bezeichnete es sogar als einen Skandal, dass sich heutzutage die betrieblichen Ausbildungsstätten gezwungen sehen, die Volksschulbildung nachzuholen. Oberhauser (S) zeigte sich jedoch erfreut darüber, dass Europa nun selbst Geld in die Hand nimmt, um den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit aufzunehmen, zumal eine Generation mit Perspektivenlosigkeit das Feld für Gewalt und Unruhen aufbereite.

SPÖ und ÖVP fehle die Fantasie, um das Image der Lehre zu verbessern und den Druck auf die Lehre zu nehmen, meinte Klubobmann Matthias Strolz (N). Den NEOS zufolge müsse man angesichts der hohen Drop-out Quoten in den AHS und BHS, aber auch in den berufsbildenden mittleren Schulen die Laufbahn- und Berufsberatung mit entschlossenen Schritten verbessern. Er sah eine massive Fehlleitung der Jugendlichen im österreichischen Schulsystem, auch aufgrund der Werbungen der einzelnen Schulen, und sprach sich für eine Berufsakademie aus, die in das duale Ausbildungssystem eingebunden werden sollte. Bernhard Themessl wiederum trat für die Wiedereinführung des Blum-Bonus, ein Anreizsystem zur Schaffung von Lehrstellen, ein. Seitens der FPÖ ist man auch gegen eine Ausbildungspflicht, weil man damit junge Menschen für unmündig erklärt und es außerdem fraglich ist, wer die angedachten Strafen zahlen soll.

Katrin Nachbaur vom Team Stronach äußerte sich sogar skeptisch gegenüber der Ausbildungsgarantie, denn ihrer Ansicht nach könne die Politik nur Rahmenbedingungen schaffen, alles andere sei realitätsfern. Den Grund für den Rückgang von Ausbildungsplätzen in den Betrieben ortete sie in einer überbordenden Bürokratie und einer mangelnden Qualität der Schulausbildung. Nachbaur sah die Lösung in einer größeren Schulautonomie und in der Beibehaltung der Typenvielfalt im Schulsystem.  

Der Kritik, die Regierung unternehme nichts, um vorhandene Probleme bei der Lehrlingsausbildung zu beseitigen, konnte sich Angelika Winzig (V) nicht anschließen. Sie verwies auf das Regierungsprogramm, in dem die Weiterentwicklung der dualen Ausbildung und die Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr festgeschrieben seien. Ein Schwerpunkt werde auf die Berufsorientierung und die Potentialanalyse für die Berufswahl gelegt, erläuterte Winzig und befürwortete vor allem die Polytechnische Schule, in der Module zum Nachlernen der Grundkenntnisse, für das Entwickeln sozialer Kompetenzen und die Berufswahl angeboten werden sollen. Die Mandatarin verwies überdies auf das Erfolgsmodell "Lehre mit Matura" und befürwortete eine verkürzte Lehre für MaturantInnen.

Opposition für Entlastung der Wirtschaft

Die Abgeordneten Bernhard Themessl (F), Matthias Strolz (N) und Katrin Nachbaur (T) machten sich im Rahmen dieses Themas auch für die Entlastung der Wirtschaft stark. Strolz kündigte für den heutigen Tag einige Anträge seiner Fraktion an. Jener zur Beibehaltung des Gewinnsteuerfreibetrags würde auch von der FPÖ und dem Team Stronach unterstützt. Man beantrage dazu eine namentliche Abstimmung und hoffe nach den Aussagen von Wirtschaftskammerpräsident Leitl auf die Unterstützung des Wirtschaftsflügels innerhalb der ÖVP, so Strolz. (Fortsetzung Nationalrat) jan