Parlamentskorrespondenz Nr. 132 vom 24.02.2014

Postenschließungen versus sicherheitspolitischer Mehrwert

Heftiger Disput um Schließung von Polizeidienststellen in Aktueller Stunde des Nationalrats

Wien (PK) – Wenn es um Sicherheitsfragen geht, dann werden die Debatten äußerst emotionell geführt. So war dies auch am Beginn der heutigen Sitzung des Nationalrats, als es um die geplante Schließung von 122 Polizeidienststellen ging. Im Rahmen einer Aktuellen Stunde unter dem Titel "Sicherheit statt Postentschließungen!" warf die FPÖ Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vor, einen unverantwortlichen sicherheitspolitischen Kahlschlag durchführen zu wollen. Auch das Team Stronach befürchtet Einsparungen auf Kosten der Sicherheit. Demgegenüber führten die beiden Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP im Einklang mit der Innenministerin ins Treffen, dass es sich bei der Reform um die Umsetzung eines modernen Sicherheitskonzepts handle, das nicht von Einsparungen sondern von mehr Polizeipräsenz auf der Straße und einer modernen Dienststellenstruktur getragen sei. Die Grünen und die NEOS lehnten die geplante Reform nicht grundsätzlich ab, sie hielten jedoch eine Nachjustierung der Pläne für notwendig. Ihnen zufolge würde die Schließung einiger Posten allzu große Gebiete unversorgt lassen.

FPÖ: Unverantwortlicher sicherheitspolitischer Kahlschlag

Polizeidienststellen seien nicht nur wichtige Anlaufstellen für BürgerInnen, sagte Klubobmann Heinz-Christian Strache in seiner Begründung, sondern stellten auch einen wichtigen Stützpunkt für die BeamtInnen der Exekutive dar. Er bewertete die Pläne der Innenministerin, 122 Polizeidienststellen zu schließen, als einen sicherheitspolitischen Kahlschlag und einen falschen Ansatz. Der Polizei fehle es an ausreichendem Personal, kritisierte Strache, der den Fehlstand mit rund 30% bezifferte. Mit den Postenschließungen würden lediglich die derzeitigen Personalfehlstände an manchen Standorten ausgeglichen, ein sicherheitspolizeilicher Mehrwert werde für die Bevölkerung nicht erzielt.

Dies sei angesichts der steigenden Kriminalität unverantwortlich, argumentierte Strache und stellte München als positives Beispiel in den Raum, wo es weit weniger Straftaten als in Wien, aber eine weit höhere Aufklärungsquote gebe. Er forderte in diesem Zusammenhang, die ExekutivbeamtInnen von Verwaltungsarbeiten zu entlasten und für diese Tätigkeiten eigene Verwaltungsbedienstete für die einzelnen Polizeiinspektionen vorzusehen. Darüber hinaus schlug der FPÖ-Klubobmann eine Belastungszulage für ExekutivbeamtInnen vor und drängte auf eine bessere Ausstattung der Polizeidienststellen sowie auf eine bessere Ausrüstung der BeamtInnen. Die FPÖ stehe für Unterstützen statt Aushungern, fasste Strache die Position seiner Fraktion zusammen.

Mikl-Leitner: Im Vordergrund steht die Sicherheit der Bevölkerung

Österreich zähle zu den sichersten Ländern und bis Ende 2015 werde es allein in Wien rund 1000 ExekutivbeamtInnen mehr geben, konterte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Ziel des Projekts sei eine moderne Polizei, die für die Bevölkerung mehr Sicherheit bringe. Eine zeitgemäße Dienststellenstruktur werde zu mehr Bürgernähe, zu einer verbesserten Schlagkraft der BeamtInnen, aber auch zu mehr Eigensicherung führen, da es in Zukunft nur mehr Doppelstreifen geben werde. Darüber hinaus sorge man für die Ausbildung von  spezialierten Fachkräften. Bis Ende der Legislaturperiode werden mindestens 1200 bestens ausgebildete SpezialistInnen in den Regionen zur Verfügung stehen, versprach die Ministerin. Sie wolle die BeamtInnen von Verwaltungstätigkeiten entlasten, damit sich diese um die eigentliche Polizeiarbeit kümmern können. Dies sei nur durch eine Optimierung der Dienststellenstruktur möglich, betonte sie, wenn kleinere Einheiten zu größeren zusammengefasst werden. Dabei werde kein Cent eingespart, in den Regionen bleibe die Anzahl der ExekutivbeamtInnen gleich, unterstrich sie. Dort, wo es keine Polizeidienststellen mehr gibt, werde es mittels einer Notruftaste möglich sein, rund um die Uhr mit der Polizei Kontakt aufzunehmen.

Mikl-Leitner zeigte sich überzeugt davon, dass die Reform zu mehr Sicherheit führen werde und fühlte sich dabei auch durch die Vorschläge des Rechnungshofs unterstützt. Bei der Erarbeitung des Konzepts habe sie sich auf die Kompetenz von ExpertInnen verlassen. Sicherheit definiere sich nicht durch die Anzahl der Polizeiinspektionen, stellte die Innenministerin klar, sondern an der Zeit, die für die eigentliche Polizeiarbeit zur Verfügung steht. Somit werde man nicht nur die objektive Sicherheit steigern können, sondern auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.

SPÖ: Mehr Polizeiwachen bedeuten nicht mehr Sicherheit

Die Ministerin wurde in ihrer Argumentation von den SPÖ- und ÖVP-RednerInnen unterstützt. Es sei unseriös, den Menschen vorzugaukeln, dass mehr Polizeiwachen gleichzeitig auch mehr Sicherheit bringen, meinte etwa Otto Pendl (S). Wesentlich sei es, in Notfällen den Menschen schnell und effizient zu Hilfe zu kommen. Pendl unterstützte das Vorhaben, 1200 ExekutivebeamtInnen zusätzliche Fachausbildungen zukommen zu lassen, um den aktuellen Erscheinungsformen von Kriminalität mit noch mehr Professionalität entgegenwirken zu können. Auch er wies darauf hin, dass der Rechnungshof die Reform befürwortet, und erinnerte daran, dass sich die Regierung unter Bundeskanzler Faymann bereits in der vorangegangenen Gesetzgebungsperiode dazu bekannt hat, 1000 Exekutivplanstellen aufzustocken und 400 Verwaltungsplanstellen mehr einzurichten.

Unter einem FPÖ-Finanzminister seien zwischen den Jahren 2001 bis 2006 rund 3000 Polizeidienststellen wegrationalisiert, 116 Posten geschlossen und 953 Planstellen abgeschafft worden, hielt Angela Lueger (S) der FPÖ entgegen. Eine Dienststelle könne nur dann effizient geführt werden, wenn die Besetzung nicht unter 4 BeamtInnen fällt. Lueger plädierte für ein maßgeschneidertes Sicherheitspaket und stellte aus der Sicht einer Wiener Abgeordneten fest, beim Konzept für Wien sei auch in Betracht zu ziehen, dass sich das Stadtbild verändert und Teile der Stadt wachsen, weshalb man dort mehr Personal benötige.

ÖVP: Die Polizei soll in der Nähe der BürgerInnen sein

Man brauche die Polizei mehr bei den BürgerInnen, meinte auch Werner Amon von der ÖVP. Die Sicherheit bemesse sich nicht an der Anzahl der Polizeidienststellen, sondern an der Außenpräsenz der ExekutivbeamtInnen. Gegenüber diesem Sicherheitskonzept präsentiere die FPÖ eine Art Immobilienkonzept, formulierte Amon und machte die FPÖ darauf aufmerksam, dass die guten Erfolge in München möglich seien, obwohl es dort nur 24 Polizeiinspektionen gebe. In Wien hingegen belaufe sich die Zahl auf 94. Das von der Innenministerin vorgelegte Konzept bringe mehr Außenpräsenz, was entscheidend sei ferner eine sinnvolle Reduzierung der Verwaltungstätigkeiten für die SicherheitsbeamtInnen, SpezialistInnen in den Regionen und keine Einzelstreifen mehr, fasste Amon die Ziele der Reform zusammen.

Ähnlich äußerte sich Michael Hammer (V), der der FPÖ Verunsicherungstaktik vorwarf. Hammer forderte, seitens der Politik einen Beitrag zu einem positiven subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu leisten, zumal die Sicherheit in Österreich sehr hoch und die Kriminalitätsrate in den letzten Jahren gesunken sei. Bei der Reform handle es sich um ein Sicherheitsprogramm und keineswegs um ein Einsparungsprogramm, hielt Hammer fest.

FPÖ: Man ist über die Gemeinden drübergefahren

Dem konnten sich die Redner der FPÖ in keiner Weise anschließen. Harald Vilimsky (F) befürchtete, dass sich die Interventionszeit von derzeit rund 20 Minuten um 50% auf 30 Minuten erhöhen könnte. Er bezweifelte des Weiteren, dass die Reform zu mehr Präsenz in den Bundesländern führen werde und stellte im Gegensatz zu seinen Vorrednern die Frage einer bedenklichen Kriminalitätsentwicklung in den Raum.

Als Bürgermeister einer von der Postenschließung betroffenen Gemeinde, St. Jakob im Defreggental, ergriff Gerald Hauser (F) das Wort. Man sei einfach über die Gemeinde und die Bevölkerung drüber gefahren, warf er der Ministerin vor, die Menschen vor Ort sähen die Postenschließungen in einem völlig anderen Licht. Viele BürgermeisterInnen hätten auch erst aus der Zeitung erfahren, dass die Posten in ihren Gemeinden geschlossen werden, so die weitere Kritik des Mandatars, dem noch am 22. Jänner die Ministerin in einer Anfragebeantwortung erklärt habe, sie könne über das Konzept noch nichts sagen. Diese Vorgangsweise bewertete Hauser als eine grobe Missachtung des Parlaments.

Team Stronach: Postenschließungen sind falsches Signal

Auch das Team Stronach wollte sich mit den geplanten Postenschließungen nicht abfinden. Diese seien ein falsches Signal, meinte etwa Christoph Hagen (T). Ihm zufolge stehen hinter dem Vorhaben Einsparungen, außerdem bezweifelt er, dass es in Zukunft mehr PolizistInnen auf der Straße geben wird. Hagen forderte, mehr in der Verwaltung einzusparen und die Polizeikommanden nicht so stark aufzublähen. Notwendig sei eine gut ausgerüstete Exekutive, sowie ein eigenes Exekutivdienstgesetz.

"Wer bei der Sicherheit spart, der schneidet sich ins eigene Fleisch", formulierte Rouven Ertlschweiger (T). Als Burgenländer beklagte er, dass in seinem Bundesland jede 6. Polizeidienststelle geschlossen werden soll. Stark betroffen davon werde die Region um Rust sein, wo die Sorgen und Ängste der Menschen stark im Wachsen begriffen seien.

Grüne: Schließungspläne nochmals überprüfen

Differenzierter sahen dies die Grünen. Es mache keinen Sinn, leere Wachposten um jeden Preis aufrecht zu erhalten, sagte Peter Pilz (G). Daher sei es notwendig, genau zu prüfen, welche Posten zu schließen sind, welche nicht. Pilz nannte einige Gegenden, wie etwa die Ramsau, Weißensee, Wildalpen, Eichgraben und den Bahnhof Klagenfurt, die aus seiner Sicht eindeutig zu erhalten wären. Insgesamt müssten seiner Meinung nach die geplanten Schließungen von rund 30 Posten nochmals genau geprüft werden.

Ebenso forderte Alev Korun (G) eine Nachjustierung der Pläne und wies darauf hin, dass etwa in der Steiermark eine Region von rund 70 km unversorgt bleibe. Das führe zu einer weiteren unverantwortlichen Ausdünnung des ländlichen Raums, kritisierte sie und äußerte Skepsis hinsichtlich von zusätzlichen Überwachungskameras.

NEOS: Kein Anlass für Panikmache

Keinen Anlass für Panikmache sah auch Gerald Loacker von den NEOS. Die Intentionen der Reform konnte er gut nachvollziehen, er kritisierte aber die Vorgangsweise der Innenministerin. Die Entscheidungen seien nicht nachvollziehbar und auch in einer intransparenten Art und Weise getroffen worden, so Loacker. Er glaube nicht, dass die Ministerin dabei nach objektiven Parametern vorgegangen ist. Ein Konzept konnte er dahinter nicht erkennen, auch habe es keine ausreichende Kommunikation gegeben.

Die mangelnde Information der BürgermeisterInnen und GemeinderätInnen aber auch der Abgeordneten wurde in gleicher Weise von Nikolaus Alm (N) kritisiert. Er schloss sich der Argumentation seines Vorredners sowie jener der Grünen an, und verlieh seinem Unbehagen über mehr Videoüberwachung sowie über Vorratsdatenspeicherung Ausdruck. Alm bezweifelte, dass diese Instrumentarien verhältnismäßig eingesetzt werden. Ausdrücklich begrüßte er die vorgesehenen Spezialausbildungen. (Fortsetzung Nationalrat) jan