Parlamentskorrespondenz Nr. 162 vom 28.02.2014

Finanzpolitische Vorhaben der Europäischen Union im Jahr 2014

Europa kommt bei der Bewältigung der Krise voran

Wien (PK) – Fünf Jahre nach der Lehman-Pleite zieht Europa eine erste positive Bilanz seines finanzpolitischen Krisenmanagements: In der Euro-Zone sank das nominelle Budgetdefizit zwischen 2010 und 2013 von über 6% auf 3% und das strukturelle Defizit von 4,5% auf 1,5% des BIP. Die öffentliche Schuldenquote erreicht 2014 mit 96% des BIP ihren Höhepunkt und wird ab 2015 sinken. Deutlich niedrigere Zinsaufschläge und Refinanzierungskosten für öffentliche Schulden zeigen, dass die Glaubwürdigkeit der Wirtschafts- und Budgetpolitik in der Eurozone zunimmt und das Vertrauen der Finanzmärkte sowie der Investoren wächst. Die Hilfsprogramme für Irland und Spanien wurden erfolgreich abgeschlossen, jene für Portugal und Zypern werden plangemäß umgesetzt. Für Griechenland wird aufgrund der vierten Prüfmission über die Auszahlung der nächsten Tranchen entschieden. Die Einführung des Euro in Lettland belegt die Attraktivität der Eurozone und Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung geben Anlass zur Hoffnung. Mit Ausnahme Zyperns verzeichneten alle Programmstaaten 2013 ein Wachstum ihrer Wirtschaft. Die Konjunktur ist aber noch zu schwach, um arbeitslosen Jugendlichen und all jenen zugute zu kommen, die unter der Krise am meisten gelitten haben, daher stehen im Jahr 2014 die Förderung von Wachstum und Beschäftigung, Reformen in den Krisenländern und eine bessere Finanzierung der Realwirtschaft im Mittelpunkt des finanzpolitischen Arbeitsprogramms der EU-Kommission und des Ecofin-Rates (III-56 d.B. und III-516-BR/2014 d.B.).

Das Europäische Semester 2014

Der aktuelle Jahreswachstumsbericht, mit dem die EU-Kommission das Europäische Semester 2014 gestartet hat, umfasst folgende Ziele: wachstumsfreundliche Budgetkonsolidierung, Wiederherstellung regulärer Kreditbedingungen, Förderung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, Kampf gegen Arbeitslosigkeit, soziale Konsequenzen aus der Krise und Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. Nach Ratsdiskussionen und Empfehlungen der Staats- und Regierungschefs werden die Mitgliedstaaten Stabilitäts-, Konvergenz- und Nationale Reformprogramme verfassen, die der Europäische Rat nach Bewertung durch die Kommission im Juni beschließen wird. Mit dem Frühwarnbericht identifizierte die Kommission außer dem Kreis der Programmstaaten 16 Mitgliedstaaten mit potentiellen makroökonomischen Fehlentwicklungen. Österreich zählt nicht dazu. Sollte eine vertiefte Analyse Ungleichgewichte feststellen, die die Stabilität der Eurozone gefährden könnten, wird der Ecofin deren Beseitigung empfehlen.

Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion

Bei der Weiterentwicklung der "Wirtschafts- und Währungsunion" (WWU) wird über eine Vorab-Koordinierung großer Reformvorhaben zwischen den Mitgliedstaaten und vertragliche "Partnerschaften für Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit" zwischen Mitgliedstaaten und Union samt Solidaritätsmechanismen zur Umsetzung länderspezifischer Empfehlungen und zur Stärkung der sozialen Dimension diskutiert. Über die Vorab-Koordination soll nach Ende der Tests im Frühjahr 2014 entschieden werden. Partnerschaften für Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit sollen in das EU-Semester eingebettet werden. Österreich setzt auf Implementierung bestehender Instrumente und warnt vor komplizierten Lösungen außerhalb des EU-Vertrages.  

Wichtige Schritte auf dem Weg zur Bankenunion im Jahr 2014

Im Mai 2012 haben die europäischen Staats- und Regierungschefs die Weichen zu einer Bankenunion mit integriertem Aufsichts- sowie Abwicklungssystem und harmonisierter Einlagensicherung gestellt. Das Europäische System der Bankenaufsicht aus Europäischer Zentralbank (EZB) und nationalen Aufsichtsbehörden wird seine Tätigkeit nach umfassender Prüfung der Banken im November 2014 aufnehmen. Die EZB beaufsichtigt 130 große Banken mit einem Anteil von 85% des gesamten Bankkapitals, darunter sechs österreichische Banken. Weniger signifikante Banken bleiben unter nationaler Aufsicht, die EZB-Aufsicht kann aber jederzeit auch auf diese Banken erweitert werden.  

Über die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (BRRD) besteht seit Dezember 2013 eine Einigung mit dem Europäischen Parlament. Über eine Verordnung zum Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM) samt gemeinsamer Behörde und gemeinsamem Abwicklungsfonds (SRF) wurde eine allgemeine Ausrichtung erzielt. Der Fonds soll auf Basis eines zwischenstaatlichen Vertrages errichtet werden. Die Staaten sollen die Beiträge der Banken einheben und an den Abwicklungsfonds übertragen, der während einer zehnjährigen Übergangsphase aus nationalen Anteilen besteht und schrittweise vergemeinschaftet werden wird. Die Verhandlungen sollen vor den EU-Parlamentswahlen abgeschlossen werden. Offen ist die Frage der "Brückenfinanzierung", also die Beschaffung von Geld, wenn der Abwicklungsfonds nicht ausreicht.

Strukturreform bei den Banken

Die Expertengruppe um den finnischen Notenbank-Gouverneur Erkki Liikanen schlägt Strukturreformen im europäischen Bankensektor vor. Der riskante Eigenhandel soll vom Einlagengeschäft getrennt werden. Dem entspricht ein Verordnungsentwurf der Kommission für ein Verbot des Eigenhandels mit bestimmten Finanzinstrumenten und Rohstoffen. Die Bankenaufsicht soll von einer Bank verlangen können, den Handel mit Derivaten und Verbriefungen auf separate Handelsunternehmen innerhalb der Gruppe zu übertragen. Die Verordnung soll für global relevante Banken und für Institute gelten, die eine Bilanzsumme von 30 Mrd. € in drei Jahren und Handelsaktivitäten von 70 Mrd. € oder 10% der Bilanzsumme aufweisen.

Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung

Die griechische Präsidentschaft will eine Einigung über einen Verordnungsvorschlag der Kommission zum Thema Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Es geht um neue Empfehlungen der Financial Action Task Force (FATF), um Bestimmungen über den wirtschaftlichen Eigentümer, niedrigere Betragsschwellen zur Auslösung der Sorgfaltspflichten, die Einbeziehung des gesamten Glückspiels und von Steuerstraftaten als Vortaten sowie um supranationale Risikoanalysen und Äquivalenzprüfungen für Drittstaaten.

Bessere Finanzierung der europäischen Wirtschaft

Ein Grünbuch der Kommission vom März 2013 zielt auf bessere Angebote für langfristige Finanzierungen von Kommerzbanken, institutionellen Anlegern und von Entwicklungsbanken. Zur Erleichterung der Finanzierung Kleiner und Mittler Unternehmen (KMU) schlägt die Kommission einen europäischen Investmentfonds vor. Die Europäische Entwicklungsbank (EIB) arbeitet bereits an der Einführung eines Risikoteilungsinstruments für KMU.

Globale Finanzpolitik

Die G-20 agieren seit Ausbruch der Finanzkrise als wichtiges globales Forum für Finanz- und Wirtschaftsfragen und wollen einen Rahmen für nachhaltiges Wachstum schaffen. Das G-20-Vorsitzland Australien will 2014 Finanzmarktreformen, die Diskussion über langfristige Finanzierungen und den Kampf gegen Steuerumgehung und Steuervermeidung vorantreiben. Der Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)-Aktionplan der OECD und ein globales Modell zum automatischen Informationsaustausch sollen umgesetzt werden. Der Internationale Währungsfonds befasst sich mit der Quoten- und Governancereform.

Zinsenrichtlinie und Anwendung durch Drittstaaten   

Da der Ecofin in seinen seit 2008 geführten Verhandlungen mit der Schweiz, Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino über die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Zinsenrichtlinie und über die Beseitigung von Umgehungsmöglichkeiten bislang keine Ergebnisse erzielt hat, konnten Österreich und Luxemburg ihre Zustimmung zur Änderung der Zinsenrichtlinie nicht erteilen. Über den Stand der Verhandlungen soll die Kommission bis zum Europäischen Rat im März 2014 einen Fortschrittsbericht vorlegen.

Änderungen bei der Amtshilfe

Die Amtshilferichtlinie verpflichtet Mitgliedstaaten ab 2015, Daten über lohnsteuerpflichtige Einkünfte, Managementvergütungen, Lebensversicherungen und Immobilien automatisch auszutauschen. OECD-Empfehlungen für einen globalen Informationsaustausch sollen berücksichtigt und Dividenden, Veräußerungsgewinne, Finanzerträge sowie Kontoguthaben einbezogen werden.

Finanztransaktionssteuer – Österreich drängt

Da ein gemeinsames Finanztransaktionssteuersystem zwischen allen EU-Ländern nicht möglich ist, wollen elf Länder, darunter Österreich, eine Finanztransaktionssteuer durch verstärkte Zusammenarbeit einführen. Österreich unterstützt die eventuell auch stufenweise Einführung der Steuer auf Basis einer breiten Bemessungsgrundlage und drängt dabei auf zügige Fortschritte. Es gelte zu verhindern, dass das Interesse an einer europäischen Lösung abnimmt, wenn nach Frankreich, Italien, Griechenland und Belgien weitere Länder eine Finanztransaktionssteuer einführen.

Gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage für Körperschaftsteuern

Der griechische Vorsitz will im Ecofin über den Kommissionsvorschlag für eine gemeinsame konsolidierte Grundlage zur Bemessung der Körperschaftssteuer diskutieren. Verwaltungs- und Befolgungskosten sollen sinken, die Rechtssicherheit für grenzüberschreitend tätige Unternehmen zunehmen. Steuererklärungen sollen bei einer einzigen Stelle eingereicht werden können, die alle in der EU entstandenen Gewinne und Verluste eines Unternehmens konsolidiert. Österreich begründet seine Skepsis gegenüber dem Vorschlag mit der Befürchtung eines steigenden Verwaltungsaufwands.  

Änderung der Energiebesteuerungsrichtlinie

Die heftige Diskussion über die Energiebesteuerungsrichtlinie will die griechische Präsidentschaft im Juni allgemein ausrichten. Im Hinblick auf Energie- und Klimaziele sollen für Treib- und Heizstoffe Mindeststeuerbeträge auf Basis von Energiegehalt und CO2-Ausstoss festgelegt werden. Ziele sind höhere Steuern für fossile Energie und die Förderung sauberer Energieträger. 

Einfachere Mehrwertsteuer-Erklärungen, Steuerregeln für Gutscheine

Über einen Kommissionsvorschlag zur Standardisierung von Mehrwertsteuer-Erklärungen berät der Ecofin im Mai. Weniger Kennziffern und der Entfall der Jahreserklärung sollen den Aufwand für Unternehmen verringern. Betriebe unter 2 Mio. € Umsatz sollen nur noch vierteljährlich Steuererklärungen vorlegen müssen. Im Mai sollen auch Steuerfragen bei Gutscheinen beraten werden.

Überarbeitung der Mutter-/Tochter-Richtlinie

Im Kampf gegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung schlägt die Kommission eine Änderung der Mutter-/Tochter-Richtlinie vor. Die Nichtbesteuerung von Gewinnen hybrider Finanzgestaltungen und aggressive Steuerplanungen sollen unterbunden werden. Eine Einigung darüber ist Ziel des Ecofin-Rates im kommenden Juni. (Schluss) fru