Parlamentskorrespondenz Nr. 233 vom 20.03.2014

Gratis-Zahnspangen: Ausschussmehrheit unterstützt Initiative

Gesundheitsausschuss schickt Regierungsvorlage mit der Mehrheit von SPÖ-ÖVP-FPÖ-Team Stronach in das Nationalratsplenum

Wien (PK) – Der Gesundheitsausschuss gab heute mehrheitlich grünes Licht für das im Vorfeld breit diskutierte Regierungsprojekt der Gratis-Zahnspange für unter 18-Jährige mit schweren Kieferschäden. Finanziert werden sollen die kostenlosen Kieferregulierungen vom Bund ab 1. Juli 2015 mit 80 Mio. € pro Jahr. Die flächendeckende Umsetzung der Maßnahme sei abzusichern, beschloss der Ausschuss mit einem Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen, unabhängig davon, ob eine Tarif-Vereinbarung zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und der Zahnärztekammer zustande kommt. Darüber hinaus zielt der Abänderungsantrag auf eine verpflichtende Veröffentlichung der Preise von Zahnarzt-Leistungen zur Kieferregulierung ab. In einem weiteren im Ausschuss eingebrachten Antrag halten SPÖ und ÖVP fest, dass die kostenlosen Zahnspange für Minderjährige im Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz zu verankern ist.

Grüne und NEOS traten in der Ausschussdebatte gegen den aktuellen Gesetzesentwurf auf, weil das Konzept undurchdacht und mit 80 Mio. € kaum finanzierbar sei, so die Vorwürfe. Aus Grüner Sicht wären frühzeitige Hilfestellungen zur Zahnversorgung schon im Kleinkindalter zielführender. Die NEOS vermissen neben einer realistischen Kostenabschätzung in der Regierungsvorlage vor allem eine sozial gerechte Staffelung. Den Freiheitlichen fehlte bei der Initiative eine angemessene Aufklärung der Eltern über die Schweregrade der Kieferschäden ihrer Kinder, die zu einer Gratis-Zahnspange berechtigen. Die geplante Regelung helfe nur einer kleinen Bevölkerungsgruppe, meinte das Team Stronach, sie entspreche also keiner sozialen Gesundheitspolitik. Dennoch stellt die Regierungsvorlage für FPÖ und Team Stronach einen Schritt in die richtige Richtung dar, weshalb sie sich SPÖ und ÖVP bei der Annahme der Gesetzesvorlage bzw. des Abänderungs- und des Ausschussantrags – anschlossen.

Die Debatte über Zahnmedizin nutzten Grüne und NEOS für einen Entschließungsantrag zur klaren gesetzlichen Abgrenzung zwischen KieferorthopädInnen und anderen ZahnärztInnen. Außerdem forderten die Grünen generell kostenlose Therapien für Kinder und Jugendliche, von der Ergo- bis zur Psychotherapie. Die FPÖ verlangte, eine Zahnuntersuchung im Mutter-Kind-Pass verpflichtend einzuführen. Das Team Stronach pochte auf Kostenunterstützung zur Anschaffung von Blindenhunden.

Das Nahrungsmittel Fleisch bzw. dessen Kennzeichnung beschäftigte den Ausschuss anhand weiterer Oppositionsanträge auf der Tagesordnung. Die Grünen mobilisieren erneut gegen jedwede Einfuhr von Klon-Fleisch in die EU, das Team Stronach wiederum stößt sich an einer ihrer Meinung nach irreführenden Kennzeichnungen von Fleischwaren. Die Oppositionsanträge wurden teils mehrheitlich vertagt, teils abgelehnt.

Opposition hegt Zweifel an Realisierung der Gratis-Zahnspange

Gesundheitsminister Alois Stöger empfahl den Ausschussmitgliedern dringend, der Regierungsvorlage für die kostenlose Zahnregulierung zuzustimmen, damit man "am Gebiss eines Kindes nicht das Einkommen der Eltern erkennen kann". Unterstützung erhielt der Minister von SPÖ und ÖVP, die insbesondere auf die finanzielle Entlastung von Familien bei der Zahnversorgung ihrer Kinder hinwiesen. "Beispielgebend ist dieser Ausbau der Gesundheitsversorgung trotz Krise", kommentierte beispielsweise Johann Hechtl (S) den Plan. Erwin Spindelberger (S) wies die Bedenken bezüglich Finanzierbarkeit zurück, denn über den Anspruch auf Gratis-Kieferregulierungen werde nach internationalen Standards zur Bemessung der Schäden am Kiefer entschieden. Nur Kinder und Jugendliche mit massiven Beeinträchtigungen würden die Leistung erhalten. Michael Ehmann (S) betonte, da die Preise zur Kieferregulierung jedes eingebundenen Zahnarztes verpflichtend im Internet zu veröffentlichen sind, sichere der Staat auch die Kostentransparenz.

Bestärkt wurde die SPÖ bei ihrer Argumentation für die Regierungsinitiative vom ÖVP-Mandatar Erwin Rasinger: "Eine sinnvolle Idee" sei die Gratis-Zahnspange für Kinder und Jugendliche mit starken Fehlstellungen im Gebiss. Natürlich gebe es von der fehlenden Kinder-Hospiz bis zum Anstieg der Zahl adipöser Minderjähriger zahlreiche andere Problemfelder in der medizinischen Versorgung dieser Altersgruppen, meinte er. Doch dürften Probleme nicht gegeneinander ausgespielt werden, da das jeden Fortschritt behindere. Marcus Franz (T) hatte zuvor seinen Missmut darüber ausgedrückt, das die Adipositas-Behandlung in Österreich immer noch zu wünschen übrig lasse und er daher den Kostenaufwand für Gratis-Zahnspangen mit Vorbehalt sehe. Letztlich werde nur eine verhältnismäßig kleine Gruppe mit der Leistung erreicht, der Großteil der Bevölkerung ziehe aber keinen Nutzen daraus, monierte Franz.

Die Freiheitlichen Dagmar Belakowitsch-Jenewein und Andreas Karlsböck zeigten sich zwar grundsätzlich offen für staatliche Hilfen bei der Behandlung schwerer Zahnfehlstellungen. Doch fürchteten sie, die Regierung verkaufe hier eine "Mogelpackung", da bei vielen Eltern der Eindruck entstehe, unabhängig vom Schweregrad der Kieferschäden ihrer Kinder hätten sie Anspruch auf eine Gratis-Zahnspange ab 2015. Die dadurch bewirkten Wartezeiten auf eine Zahnbehandlung schade letztlich den kleinen PatientInnen, gab Belakowitsch-Jenewein zu bedenken. Ihrer Forderung nach besserer Informationsarbeit darüber, wer tatsächlich Aussicht auf eine kostenlose Kieferregulierung genießt, schloss sich Sabine Oberhauser (S) an. "85.000 Kinder sind keine Randgruppe" richtete sie Marcus Franz (T) aus, diese Zahl werde nämlich voraussichtlich pro Jahr von der Gratis-Zahnspange profitieren.

Vehement kritisierte dagegen Gerald Loacker (N) die Initiative. Mit Sachleistungen wie der Gratis-Zahnspange alle zu beschenken, ohne dabei den sozialen und finanziellen Hintergrund der EmpfängerInnen zu bedenken, lehne er dezidiert ab. Er bezweifelte zudem, dass die jährlichen 80 Mio. € durch die Republik für die Versorgung ausreichen. Als isoliertes Konzept, das keineswegs mit der laufenden Gesundheitsreform im Einklang sei, werde diese Ausweitung der Zahnversorgung vorangetrieben, brachte Eva Mückstein (G) ihren Unmut zum Ausdruck. Frühzeitige Unterstützung bei der Zahngesundheit von Kindern, etwa im Rahmen des Mutter-Kind-Passes, bezeichnete sie als sinnvoller.

Gesundheitsminister Alois Stöger beschrieb den Gesetzesentwurf für Gratis-Zahnspangen als langfristig durchdachtes Konzept, das dem oftmals geäußerten Wunsch von Eltern entspreche, sie von der finanziellen Belastung bei dringend notwendigen Zahnbehandlungen ihrer Kinder zu befreien. Jetzt seien die Sozialpartner, konkret Zahnärztekammer und der Hauptverband, aufgerufen, eine vernünftige Vertragskonstellation zur Realisierung der Leistungen auszuhandeln. Die PatientInnen müssten bei Gesundheitsdiensten im Mittelpunkt stehen, unterstrich dazu Ulrike Königsberger-Ludwig (S).

Laut Gesetzesentwurf (43 d.B.) wird eine kostenlose Kieferregulierung dann gewährt, wenn die Behandlung vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs beginnt und wenn eine erhebliche Zahn- oder Kieferfehlstellung vorliegt (Schweregrad 4 oder 5). Die vom Bund subventionierte Leistung soll die erforderliche Diagnostik, den Behandlungsplan und die Therapie umfassen. Zur konkreten Umsetzung des Vorhabens werden der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und die Zahnärztekammer ersucht, in Gesamtvertragsverhandlungen einzutreten. Selbst wenn aus verschiedensten Gründen keine Vereinbarung für eine flächendeckende Versorgung erreicht wird, müsse über Sonder-Einzelverträge der Krankenversicherungsträger mit Praxen und Ambulatorien den Anspruchsberechtigten die Kostenerstattung zustehen, präzisierten SPÖ und ÖVP mit ihrem Antrag den Gesetzesvorschlag. Dadurch würden vertragliche Lücken in der flächendeckenden Versorgung geschlossen.

In einem Ausschussantrag wird zudem das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz zur Gesundheitsreform um die kostenfreie Kieferregulierung für Minderjährige ergänzt.

Vorstoß der Grünen und NEOS: Facharzt Kieferorthopädie

Die GesundheitssprecherInnen von Grünen und NEOS, Eva Mückstein und Gerald Loacker, nutzten die Thematik Zahnversorgung für einen Entschließungsantrag auf gesetzliche Anerkennung des Berufs "Facharzt für Kieferorthopädie". Die Spezialisierung in der Kieferorthopädie, die eine dreijährige universitäre Ausbildung voraussetze, sei nämlich nicht als reine Zusatzausbildung für Zahnärztinnen und Zahnärzte zu werten, argumentierten sie, sondern stelle ein Sonderfach der Zahnheilkunde dar. Die derzeitige Rechtslage betrachte dennoch SpezialistInnen dieses Bereichs und DentistInnen mit kieferorthopädischem Basiswissen in gleicher Weise, kritisierte Mückstein. Das erschwere PatientInnen mit schweren Kieferschäden, die richtige Arztwahl zu treffen. Andreas Karlsböck (F) – im Zivilberuf selbst Dentist – wies den Vorstoß zurück, da Österreich bereits ein vollständiges sechsjähriges Studium zur Zahnmedizin habe. Gegen eine vorschnelle Einführung eines neuen Facharztberufes wandte sich ebenso Erwin Rasinger (V). Der Grünen-NEOS-Vorstoß wurde von SPÖ, ÖVP und Freiheitlichen mehrheitlich abgelehnt.

FPÖ: Verpflichtende Zahnuntersuchung im Mutter-Kind-Pass

Anstatt schwer finanzierbarer Programme wie die Gratis-Zahnspange auszurollen, solle die Regierung besser für frühzeitige zahnärztliche Untersuchungen bei Kindern sorgen, meint die FPÖ. Etwa durch eine Verankerung einer solchen Untersuchung im Mutter-Kind-Pass, schlägt Andreas Karlsböck (F) in seinem Entschließungsantrag (284/A[E] ) vor. Das sei "eine Investition in die Zukunft" konstatierte der Antragsteller. Die Zahnpflege muss nach seiner Ansicht bereits mit dem Durchbruch der Milchzähne beginnen. Neben dem regelmäßigen und richtigen Putzen sollten spätestens zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr erste Zahnarztbesuche eingeplant werden, damit die Kinder sich frühzeitig an die Kontrollen gewöhnen.

Der Antrag stieß bei SPÖ und ÖVP auf Ablehnung. Erwin Spindelberger (S) begründete diese Haltung mit der unzureichenden Wirkung eines einmaligen prophylaktischen Zahnarztbesuchs im Kleinkindalter.

Grüne: Bessere Therapie-Versorgung von Kindern und Jugendlichen

Generell sollten notwendige medizinische Therapien für Minderjährige kostenlos angeboten werden (106/A[E] ), finden die Grünen. Darunter würden physio- und ergotherapeutische sowie logopädische Behandlungen und auch Psychotherapiestunden fallen. Als Sofortmaßnahme dazu gehöre das institutionelle Angebot deutlich verstärkt, so Eva Mückstein (G). Die Refundierung durch die Krankenkassen bei Behandlung durch niedergelassene TherapeutInnen sei zudem deutlich zu erhöhen. Mückstein hofft dazu auf einen gesamtösterreichischen Versorgungsplan, der in den Bundes- und Landeszielsteuerverträgen aufgenommen wird. Die Finanzierung der Therapien müsse aus einer Hand sichergestellt werden.

Bundesminister Stöger bejahte, es gebe bei funktionellen Therapien noch viel zu tun; gerade die Finanzierungsmodalitäten seien daher nicht nur mit der Sozialversicherung, sondern auch mit den Bundesländern zu klären. Die Regierungsparteien vertagten in Folge dieses Anliegen der Grünen.

Team Stronach: Blindenhunde als Rehabilitationsbehelfe anerkennen

Für die gesetzliche Anerkennung von Blindenführhunden als medizinische Rehabilitationsmaßnahme setzte sich Marcus Franz namens des Team Stronach ein (171/A[E] ). Da Blindenhunde viel kostengünstiger kämen als Pflegepersonal, sollte deren Anschaffung vom Staat unterstützt werden. Die Tiere seien eine enorme Hilfe für hochgradig sehbehinderte und erblindete Menschen bei der Bewältigung ihres Alltags, warb auch Grünen-Abgeordnete Helene Jarmer um Zustimmung zum Antrag. Die Hunde ermöglichten Blinden ein selbstständiges Leben. ÖVP-Mandatar Franz-Joseph Huainigg schränkte demgegenüber ein, obwohl die Tiere eine große Hilfe für Blinde darstellten, seien sie doch kein Ersatz für menschliche Assistenz. Dietmar Keck (S) informierte in dem Zusammenhang, das Sozialministerium unterstütze bereits finanziell den Erwerb von Blinden-, Signal-, und Servicehunden; die Qualitätserfordernisse für diese Tiere würden in Kürze mit einer Minister-Verordnung festgelegt. Der Antrag wurde dementsprechend von SPÖ und ÖVP nicht angenommen und blieb damit in der Minderheit.

Initiativen gegen Klon-Fleisch und Täuschung bei Fleisch-Kennzeichnung

Ein Importverbot für geklonte Tiere und entsprechende Lebensmittel sei auf EU-Ebene durchzusetzen, appellieren die Grünen an die Bundesregierung (97/A[E] ). Judith Schwentner (G) stellte fest, trotz einer angestrebten Regulierung von Klonfleisch in der Europäischen Union bestehe die Gefahr weiteren Klonens von Tieren. Wenn in den USA oder anderen Drittstaaten geklonte Zuchttiere an Landwirte verkauft werden, lasse die Kommission nämlich zu, dass Nachkommen dieser Tiere in die EU importiert werden, erläuterte sie.

Abgeordneter Johann Höfinger (V) meinte dazu, es sei abzuwarten, welche Vorschläge die Europäische Kommission in dieser Frage vorlege. Es gebe jedenfalls eine klare österreichische Linie, die man auch auf EU-Ebene vertrete, wonach keine Notwendigkeit für den Import von Klonfleisch und geklonten Zuchttieren bestehe. Das wurde auch von Gesundheitsminister Alois Stöger bekräftigt. Der Antrag der Grünen wurde daraufhin mit Mehrheit von SPÖ und ÖVP vertagt. 

"Amtliche Täuschung" sieht das Team Stronach in der derzeitigen Kennzeichnung aller in Österreich geschlachteten Tiere mit dem AT-Stempel (Genusstauglichkeitsstempel) und forderte in einem Entschließungsantrag eine Änderung (262/A[E] ). Man dürfe bei KonsumentInnen nicht länger den falschen Eindruck zu erwecken, es handle sich bei importierten, in Österreich geschlachteten Tieren um Fleisch heimischer Qualität, meinte Abgeordneter Marcus Franz (T). Er erhielt hier Unterstützung der Freiheitlichen und der Grünen.

Abgeordneter Höfinger (V) verwies darauf, dass mit dem angesprochenen Genusstauglichkeitsstempel eben keine Herkunftsbestätigung stattfinde, sondern damit nur bestätigt werde, dass das Fleisch geschlachteter Tiere genusstauglich ist. Für KonsumentInnen, die sicher gehen wollen, dass sie Fleisch von in Österreich aufgewachsenen und geschlachteten Tieren kaufen, sei das AMA-Gütesiegel relevant. Bundesminister Alois Stöger meinte dazu, er sehe die Sinnhaftigkeit des Vorstoßes nicht, denn eine Abschaffung dieses Siegels würde ja bedeuten, dass man darauf verzichte, importierte Schlachttiere tierärztlich untersuchen zu lassen. Der Antrag erhielt nur die Unterstützung von Freiheitlichen, Grünen und Team Stronach und wurde daher mehrheitlich abgelehnt. (Schluss Gesundheitsausschuss) sue/rei/sox