Parlamentskorrespondenz Nr. 342 vom 24.04.2014

Rechnungshof: Kritik an der Mittelverwendung für Kinderbetreuung

RH-Präsident Moser mahnt im Ausschuss Wirkungsorientierung und Zweckwidmung im Umgang mit Steuergeldern ein

Wien (PK) – Die Situation der vorschulischen Kinderbetreuung in Österreich stand im Mittelpunkt eines Berichts des Rechnungshofs, der zu Beginn der heutigen Ausschusssitzung von den Abgeordneten diskutiert wurde. Im Rahmen einer im Jahr 2012 durchgeführten Querschnittsüberprüfung, die vier Bundesministerien, zwei Länder (Niederösterreich und Steiermark) sowie zwei Gemeinden (Korneuburg und Leoben) umfasste, untersuchten die Prüfer den Ausbau des Kinderbetreuungsangebots sowie die Einführung des Gratispflichtkindergartenjahres.

Barcelona-Ziel bei Betreuung von Kinder unter 3 Jahren noch nicht erreicht

Ausgangspunkt für den sehr umfangreichen Bericht des Rechnungshofs (III-29 d.B.) zur Situation der Kinderbetreuung der 0- bis 6-Jährigen, der den Zeitraum 2007 bis 2012 umfasst, waren die Vorgaben aufgrund dreier Bund-Länder-Vereinbarungen (Ausbauvereinbarung 2008, Ausbauvereinbarung 2011 und Gratispflichtkindergartenvereinbarung). Darüber hinaus überprüfte der Rechnungshof die Zweckmäßigkeit der Platzvergaberegelungen, der Öffnungszeiten und des Personaleinsatzes in Kinderbetreuungseinrichtungen sowie von Gemeindekooperationen in diesem Bereich.

Gemäß den sogenannten Barcelona–Zielen sollten die Mitgliedstaaten der EU bis zum Jahr 2010 entsprechend der Nachfrage Kinderbetreuungsplätze für 33 % der unter 3–Jährigen und für 90 % der 3– bis 6–Jährigen anbieten. Durch die zwischen Bund und Ländern fixierten Ausbauvereinbarungen (2008 und 2011) sollte das Erreichen dieser Vorgaben durch Bereitstellung von Bundesmitteln in der Höhe von 45 Mio. € (für 2008 bis 2010) und in der Höhe von 55 Mio. € (für 2011 bis 2014) unterstützt werden. Bei den unter 3-Jährigen gab es eine deutliche Verbesserung der Situation, die 33 %-Quote konnte jedoch nicht erreicht werden (Niederösterreich 21,2 %, Steiermark 10 %, ganz Österreich 19,7 %). Anders sah es in der Altersgruppe von 3 bis 6 Jahren aus; die für 2010 vorgesehene Betreuungsquote von 90 % war bis 2011 österreichweit (90,3 %) und in Niederösterreich (95,6 %) erreicht bzw. übertroffen, in der Steiermark mit 83,9 % noch untererfüllt. Durch die Einführung des Gratispflichtkindergartens stieg die Betreuungsquote der 5–Jährigen österreichweit um rund 2,5 % auf 96,4 %.

Abgeordnete Karin Greiner (S) wollte vor allem wissen, ob überprüft wurde, welche qualitativen Auswirkungen die Umsetzung der Gratispflichtkindergartenvereinbarung, etwa auf die Verbesserung der Bildungschancen der Kinder, hat. Ihr Fraktionskollege Johann Hell thematisierte vor allem die Fortführung dieser Maßnahme, deren Finanzierung derzeit noch offen ist. ÖVP-Abgeordnete Claudia Durchschlag wies darauf hin, dass der Rechnungshof, einheitliche und verbindliche Öffnungszeiten für die Kinderbetreuungseinrichtungen empfohlen hat. Sie gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass dies natürlich auch zu höheren Ausgaben führen würde. Abgeordneter Gerald Hauser (F) trat für eine echte Wahlfreiheit ein und wünschte sich mehr Unterstützung für jene Eltern, die ihre Kinder lieber daheim betreuen. Sorgen machte ihm die finanzielle Belastung der Gemeinden, die aufgrund der wachsenden Begehrlichkeiten vor immer größere Probleme gestellt werden. Abgeordnete Beate Meinl-Reisinger (N) regte eine generelle Umstellung der Finanzierung auf eine Subjektförderung an und bedauerte, dass die Maßnahmen keiner qualitativen Evaluierung unterzogen wurden.

Moser: Aufgabenbezogener Finanzausgleich sollte endlich umgesetzt werden

Einen sehr kritischen Befund stellte Rechnungshofpräsident Moser der Umsetzung der drei Vereinbarungen im Bereich der Kinderbetreuung aus, da sie ein negatives Beispiel dafür seien, dass das Prinzip der Wirkungsorientierung kaum Berücksichtigung fand. Eine ähnliche Vorgangsweise konnte man auch im Fall der Neuen Mittelschule und bei der Altenbetreuung feststellen, erinnerte er; der Bund gebe jedes Mal viel Geld aus, überprüfe aber nicht, ob damit die angestrebten Ziele erreicht werden.

Sowohl bei der Ausbauvereinbarung 2008 als auch bei der Einführung des Gratispflichtkindergartens war die Abrechnungspraxis des Bundes darauf ausgerichtet, Rückforderungen von Bundesmitteln tunlichst zu vermeiden, konstatierte Moser. Die dafür zuständigen Ressorts (Finanz- und Familienministerium, Bundeskanzleramt) akzeptierten die von den Ländern Niederösterreich und Steiermark vorgelegten Verwendungsnachweise für Bundesmittel, obwohl diese nur teilweise den Vereinbarungen entsprachen. Sowohl in Niederösterreich als auch in der Steiermark war zudem mangels zweckgebundener Verbuchung der Bundeszuschüsse für den Gratispflichtkindergarten die Nachverfolgbarkeit der Mittel wesentlich erschwert. Dies müsse man noch vor dem Hintergrund betrachten, dass in beiden Ländern bereits vor Beginn der Vereinbarung ein Gratiskindergarten für 5–Jährige bestand.

Bedauern äußerte Moser auch darüber, dass trotz der großzügigen budgetären Vorsorge von 12 Mill. € für eine Evaluierung des Gratispflichtkindergartens keine konkreten Maßnahmen für seine qualitative Bewertung getroffen wurden. Die bisher ausschließlich quantitative Evaluierung stelle nur eine Minimalvariante dar, die lediglich Basisinformationen für eine weitere Analyse bieten könne. Auch die Verteilung der Entscheidungskompetenz auf drei Ressorts erschwerte aufgrund der Mehrgleisigkeiten die Nachverfolgung der widmungsgemäßen Mittelverwendung. Bezugnehmend auf die vom Bundeskanzleramt genannte Koordinationsfunktion in der Frauen– und Gleichstellungspolitik fehlten auch entsprechende Aussagen und Bewertungen zur Wirkung der Ausbauvereinbarungen.

Intransparenz herrschte auch hinsichtlich der Frage der Öffnungszeiten, bemängelte Moser. Die Zusammenfassung der Öffnungszeiten in der Kindertagesheimstatistik war wenig geeignet, Aussagen über deren Entwicklung zu treffen. Beispielsweise konnte daraus nicht geschlossen werden, ob die je Einrichtung genannten Öffnungszeiten für alle ihre Gruppen und Kinder gelten. Der ÖVP-Abgeordneten Durchschlag gegenüber stellte Moser fest, dass bei Kindergartenbesuchen über Ländergrenzen hinweg die Kostenfreiheit des Pflichtbesuchs sichergestellt werden sollte.

Zur teilweisen Abdeckung der bei Ländern, Gemeinden und Erhaltern durch den Gratispflichtkindergarten entstehenden Mehrkosten stellte der Bund in den Kindergartenjahren 2009/2010 bis 2012/2013 Zuschüsse von insgesamt 280 Mio. € zur Verfügung; die darüber hinausgehende Weiterführung und Finanzierung dieser Maßnahme bleibe jedoch offen. Durch die Einführung des Gratispflichtkindergartens stieg die Betreuungsquote der 5–Jährigen österreichweit um 2,5 % auf 96,4 % (Stand 2010/2011), was einem Zuwachs von 2.350 Kindern in dieser Altersgruppe entspricht. Dieser Anstieg sei im Hinblick auf die bereits bestehende hohe Betreuungsquote, das jährlich dafür aufgewendete Finanzvolumen von 70 Mio. € und die eingeführte Besuchspflicht jedoch als gering einzustufen. Erhebungsschritte und Bewertungen, inwiefern der Gratispflichtkindergarten die Bildungsmöglichkeiten und Startchancen unabhängig von ihrer sozioökonomischen Herkunft verbesserte, unterblieben bisher.

Eingehend auf die Wortmeldung des Abgeordneten Gerald Hauser (F) richtete Moser einen dringenden Appell an die Mandatare, sich für einen aufgabenbezogenen Finanzausgleich einzusetzen. Allein am Beispiel der Kinderbetreuung zeige sich, dass durch einen weiteren Ausbau des Angebots natürlich auch die laufenden Kosten für die Kommunen steigen und einzuplanen sind. Sollten keine entsprechenden Gegenmaßnahmen gesetzt werden, kommen die Gemeinden unter die Räder, befürchtete er. (Schluss) sue