Parlamentskorrespondenz Nr. 511 vom 28.05.2014

EU-Unterausschuss missbilligt Plan der EU zu Einpersonen-GmbH

Nationalrat beschließt Subsidiaritätsrüge

Wien (PK) – Auch der EU-Unterausschuss des Nationalrats schickte heute eine Subsidiaritätsrüge nach Brüssel. Der Plan der EU, Einpersonen-GmbHs mit einem Euro Stammkapital europaweit gründen zu können, fiel auf breite Ablehnung. Man befürchtet Umgehung und Missbrauch nationaler Standards, insbesondere auch die Aushöhlung von ArbeitnehmerInnenrechten. Zudem ziehen die Abgeordneten die rechtliche Grundlage, auf die sich die EU-Kommission stützt, in Zweifel. Die Grünen und die NEOS teilten die Bedenken der anderen Fraktionen nicht und sahen im Vorschlag der Kommission eher eine Chance für junge engagierte UnternehmerInnen.

Brandstetter: Heimische Rechtsordnung ist sinnvoller und zielführender

Laut Kommissionsvorschlag sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, in ihren jeweiligen nationalen Gesellschaftsrechten eine Sonderform der Einpersonen-GmbH vorzusehen, die EU-weit dieselbe Bezeichnung ("Societas Unius Personae - SUP") trägt und auch inhaltlich weitestgehend harmonisiert ist. Als Gründer kommen laut Entwurf natürliche oder juristische Personen in Betracht, die eine SUP mittels eines EU-weit einheitlichen Formulars auch rein online gründen können. Der satzungsmäßige Sitz und der Ort der hauptsächlichen Geschäftstätigkeit müssen nicht in demselben EU-Mitgliedstaat liegen.

Wie Bundesminister Wolfgang Brandstetter dazu ausführte, sei es grundsätzlich zu begrüßen, grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit und die Gründung von Gesellschaften im Ausland zu erleichtern. Mit dem vorliegenden Vorschlag könne dieses Ziel jedoch nicht erreicht werden, stellte er fest. Die Richtlinie würde im Ergebnis zu beträchtlicher Rechtsunsicherheit führen, denn die zahlreichen Verweise auf das nationale Recht würden nicht die gewünschte Einheitlichkeit erreichen, sondern vielmehr zu 28 unterschiedlichen Rechtsformen führen.

Das vorgesehene Mindeststammkapital von einem Euro bezeichnete der Minister als absolut lächerlich und auch im Sinne des Gläubigerschutzes für inakzeptabel. Die Bestimmung würde unseriösen Gründungen Tür und Tor öffnen, stellte er fest.

In einem rein elektronischen Eintragungsverfahren könne die Identität der Gesellschafter nicht mehr hinreichend überprüft werden, wodurch Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und generell die missbräuchliche Verwendung der Rechtsform erleichtert werden, warnte Brandstetter. Durch die Möglichkeit der GründerInnen, den Satzungssitz und damit das anzuwendende nationale Gesellschaftsrecht unabhängig vom Ort der hauptsächlichen Geschäftstätigkeit zu wählen, sei zu befürchten, dass sich die GründerInnen häufig jene Rechtsordnungen aussuchen werden, die die geringsten Anforderungen stellen. Außerdem stehe die Bestimmung in einem enormen Spannungsverhältnis zur österreichischen Rechtsordnung, konstatierte der Justizminister, wo es zum Beispiel umfangreiche Regelungen für die Banken gebe.

Der Minister hält insgesamt die heimischen Regelungen für besser und sinnvoller als die von der Kommission auf dem Tisch liegenden Vorschläge.

Abgeordnete befürchten Umgehung von Vorschriften sowie Steuer- und Sozialbetrug

Die von den Abgeordneten Hannes Weninger (S), Angelika Winzig (V), Johannes Hübner (F) und Waltraud Dietrich (T) vorgelegte Subsidiaritätsrüge wurde mit Ausnahme der NEOS mit einer berietn Mehrheit unterstützt. Die Grünen brachten zwar inhaltliche Kritik an dem Antrag an, stimmten aber aus rechtlichen Gründen, wie Matthias Köchl (G) erklärte, zu.

Mit dem gegenständlichen Richtlinienvorschlag werde faktisch eine supranationale Rechtsform geschaffen, die in jedem Mitgliedstaat neben die nationale Rechtsform tritt, argumentieren die AntragstellerInnen und verweisen auf ein Erkenntnis des EuGH, wonach man sich in einem solchen Fall nicht auf Art. 50 AUVA stützen könne. Diese Auffassung teilte auch der Justizminister.

Des Weiteren äußern die Abgeordneten darin ihre Sorge, dass durch den Richtlinienvorschlag Maßnahmen von Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Umgehung von Rechtsvorschriften, unlauteren Praktiken, sowie Steuer- und Sozialbetrug verhindert bzw. sehr erschwert würden. Die Vernachlässigung des Schutzes des öffentlichen Interesses, der GläubigerInnen, der KonsumentInnen und der ArbeitnehmerInnen könne nicht durch Kostensenkungen bei Gesellschaftsgründungen gerechtfertigt werden. Dieses Modell der Einpersonengesellschaft würde zu Missbrauch und Umgehung nationaler Standards wie Mindeststammkapital einladen sowie die grenzüberschreitende Scheinselbstständigkeit fördern, heißt es in der Subsidiaritätsrüge. Würde der Vorschlag Realität, könnten Personen, die die vorgeschlagene Gesellschaftsform zu unlauteren Praktiken heranziehen wollen, in der ganzen EU tätig werden und den Sitz nach Belieben wählen. Behörden könnten im Gegensatz dazu jedoch nur mit sehr großem Aufwand grenzüberschreitend tätig werden. Daher seien Mindestschutzvorschriften festzulegen, die aber im Richtlinienvorschlag weitgehend fehlen. Der Kommissionsentwurf widerspreche damit nicht nur dem Subsidiaritätsprinzip, sondern auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Die Abgeordneten vertreten auch die Auffassung, dass die Ziele des Vorschlags, nämlich die Gründung von Gesellschaften im Ausland zu erleichtern, auch durch innerstaatliche Regelungen erreicht werden können, ohne dass wesentliche Schutzbestimmungen für GläubigerInnen, KonsumentInnen und ArbeitnehmerInnen aufgegeben werden.

Breite Ablehnungsfront unter den Abgeordneten

In der Diskussion warnte vor allem Abgeordneter Josef Muchitsch (S) vor den sozialen Folgen dieses Vorschlags. Was sich schon jetzt mit den "Ich-AGs" abspiele, brauche man nicht durch noch mehr Vereinfachung fördern, sagte er. Mit den vorgeschlagenen Neuerungen wolle man die Menschen in die Scheinselbstständigkeit drängen und schade damit im Falle eines Konkurses nicht nur den betreffenden Personen, sondern gefährde auch die Finanzierung des Pensions- und Gesundheitssystems. Muchitsch warnte in diesem Zusammenhang vor Lohndumping. Ähnlich argumentierte sein Klubkollege Hannes Weninger, der mutmaßte, die Kommission starte einen neuerlichen Versuch, den Binnenmarkt auf Kosten der ArbeitnehmerInnenrechte auszudehnen. Auch Waltraud Dietrich vom Team Stronach befand, dass der Vorschlag Missbrauch Tür und Tor öffne.

Man wolle nicht das System der Briefkastenfirmen auf ganz Europa überstülpen, warf Europa-Abgeordnete Evelyn Regner (S) ein. Vielmehr gehe es darum, das Scheinunternehmertum zu bekämpfen. Bereits heute sei die Schwarzarbeit weit verbreitet, der Kommissionsvorschlag fördere Ausbeutung und Taglöhner, so die EU-Parlamentarierin. Kein Verständnis für die Gesamtkonzeption der Kommission zeigte auch Johannes Jarolim (S), der das Vorgehen sogar als "dreist" bezeichnete. Selbstverständlich sei nichts dagegen einzuwenden, grenzüberschreitendes Wirtschaften zu erleichtern, sagte er, aber die Kommission wolle nun etwas organisieren, was zum Sozialmissbrauch einlade.

Kapitalgesellschaften ohne Kapital seien ein Widerspruch in sich, bemerkte Angelika Winzig (V). Auch für sie ist es ein Anliegen, den Unternehmen den Marktzugang zu erleichtern, dazu müsse man aber ihrer Meinung nach nicht etwas Neues schaffen.

In die Zahl der Kritiker reihten sich auch die FPÖ-Abgeordneten Johannes Hübner und Reinhard Eugen Bösch ein. Hübner gab nur zu bedenken, dass es auch bei den bestehenden GmbHs keinen Gläubigerschutz gebe. Dem entgegnete der Justizminister, in einem Strafverfahren könnte herauskommen, dass man das Stammkapital nicht hätte aufs Spiel setzen dürfen, womit eine Haftung gegeben sei.

Grüne und NEOS sehen im Kommissionsentwurf eine Chance

Ganz anders reagierten Grüne und NEOS, die den Entwurf der Kommission als eine Chance für JungunternehmerInnen sahen, wobei durchaus Kritik im Detail anzubringen sei. Die kleinen GmbHs hätten grundsätzlich Erfolg, argumentiert Matthias Köchl (G), man könne nicht alle Einpersonenunternehmen über einen Kamm scheren, sondern man müsse branchenspezifisch vorgehen. Viele KleinunternehmerInnen brauchten lediglich einen Schreibtisch und einen Laptop, um europaweit agieren zu können. Wie kommen diese dazu, nicht die Rechtsform zu bekommen, die sie brauchen, stellte er die Frage in den Raum.

Die Diskussion um die Subsidiaritätsrüge mache deutlich, dass Österreich unternehmerfeindlich sei, stellte Rainer Hable seitens der NEOS fest. Der Sinn des Kommissionsentwurfs sei es, engagiertes Unternehmertum zu fördern, und das sei vor dem Hintergrund hoher Jugendarbeitslosigkeit wichtig. Ihm zufolge hat Stammkapital nichts mit Gläubigerschutz zu tun, weil es sofort herausgenommen werden könne, außerdem bleibe die Prüfung der Antragsstellung in der Kompetenz der Mitgliedstaaten, was eine Identifizierung sicherstelle. Auch die Skepsis der Abgeordneten hinsichtlich der Rechtsgrundlage für den Vorschlag ist für ihn nicht nachvollziehbar, weil der Vorschlag zahlreiche Verweise auf nationale Rechtsordnungen beinhalte und im Grunde genommen 28 verschiedene Gesellschaften, je nach nationalen Vorschriften, gegründet werden können.

Positives Echo auf verbesserte Rechte für AktionärInnen

Auf grundsätzlich positive Resonanz fiel der Richtlinienentwurf zur Verbesserung der Aktionärsrechte und damit zu einer weiteren Verbesserung der Corporate Governance, wobei das Justizministerium in Detail einige kritische Anmerkungen macht. So bestehen beispielsweise Bedenken hinsichtlich der technischen Machbarkeit wie der Kommunikation zwischen Gesellschaften und Aktionären im Wege der Depotbanken und der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit mancher Bestimmungen. Das Ministerium nennt unter anderem die Verpflichtung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens bei bestimmten Transaktionen. In Bezug auf die Regelungen über die Vorstandsvergütung macht man auf die Besonderheiten des im österreichischen Aktienrecht geltenden dualistischen Systems mit Vorstand und Aufsichtsrat aufmerksam.

Der Vorschlag der Kommission gliedert sich in drei wesentliche Punkte. Einerseits soll die Kommunikation zwischen Gesellschaft und Aktionären verbessert werden, indem die Banken an den Informationsübermittlungen von den Gesellschaften an die Aktionäre und umgekehrt mitwirken. Die Kommission begründet den Vorstoß damit, dass börsenotierte Gesellschaften nur einen Teil ihrer Aktionäre kennen, weil diese die Depots bei Banken im In- und Ausland halten.

Darüber hinaus ist es ein Anliegen der Kommission, die Transparenz zu erhöhen. Das betrifft insbesondere institutionelle Anleger, wie zum Beispiel Pensionskassen und Vermögensverwalter, die einen signifikanten Anteil des Aktienkapitals halten und Kapital von kleineren Anlegern bündeln. Ähnliches gilt für Berater, die Aktionären Ratschläge erteilen, wie sie ihr Stimmrecht ausüben sollen. Bei Umsetzung des vorliegenden Entwurfs würden institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Berater zu mehr Transparenz verpflichtet werden, etwa durch Offenlegung der Anlagestrategie.

Ein weiterer Punkt betrifft die Anhebung der Transparenz und die Mitwirkungsmöglichkeiten von Aktionären hinsichtlich der Vorstandsvergütungen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist vorgesehen, dass die Hauptversammlung eine generelle Vergütungspolitik beschließt, die grundsätzliche Festlegungen für die Vorstandsvergütungen enthält. Zudem sollen die Gesellschaften dazu verpflichtet werden, einen eigenen Vergütungsbericht zu erstellen, in dem die tatsächlich gewährten Gehälter detailliert offenzulegen sind.

Um der Gefahr zu begegnen, dass Transaktionen zwischen einer Gesellschaft und dieser nahenstehenden Unternehmen oder Personen zu schlechten Konditionen abgeschlossen werden, schlägt die Kommission vor, bei börsenotierten Gesellschaften die Marktüblichkeit der Transaktionen ab einem bestimmten Geschäftsvolumen (1% des Vermögens) durch einen Sachverständigen bestätigen zu lassen. Ab 5% des Vermögens soll eine solche Transaktion der vorherigen Genehmigung durch die Hauptversammlung bedürfen. (Schluss) jan