Parlamentskorrespondenz Nr. 644 vom 01.07.2014

EU will Schwarzarbeit verstärkt den Kampf ansagen

EU-Unterausschuss begrüßt Einrichtung einer Europäischen Plattform und beschließt Mitteilung an die EU

Wien (PK) – Die EU will der Schwarzarbeit verstärkt den Kampf ansagen. Eine von der Kommission geplante Europäische Plattform soll die Zusammenarbeit der nationalen Behörden durch den Austausch bewährter Verfahren und Informationen sowie den Aufbau von Fachwissen verbessern und grenzüberschreitende Maßnahmen fördern. Der entsprechende Vorschlag stand heute im EU-Unterausschuss zur Diskussion.

Ausschuss beschließt Mitteilung an Rat und Europäisches Parlament

Die Plattform fand im Ausschuss breite Unterstützung, wobei Grüne, Team Stronach und NEOS von einem ersten Schritt in die richtige Richtung sprachen. Lediglich die FPÖ sah dahinter einen weiteren bürokratischen Aufwand ohne konkrete Aufgabenstellung.

Vollinhaltlich begrüßt wurde die Plattform von SPÖ und ÖVP, auch wenn sie noch Ausbaumöglichkeiten sahen. Die Abgeordneten Hannes Weninger (S) und Angelika Winzig (V) legten dazu eine Mitteilung an den Rat und an das Europäische Parlament vor, die schließlich mit den Stimmen der beiden Koalitionsparteien sowie der Grünen und des Team Stronach mehrheitlich angenommen wurde.

Die Bemühungen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping dürfen nicht unterlaufen werden, halten darin die Abgeordneten fest, deshalb hätten sowohl Nationalrat als auch Bundesrat den Vorschlag zur Einführung von Gesellschaften mit einem einzigen Gesellschafter zurückgewiesen. Die AntragstellerInnen fordern daher den EU-Gesetzgeber auf, die Teilnahme an der Plattform verbindlich zu machen und die Liste der Aktivitäten offen zu gestalten, sodass man beispielsweise auch Maßnahmen im Zusammenhang mit der Entsenderichtlinie darunter subsumieren könne. Die Entsenderichtlinie stellt sicher, dass ArbeitnehmerInnen eines Mitgliedstaates, die in einem anderen EU-Mitgliedsland über einen längeren Zeitraum arbeiten, den dortigen rechtlichen Verhältnissen unterliegen. Damit soll Lohn- und Sozialdumping unterbunden werden.

Die Abgeordneten rufen in dem Antrag auch zum Kampf gegen Scheinselbstständigkeit auf und schlagen vor, Initiativen und Strafen für eine Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit in Hinblick auf die Eindämmung von Lohn- und Sozialdumping zu erarbeiten und entsprechende bilaterale Initiativen zu unterstützen.

Gerald Loacker (N) begründete die Ablehnung des Antrags durch seine Fraktion mit der Feststellung, dass die NEOS die Skepsis gegenüber den Gesellschaften mit einem Gesellschafter nicht teilen.

Hundstorfer: Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt

"Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt", stellte auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer unmissverständlich fest, vielmehr sei Sozialbetrug eine ernstzunehmende Gefahr, insbesondere für die Finanzierung der Sozialversicherung im Rahmen des österreichischen Umlageverfahrens. Er begrüße daher die geplante Plattform und hoffe, dass diese im Frühherbst im Rat beschlossen wird. Österreich sei es dabei gelungen, in den Verhandlungen eine möglichst breite inhaltliche Ausrichtung durchzusetzen, welche nun auch die Scheinselbstständigkeit umfasst.

Zentrales Kontrollorgan in Österreich sei die Finanzpolizei, die eng mit anderen Behörden wie der Sozialversicherung zusammenarbeite. In der Plattform werde Österreich durch jemanden aus dem Hauptverband vertreten sein, informierte Hundstorfer die Abgeordneten.

Österreich selbst habe in den letzten Jahren wichtige Maßnahmen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit bzw. Sozialbetrug gesetzt, erinnerte Hundstorfer und betonte, dass der Dienstgeber jede von ihm beschäftigte pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden hat und Meldungen in Papierform nicht mehr gestattet sind. Zudem gebe es seit 2011 das AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz sowie das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz. Zur Verbesserung grenzüberschreitender Zusammenarbeit in diesem Bereich habe auch ein Staatsvertrag mit Deutschland abgeschlossen werden können.

Die Bundesregierung beabsichtige weiter, die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden zu verbessern und habe in diesem Sinne das Pilotprojekt "Task Force Merlin" im Jahr 2010 gestartet. Im Jänner 2014 sei zusätzlich das Pilotprojekt UNDOK als unbürokratische Anlaufstelle für Menschen eingerichtet worden, die in Schwarzarbeit tätig sind.

Dieses Bündel von Maßnahmen habe dazu beigetragen, dass in Österreich der Anteil an nichtdeklarierter Arbeit bei 7,5 % des BIP liege, eine der niedrigsten Quoten innerhalb der EU, betonte Hundstorfer. Man werde aber nicht locker lassen und weiter gegen Sozialbetrug kämpfen, sagte er, weshalb ein Forschungsprojekt des Sozialministeriums und der Universität Wien ins Leben gerufen worden sei, mit dem Ziel, Vorschläge zur Effektivitätssteigerung bei der Bekämpfung des Sozialbetrugs zu erarbeiten. Auf Basis dieser Studie sei eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die verschiedene Vorschläge sammelt, am Ende des Weges soll ein entsprechender Gesetzentwurf erstellt werden.

Erwartungen an die Europäische Plattform

Die Kommission erwartet sich von der Tätigkeit der genannten Plattform eine Reduktion von Schwarzarbeit und gleichzeitig eine Zunahme regulärer Beschäftigungsverhältnisse, womit auch ein Beitrag zur Erreichung des Beschäftigungsziels der Strategie Europa 2020 geleistet werden könne. Prinzipiell aber begründet die Kommission ihre Initiative mit den negativen budgetären, wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Schwarzarbeit. Sie trage nicht nur zu niedrigeren Einnahmen aus Steuer- und Sozialversicherungsabgaben bei, sondern wirke sich auch negativ auf Beschäftigung, Produktivität, Arbeitsbedingungen, Entwicklung von Kompetenzen und lebenslanges Lernen aus, heißt es in der Vorlage. Zudem führe sie zu geringeren Pensionsansprüchen und zu einem nur eingeschränkten Zugang zur Gesundheitsvorsorge. Außerdem wirke Schwarzarbeit wettbewerbsverzerrend zwischen den Unternehmen. Den Fokus will die Kommission auch auf die falsch deklarierte Erwerbstätigkeit, sprich Scheinselbständigkeit, legen, da sie ähnliche Konsequenzen für den Staat sowie für die sozialrechtliche Absicherung der Betroffenen hat, wenn auch in geringerem Ausmaß.

Die Hauptverantwortung für den Kampf gegen die Schwarzarbeit liegt bei den einzelnen Mitgliedstaaten. Innerhalb der EU sind jedoch diesbezüglich, was Maßnahmen und Messungen angeht, große Unterschiede festzustellen, sodass hier die Kommission eine stärkere Koordination und Kooperation für erforderlich hält. Die ins Auge gefasste Plattform soll sich aus nationalen Durchsetzungsbehörden aller Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Kommission zusammensetzen. Als Beobachter sollen Europäische Sozialpartner, VertreterInnen der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) sowie der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der EWR-Staaten teilnehmen. Jeder Mitgliedstaat wird aufgerufen, eine einzige Anlaufstelle (Single point of contact) als Mitglied der Plattform zu benennen. Den Vorsitz wird laut Vorschlag die EU-Kommission übernehmen, die auch die Arbeit der Plattform koordiniert.

Einbindung aller EU-Mitgliedstaaten notwendig

Wichtig sei, alle Länder einzubinden, vor allem jene Mitgliedstaaten, die im Kampf gegen Sozialbetrug noch nicht so erfolgreich sind, begrüßte Hannes Weninger (S) den Vorstoß der EU. Die Plattform biete Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Weitergabe von Maßnahmen und Erfahrungen im eigenen Staat. Einen Mehrwert erwartet sich auch Angelika Winzig (V), wenn die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen bei Entsendungen besser eingehalten werden. Das Sozialsystem funktioniere nur, wenn auch Abgaben entrichtet werden, befürwortete Franz Leonhard Eßl (V) die ins Auge gefasste Plattform.

Notwendig sei es, Lohn und Sozialdumping über die Grenzen hinweg ahnden und Sanktionen europaweit exekutieren zu können, sagte Josef Muchitsch (S), der vor allem in der Scheinselbständigkeit ein massives europäisches Problem ortete. Arbeitssuchende würden unter völlig falschen Voraussetzungen von organisierten Menschenhändlern vermittelt, womit letztendlich viel menschliches Leid verbunden sei.

Scheinselbständigkeit werde innerhalb der EU sehr unterschiedlich definiert, merkte dazu Angelika Winzig (V) an. Kritik an der Sozialversicherung übte in diesem Zusammenhang Gerald Loacker von den NEOS. Es gebe viele, die gerne selbständig sein wollen und von der Sozialversicherung als Unselbständige deklariert würden, gab er zu bedenken. Damit überschritten die Gebietskrankenkassen bei weitem ihre Kompetenzen. Hundstorfer informierte darauf, dass zu dieser Frage im Hauptverband eine Clearing-Stelle eingerichtet worden sei.

Grüne befürchten Lohn- und Sozialdumping durch TTIP

Als einen ersten Schritt in die richtige Richtung bezeichnete Birgit Schatz (G) die Initiative der EU. Sie beklagte aber die mangelnden Ressourcen für die Plattform und sah darin eher nur eine Symbolik. Die Entsenderichtlinie reiche nicht aus, sagte sie, man müsse vielmehr die Standards vereinheitlichen. In einem Antrag auf Stellungnahme fordern die Grünen daher, die Agenden der Plattform eng mit effektiven Maßnahmen gegen das Lohn- und Sozialdumping auf EU-Ebene zu verknüpfen, beispielsweiße durch Festlegung hoher Mindeststandards, gesetzlich garantierter, existenzsichernder Mindestlöhne und durch eine Steuerharmonisierung. Die Plattform soll nach Ansicht der Grünen auch die Ressourcen erhalten, Schlupflöcher für Schwarzarbeit auszumachen und diese zu schließen.

Schatz wollte ihren Antrag aber noch weiter fassen, da sie durch das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP enormen Druck auf Lohn- und Sozialstandards in der EU zukommen sieht. Die Grünen lehnen daher allgemein Handelsabkommen ab, die Lohn- und Sozialdumping Vorschub leisten und fordern ausdrücklich, Arbeits- und Sozialstandards in Europa zu sichern und auszubauen.

Der Antrag wurde von den anderen Fraktionen mehrheitlich abgelehnt, obwohl SPÖ und ÖVP großteils positive Ansätze darin fanden. Für Hannes Weninger (S) war der Antrag zu weit gefasst, Franz Leonhard Eßl (V) wiederum äußerte Skepsis gegenüber der Steuerharmonisierung. Die Schließung von Schlupflöchern sei Sache der Parlamente, hielt er fest. Zu TTIP unterstrich Sozialminister Hundstorfer einmal mehr, in Österreich und auch innerhalb der EU gebe es eine klare Position, wonach an den hohen sozialen Standards nicht gerüttelt werden dürfe. Außerdem werde die Durchsetzungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie demnächst in Österreich umgesetzt, womit man einen weiteren wichtigen Schritt im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping mache.

Lohnnebenkosten und Schwarzarbeit

Jede Maßnahme zu mehr Zusammenarbeit begrüßten auch die Abgeordneten Gerald Loacker (N) und Rouven Ertlschweiger (T). Studien sprächen davon, dass dem Staat jährlich rund 2,5 Mrd. € durch die Schwarzarbeit entgehen, sagte Ertlschweiger. Beide Mandatare sahen einen Grund für die Schwarzarbeit in der hohen Abgabenquote, vor allem aber in den hohen Lohnnebenkosten. Den Handwerkerbonus bezeichnete Loacker in diesem Zusammenhang als einen "Rohrkrepierer" mit hohem bürokratischen Aufwand. Diesem Argument widersprach der Sozialminister heftig indem er darlegte, dass Länder mit hohen Lohnnebenkosten, wie etwa Österreich, Schweden und Dänemark, den geringsten Anteil an Schwarzarbeit vorweisen. Ein Zusammenhang sei daher nicht gegeben, konstatierte der Sozialminister, wobei auch er die Auffassung vertrete, dass die Lohnnebenkosten überarbeitet werden müssten.

Dezidiert gegen die Plattform sprach sich die FPÖ aus. Johannes Hübner (F) bezeichnete diese als eine "EU-Karikatur", als eine von konkreten Aufgaben losgelöste Bürokratie. Laut Artikel 4 des Vorschlags bestünden die Aufgaben der Plattform etwa in der Verbesserung des Wissensstandes, in der Schaffung einer Wissensbank, im Aufbau von Weiterbildungskapazitäten und der Organisation von Peer Reviews. Er, Hübner, sehe daher keinen Mehrwert, weder für die EU, noch für Österreich. Der Kampf gegen die Schwarzarbeit sei Aufgabe der Mitgliedstaaten, stellte Hübner fest, außerdem seien die Lohn- und Sozialstandards innerhalb der EU völlig unterschiedlich. Wenn man wettbewerbsneutral sein will, dann müsse man harmonisieren, so der FPÖ-Abgeordnete. (Schluss) jan