Parlamentskorrespondenz Nr. 780 vom 02.09.2014

Nationalrat: Steßl und Mahrer am Prüfstand

Misstrauensantrag der FPÖ gegen Bundesregierung abgelehnt

Wien (PK) – Neben den neuen Ressortchefs nahmen heute auch die beiden Staatssekretäre in der Sondersitzung des Nationalrats Stellung zu ihren Aufgaben. Sonja Steßl übernimmt von nun an das Amt der Staatssekretärin für Verwaltung und öffentlichen Dienst und wechselt vom Finanzministerium ins Bundeskanzleramt, Harald Mahrer wird Staatssekretär im Wirtschafsministerium.

Steßl: In der Verwaltung bestehen Effizienzpotentiale

Staatssekretärin Sonja Steßl versicherte, dass sie ihre neue Aufgabe mit demselben Optimismus und Elan, aber auch mit großem Respekt und Demut begegnen wird. Die politische Spiegelungsfunktion zum Finanzminister gehöre nach wie vor zu ihrem Aufgabenbereich, im Bundeskanzleramt werde sie aber hauptsächlich für die Verwaltung und den öffentlichen Dienst zuständig sein. Weitere Agenden, die sie betreuen wird, betreffen die Koordinierung der Steuerreform und andere budgetpolitische Vorhaben, das Verwaltungsmanagement und E-Government sowie Angelegenheiten der Struktur- und Regionalpolitik. In der Verwaltung bestehen Effizienzpotentiale, unterstrich sie, gab aber auch zu bedenken, dass der Staat optimal verwaltet werden müsse. So sei eines der Reformprojekte das Amt der Bundesregierung, erläuterte Steßl und sah dieses als eines der Leitprojekte der Bundesregierung neben der Steuerreform, der Neuordnung von Bund, Ländern und Gemeinden sowie der Budgetstrategie.

Otto Pendl (S) brach eine Lanze für die Bundesregierung und attestierte dieser Kompetenz und Leadership. Außerdem leiste der öffentliche Dienst erstklassige Arbeit, sagte er und verwies darauf, dass unter Bundeskanzler Faymann die größten verwaltungsreformatorischen Maßnahmen des Jahrhunderts gesetzt worden seien. So zu tun, als ob hier nichts passieren würde, sei schlichtweg falsch und unrichtig, sagte Pendl. Man sei nun gemeinsam gefordert, der heutigen Zeit entsprechend neue dienstrechtliche Bestimmungen zu verhandeln.

Gabriele Tamandl (V) sprach sich dafür aus, die Budgetdisziplin weiterhin einzuhalten und mit dem Geld der SteuerzahlerInnen sehr sorgsam umzugehen. Die Steuerreform sollte ArbeitnehmerInnen, Familien und auch Betriebe in diesem Land entlasten, sagte sie und verwies auf die Herausforderungen wie etwa ein modernes und leistungsorientiertes Dienstrecht und eine abgeschlankte und kundenfreundliche Verwaltung. Außerdem wünsche sie sich einen respektvollen Umgang mit den Bediensteten im öffentlichen Dienst, so Tamandl.

Nachdem der Bundeskanzler personell sehr gut ausgestattet sei, dürfe man sich nicht wundern, warum es keinen eigenen Wissenschaftsminister mehr gebe, bemängelte Christian Lausch (F). Zudem könne die ÖVP mit Geld sichtlich nicht umgehen, meinte der Mandatar und kritisierte die Ministerwechsel im Finanzministerium in den letzten Jahren. "Öffentlich Bedienstete leisten hervorragende Arbeit in diesem Land, trotz dieser Bundesregierung", so Lausch.

Transparenz und Kontrolle wesentliche Kriterien modernen Verwaltens

Auch Gabriela Moser (G) stellte das Amt der Kanzleramtsstaatssekräterin an sich in Frage. Steßl habe zwar ein breites Wirkungsfeld, wie sie sich aber politisch, etwa bei der Frage der Verwaltungsreform, einbringen werde, sei die nächste Frage, meinte Moser. In dieser Angelegenheit hätte Steßl sehr wohl einen Partner in ihrer Fraktion, jedoch wisse man bereits, dass die Verwaltungsreform stets im Nirvana der Kompetenzen der Bundesländer ende. Als Ratschlag gab Moser Steßl zu bedenken, dass es besonders um Bürgerbeteiligung, Evaluation und Transparenz gehe. Denn Transparenz und Kontrolle seien die wesentlichen Kriterien modernen Verwaltens.

Christoph Hagen (T) stellte die Frage in den Raum, welche Aufgaben der Bundeskanzler noch habe, wenn dieser alles delegiere und abgebe. Für seine Fraktion brachte der Mandatar einen Entschließungsantrag betreffend "Fair-Tax-Steuerreform für mehr Wirtschaftswachstum" ein und forderte dazu auf, diesen auch zu verhandeln. Überdies sei es notwendig, für die Exekutive ein eigenes Exekutivdienstrecht zu erarbeiten und die Verwaltungsreform sollte nicht nur Floskel sein, merkte Hagen an.

Nikolaus Alm (N) bemängelte die verpasste Chance, die Querschnittsmaterie Internet in einem eigenen Staatssekretariat zu bündeln. Der Mandatar vermisste die thematische Auseinandersetzung etwa mit Tor-Servern oder der Netzneutralität, die überdies, wie Alm kritisierte, in keinem Kapitel des Regierungsprogramms zu finden sei. Anstelle Risikoszenarien zu adressieren, stehe es an, aktive Netzpolitik zu betreiben. Denn das Internet sei eine Chance und Wirtschaftsfaktor zugleich. "Nützen sie diese Planstelle für ein eigenes Staatssekretariat Netzpolitik", forderte Alm.

Mahrer: Wettbewerbsfähigkeit durch Innovation sichern

In seiner Antrittsrede bezeichnete Staatssekretär Harald Mahrer das Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium als ein Zukunfts- und Schlüsselressort auf dem Weg zu einem modernen und menschlichen Österreich. In seiner politischen Arbeit gehe es ihm um die Balance zwischen Freiheit, sozialer Verantwortung und Ökologie, wobei er auf die ökosoziale Marktwirtschaft als Leitmodell setze. Als kleines Land müsse Österreich in großen Zusammenhängen denken und handeln, sagte Mahrer und betonte die Bedeutung der Innovationskraft für die Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft. Den Bildungssektor sah Mahrer vom Kindergarten bis zur Universität gefordert, wobei er Partikularinteressen eine Absage erteilte, wenn es darum gehe, die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Der neue Staatssekretär will unternehmerisches Denken verstärkt im Bildungssystem verankern und die Start-up-Kultur verbessern. Bildung, Forschung und eine starke Wirtschaft ermöglichten die Entlastung der Menschen und die Vergrößerung ihres persönlichen Freiraums. "Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft müssen gemeinsam an den Herausforderungen der Zukunft arbeiten", schloss Staatssekretär Mahrer.

Politische Baustellen: Studiengebühren und Studienplatzfinanzierung

"Die Weiterentwicklung der Bildungsgesellschaft zählt zu den wichtigsten Zukunftsherausforderungen" wusste sich Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) mit Vizekanzler Mitterlehner einig. Auch der Auffassung des neuen Vizekanzlers, die Streitkultur in der Wissenschaftspolitik zu verbessern, stimmte Kuntzl zu, wobei es ihrer Meinung nach in den letzten Jahren gelungen sei, zukunftsorientierte Lösungen zu finden – diesen Weg wolle sie fortsetzen. Denn Österreich brauche mehr qualifizierte junge Menschen, also nicht weniger, sondern mehr Studenten. Daher seien die Universitäten finanziell entsprechend auszustatten und die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses und der Studierenden zu verbessern. Die Chance, einen universitären Abschluss zu erreichen, dürfe nicht von der Geldbörse der Eltern abhängen, sagte Abgeordnete Kuntzl, die sich auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Staatssekretär freue, wie sie abschließend betonte.

Forschung und Wissenschaft sind die wichtigsten Treiber der Innovation, die für die Absicherung der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit Österreichs wichtig ist, stimmte Abgeordneter Karlheinz Töchterle (V) dem neuen Staatssekretär zu. Daher sei den Universitäten bei den nächsten Leistungsvereinbarungen zusätzliches Geld einzuräumen. Das reiche aber nicht aus. Die Forschung benötige überdies mehr private Mittel, etwa durch eine Reform des Stiftungsrechts. Der Aussage der Vorrednerin, Österreich brauche mehr Studenten und eine höhere Akademikerquote, schloss sich Töchterle nicht an. Er unterstrich die Forderung nach mehr Qualität an den Universitäten und nach Reformen, die dafür die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Für Töchterle sind weder die Neue Mittelschule noch eine Lehre "Bildungssackgassen", wie manche meinten, denn nur 30 % der Maturanten kommen aus der Langform der AHS, merkte der ehemalige Wissenschaftsminister an. Zu fördern sei der wissenschaftliche Nachwuchs und die Mobilität der Studierenden. Man sollte Forscher aus dem Ausland anziehen und zugleich dafür sorgen, dass österreichische Studenten häufiger ins Ausland gehen.

Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) sah sich in Kritik an der Zusammenführung des Wirtschaftsressorts und des Wissenschaftsressorts, die er einen "Unfug" nannte, durch die nunmehrige Ernennung eines Staatssekretärs in diesem Ressort bestätigt. Die Innovation brauche mehr Kraft in Österreich, um einen Rückfall in Mittelmäßigkeit und Wohlstandsverluste zu vermeiden. Die Politik sei verpflichtet, für eine bestmögliche Ausbildung der Jugend zu sorgen. Zwar werde die Fachkompetenz der Regierung nun durch eine Ärztin als Gesundheitsministerin und einen Staatssekretär im Wissenschaftsressort gestärkt, all das nütze aber nichts, wenn es weiterhin am Geld fehle und im Finanzministerium wegen ständiger Ministerwechsel Stillstand herrsche. Karlsböck mahnte die versprochene zusätzliche Milliarde für die Universitäten ein und wandte sich gegen Studienbeschränkungen, die vor allem heimische Studierende betreffe. Die Zahl ausländischer Studierender dürfe nicht auf Kosten einheimischer Studenten zunehmen, forderte Abgeordneter Karlsböck.

Der Kritik an der Fusionierung von Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium schloss sich von Seiten der Grünen auch Abgeordnete Sigrid Maurer (G) an. Minister Mitterlehner fehlten wissenschaftspolitische Visionen, bemängelte die Rednerin und wandte sich einmal mehr dagegen, die Wissenschaft der Wirtschaft auszuliefern und Forschungsergebnisse ausschließlich an ihrer Anwendbarkeit zu messen. Die Regierungsumbildung gebe die Chance, fatale Fehler rückgängig zu machen, auch wenn die Koalition bedauerlicherweise darauf verzichtet habe, wieder ein eigenständiges Wissenschaftsministerium zu schaffen. Die Wissenschaft sei in der politischen Schwerpunktsetzung der ÖVP marginalisiert, stellte Maurer entsetzt fest und vermisste ein wissenschaftspolitisches Statement des Staatssekretärs. Maurers Hoffnung galt der versprochenen Hochschulmilliarde. Für die Einhaltung dieses Versprechens werden sich die Grünen stark machen, versprach die Abgeordnete.

Für eine differenzierte Betrachtung der politischen Entwicklungen und für einen Vertrauensvorschuss für die umgebildete Regierung plädierte Abgeordneter Rouven Ertlschweiger (T). Die Menschen warteten auf Veränderung und Reformen und wünschten ein Ende des Stillstands herbei. Daher sei die Ernennung des neuen Staatssekretärs in dem wichtigen Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium positiv zu bewerten. Ertlschweiger sprach sich für eine Stärkung der Wissenschaftspolitik und für einen besseren Output im Wissenschaftssektor aus. Denn Österreich dürfe im Wettbewerb der innovativsten Länder "nicht länger hinterherlaufen", formulierte der Abgeordnete. Das erfordere nicht unbedingt mehr Geld für die Forschung, meinte der Mandatar, "was wir brauchen ist mehr Forschung für unser Geld".

Besonders berücksichtigen will der Redner die kleinen und mittleren Unternehmen, das Rückgrat des Wohlstandes in Österreich. Diese Betriebe dürften nicht länger von der Steuerpolitik ausgepresst werden wie eine Zitrone. Auch von besseren Rahmenbedingungen für Start-ups erwartet sich Ertlschweiger die Sicherung und Verbesserung des Standorts Österreich.

"Meine ursprünglichen Befürchtungen angesichts der Zusammenlegung des Wirtschafts- und des Wissenschaftsressorts haben sich nicht bewahrheitet", warf Abgeordneter Nikolaus Scherak (N) ein. Trotz des großen Engagements Mitterlehners ortete der Mandatar in der Wissenschaftspolitik große Baustellen, wofür mangelnde Bereitschaft der SPÖ verantwortlich zu machen sei, sich in der Frage der Studiengebühren zu bewegen. Auch bei der Studienplatzfinanzierung vermisste der Redner sinnvolle Vorschläge. Der Redner forderte die Regierungsparteien auf, zu bedenken, dass ihre großen Diskrepanzen in der Wissenschaftspolitik zu Lasten der Studierenden gehen.

Anträge der Opposition abgelehnt

Bei der Abstimmung wurde der Misstrauensantrag der FPÖ gegen die Bundesregierung mehrheitlich abgelehnt. Auch die beiden Entschließungsanträge des Teams Stronach auf Harmonisierung des Gesundheitssystems und eine Fair-Tax Steuerreform für Wachstum ohne Vermögenssteuer fanden keine Mehrheit und wurden abgelehnt. (Schluss Nationalrat) keg/fru