Parlamentskorrespondenz Nr. 916 vom 15.10.2014

Quecksilber in Süßwasserfischen: Oberhauser gegen Panikmache

Gesundheitsausschuss diskutiert über Lebensmittelsicherheit und Bisphenol A

Wien (PK) – Die in den österreichischen Handel kommenden Lebensmittel sind zu einem überwiegenden Teil sicher. Im vergangenen Jahr wurden nur 117 gezogene Proben (0,4%) als gesundheitsschädlich eingestuft, weitere 1.137 (3,6%) waren für den menschlichen Verzehr bzw. für den bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht geeignet. In 26.689 Fällen (85,2 %) gab es hingegen überhaupt keinen Grund zur Beanstandung. Mit diesem Daten aus dem Lebensmittelsicherheitsbericht 2013 befasste sich heute der Gesundheitsausschuss des Nationalrats.

Zwar gab es zuletzt Aufregung um den Quecksilbergehalt in österreichischen Süßwasserfischen, Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser plädierte in der Debatte allerdings dafür, "die Kirche im Dorf zu lassen". Die gemessenen Werte seien allesamt unter der Gefährdungsschwelle gelegen. Man müsse natürlich achtsam sein, mahnte Oberhauser, es wäre aber wohl wenig sinnvoll, würde das Gesundheitsministerium wegen des Testergebnisses nunmehr Fleischkonsum statt des Verzehrs österreichischer Fische empfehlen. Sie strebt vielmehr ein gemeinsames Gespräch zwischen NGOs, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und dem Gesundheitsministerium über den Umgang mit derartigen Ergebnissen an.

Weniger gelassen sieht der Agrarsprecher der Grünen, Wolfgang Pirklhuber, das Testergebnis. Er warnte insgesamt vor einer Verharmlosung von Pestizidrückständen und anderen Schadstoffen in Lebensmitteln und übte in diesem Zusammenhang scharfe Kritik an einem seiner Meinung nach schlecht recherchierten Artikel in der Zeitschrift Profil. Die AGES dürfe sich nicht in den Dienst der chemischen Industrie stellen, sondern müsse neutrale Analysen liefern, fordert er. FPÖ-Abgeordneter Josef A. Riemer zeigte sich mit den Ergebnissen des Lebensmittelsicherheitsberichts zwar grundsätzlich zufrieden, er gab aber zu bedenken, dass nur entdeckt werden könne, wonach gesucht werde.

Die häufigsten Beanstandungsgründe bei Lebensmitteln waren laut Bericht Kennzeichnungsmängel und zur Irreführung geeignete Angaben (9,5%). 1.392 Proben (4,4 %) wurden aus diversen anderen Gründen, etwa wegen Verstößen gegen die Hygiene- oder Trinkwasserverordnungen, bemängelt. Insgesamt haben die Lebensmittelaufsichtsbehörden der Länder 2013 46.214 Betriebskontrollen durchgeführt, 31.333 Proben wurden von den Untersuchungsanstalten der Länder und der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) begutachtet. Der Bericht wurde schließlich einstimmig zur Kenntnis genommen.

Pirklhuber: Gesundheitsausschuss muss "Pestizidlobby" entgegentreten

Im Rahmen der Debatte interprtierte Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber den Lebensmittelsicherheitsbericht dahingehend, dass die Bundesländer, was die Probenziehungen betrifft, gut unterwegs sind. Seiner Meinung nach braucht es aber eine stärkere Vernetzung der Länder bei Betriebsinspektionen. Gerade kleine Bundesländer hätten oft zu wenig Ressourcen und zu wenig SpezialistInnen zur Verfügung.

Scharfe Kritik übte Pirklhuber an einem aktuellen Bericht in der Zeitschrift Profil. Dass das "Profil" in Zusammenhang mit Pestizidrückständen und anderen Schadstoffen in Lebensmitteln von einem übertriebenen Alarmismus spreche, ist für ihn nicht angebracht, hier seien einseitig die Argumente der Chemieindustrie übernommen worden. Der Hinweis, dass jeweils nur geringe Mengen von Pestiziden nachgewiesen wurden, ist seiner Ansicht nach zu kurz gegriffen, für ihn zeigen die vorliegenden Testergebnisse vielmehr das enorme Ausmaß schädlicher Umweltbeeinträchtigungen durch den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft auf. So seien in Weintrauben und Traubenkernöl bis zu 13 verschiedene Pestizide entdeckt worden.

Pirklhuber forderte in diesem Zusammenhang auch eine unabhängige, kritische Analyse der AGES ein. Diese dürfe sich nicht in den Dienst der chemischen Industrie stellen, sondern müsse neutral sein, mahnte er. Auch der Gesundheitsausschuss müsse dagegen halten, wenn die "Pestizidlobby" bemüht sei, ihre Produkte zu verharmlosen.

Als erfreulich wertete es Pirklhuber, dass die österreichischen Lebensmittel dem Bericht zufolge tatsächlich gentechnikfrei im Sinne der gesetzlichen Vorschriften sind. Allerdings habe man in 10 von 276 Proben Spuren von gentechnisch veränderten Organismen in geringen Mengen, unter der Schwelle der Kennzeichnungspflicht, gefunden, skizzierte er. Pirklhuber äußerte den Wunsch, dass diese Daten genauer aufgeschlüsselt werden. Er urgierte außerdem einen aktuellen Pestizid-Monitoring-Bericht und aktuelle Trinkwasseranalysen für ganz Österreich. Die Bevölkerung habe das Recht zu erfahren, wie belastet das Trinkwasser in ihrem Heimatort sei.

FPÖ-Abgeordneter Josef A. Riemer bewertete die Ergebnisse des Berichts grundsätzlich positiv, gab aber zu bedenken, dass nur Sachen entdeckt werden können, die man auch untersuche. So vermisst er etwa Hinweise darauf, ob das Wildbret im steirisch-kärntnerischen Raum nach wie vor radioaktiv belastet ist. Auch den Umfang der Wassertests hinterfragte er. Angesichts des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft nicht verwunderlich ist für Riemer, dass österreichische Speisefische "quecksilberverseucht" sind.

Seitens der Koalitionsparteien sprach Abgeordneter Michael Ehmann (S) von einer erfreulichen Tendenz im Bereich der Lebensmittelsicherheit. Trotz erhöhter Kontrollen seien die Beanstandungen in den letzten drei Jahren rückläufig, hob er hervor. Auch die betriebliche Eigenkontrolle und die Zahl der Mitarbeiter-Schulungen in den Betrieben hätten zugenommen. Generell hielt Ehmann fest, es gehe nicht nur um Lebensmittelsicherheit, sondern auch um den Schutz der KonsumentInnen vor Täuschung. Auch ÖVP-Abgeordnete Angela Fichtinger hob die Bedeutung von Lebensmittelsicherheit hervor.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser sprach sich im Zusammenhang mit aktuellen Testergebnissen, etwa was den Quecksilbergehalt von österreichischen Süßwasserfischen betrifft, dafür aus, "die Kirche im Dorf zu lassen". Der Quecksilbergehalt sei bei allen von Global 2000 untersuchten Proben unter der Gefährdungsschwelle gelegen. Es wäre wohl nicht sinnvoll, würde das Gesundheitsministerium anstelle des Verzehrs von Fischen nunmehr Fleischkonsum empfehlen, meinte sie.

Aktuell gearbeitet wird laut Oberhauser an der Bereitstellung österreichweiter Daten über Trinkwasseranalysen. Österreich beteilige sich auch weiter an Risikoforschung, was Gentechnik anlangt, versicherte sie. Die Kooperation mit den Ländern bei der Lebensmittelkontrolle funktioniert laut Oberhauser gut, es gebe zwischen den Bundesländern aber Unterschiede bei Testungen und Probeziehungen. Sie hofft, über eine Bund-Länder-Vereinbarung zu einheitlichen Standards zu kommen.

In Richtung Abgeordnetem Riemer hielt Oberhauser fest, Lebensmittel würden umfassend analysiert, in einem einzigen Test würden bis zu 200 Pestizide abgefragt. Auch Radioaktivität sei in den Screening-Methoden dabei und würde über Kuhmilch nachgewiesen.

Von Riemer auf die TTIP-Verhandlungen angesprochen, betonte Oberhauser, Österreich werde ein Auge darauf haben müssen, dass die hohe Lebensmittelsicherheit in Österreich unter dem Abkommen nicht leidet. Das wertete auch Abgeordneter Pirklhuber als wesentlich. Österreich müsse beim Vorsorgeprinzip bleiben und dürfe nicht den von Amerika angewendeten haftungsbasierten Ansatz übernehmen, bekräftigte er.

Bisphenol A: Koalition setzt auf gemeinsame Vorgangsweise in Europa

Neuerlich vertagt wurde ein Entschließungsantrag des Team Stronach zur Verwendung von Bisphenol A (354/A(E)), der bereits im Umweltausschuss zur Diskussion stand. Geht es nach Abgeordneter Ulla Weigerstorfer, sollen die gesundheitlichen Auswirkungen des umstrittenen chemischen Weichmachers in Lebensmittelverpackungen untersucht sowie gegebenenfalls ein Verbot des Stoffes sowie der Einsatz möglicher Ersatzstoffe wie Lignin geprüft werden. Weigerstorfer macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) schädliche Wirkungen von Bisphenol A für Leber, Nieren, Fortpflanzungsorgane,  Brustdrüsen, Nerven, Immunsystem, Stoffwechsel, Herz und Gehirn annimmt und empfiehlt, die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge auf 5 Mikrogramm zu senken. In Babyschnullern und Babyfläschchen ist der Einsatz in Österreich bereits verboten.

Begründet wurde die Vertagung von SPÖ-Abgeordnetem Michael Ehmann damit, dass intensiv an einer gesamteuropäischen Lösung gearbeitet werde. Er wies darauf hin, dass Bisphenol A bereits seit mehr als 60 Jahren im Einsatz ist und auch in Lebensmittelkontaktmaterialien, etwa bei der Innenbeschichtung von Konservendosen, zum Einsatz kommt. Wirkliche Alternativstoffe sind ihm zufolge allerdings noch nicht in Sicht.

Von Seiten der Opposition wurde die neuerliche Vertagung des Antrags bedauert. So machte FPÖ-Abgeordneter Josef Riemer geltend, dass die Zeit dränge. Sollte sich herausstellen, dass Wasserrohre und Wassertanks bedeutende Mengen an BPA an das Trinkwasser abgeben, müsse man rasch handeln, forderte er. Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) sprach sich dafür aus, ähnlich wie Dänemark bei den Transfetten einen nationalen Vorstoß zu wagen. Die Hersteller hätten damals rasch auf die neuen Vorgaben reagiert.

Wie Team-Stronach-Abgeordneter Marcus Franz erklärte, beabsichtigt Frankreich BPA in Lebensmittelverpackungen ab 2015 zu verbieten. Auch in Schweden und Belgien gebe es eine Diskussion über ein Verwendungsverbot.

Die noch zögerliche Haltung Österreichs begründete Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser damit, dass Frankreich im Gegensatz zu Österreich eine große Industrie habe, während Österreich Verpackungsmaterial zukaufe. Sie will die Entwicklung in Frankreich aber genau beobachten, vor allem was die verwendete Ersatzstoffe betrifft. (Schluss Gesundheitsausschuss) gs