Parlamentskorrespondenz Nr. 1222 vom 15.12.2014

Vorlagen: Gesundheit

Modernes Fortpflanzungsmedizingesetz beseitigt Diskriminierung lesbischer Paare und bringt strenge Regeln für Präimplantationsdiagnostik

Wien (PK) – Nach langen Vorberatungen haben die Koalitionsparteien nun den Entwurf für ein modernes Fortpflanzungsmedizinrecht dem Nationalrat zugeleitet (445 d.B.). Die Umsetzung eines VfGH-Erkenntnisses führt nun dazu, dass auch lesbische Paare ab dem Jahr 2015 den Zugang zu Samenspenden erhalten. Aufgrund des weiterhin bestehenden Verbots der Leihmutterschaft betrifft dies nur miteinander in eingetragener Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft lebende Frauen. Von einer Öffnung der medizinisch unterstützten Fortpflanzung für alleinstehende Frauen soll abgesehen werden, heißt es in den Erläuterungen, weil Kindern nicht von vornherein nur ein Elternteil zur Verfügung stehen soll.

Weiters erlaubt das neue Gesetz die Eizellenspende, die Samenspende Dritter bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) sowie – unter Einhaltung strenger Bedingungen – die Durchführung der Präimplantationsdiagnostik (PID)  zur Feststellung von Erbkrankheiten. Dadurch werden die österreichischen Bestimmungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte angepasst.

Strenge Auflagen für Samenspenden von Dritten und Eizellenspenden

Die medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist nun auch für miteinander in eingetragener Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebende Frauen zulässig. Dies bedeutet u.a., dass in Hinkunft bei In-vitro-Behandlungen die Samenspende Dritter erlaubt wird; dies gilt sowohl für verschieden- als auch für gleichgeschlechtliche Paare.

Wie der Samen eines dritten Mannes dürften künftig auch Eizellen einer dritten Frau verwendet werden, wenn die Eizellen der Frau, die das Kind bekommen soll, nicht fortpflanzungsfähig sind; als Altersgrenze ist die Vollendung des 45. Lebensjahres vorgesehen. Ein weiteres Aufrechterhalten des Verbots der Eizellenspende hätte eine sachlich schwer begründbare Ungleichbehandlung gegenüber der zulässigen Samenspende dargestellt, heißt es in der Begründung. Zwar sei die Entnahme von Eizellen mit einer größeren Belastung für die Spenderin verbunden, dem könne aber durch eine umfassende Aufklärungs- und Beratungspflicht Rechnung getragen werden. In der Regel soll zudem nur eine befruchtete Eizelle in den Körper der Frau eingebracht werden; der sogenannte "Single-Embryo-Transfer" gilt somit als die bevorzugte Methode im Rahmen der In-vitro-Fertilisation.

Die Durchführung einer In-vitro-Fertilisation sowie eine Insemination unter Verwendung des Samens Dritter oder der Eizelle einer dritten Person ist nur zugelassenen Krankenanstalten vorbehalten, für die strenge Auflagen gelten. Unter anderem werden umfassende Aufzeichnungspflichten festgeschrieben. Dadurch werde gewährleistet, dass ein Kind nach Vollendung des 14. Lebensjahres – losgelöst von den Informationen der Eltern – durch Anfragen an die jeweilige Krankenanstalt zu den Daten über die Person des Spenders bzw. der Spenderin gelangen kann.

Das Gesetz sieht zudem umfassende Beratungspflichten vor, da ein verantwortungsvoller Umgang mit der Aufklärung über die eigene Abstammung für die Entwicklung der Kinder und deren Identitätsfindung als sehr wichtig angesehen wird.

Bei Verstößen gegen die Bestimmungen des Fortpflanzungsmedizingesetzes sind in Zukunft noch höhere Strafen, nämlich bis zu 50.000 € vorgesehen.

Präimplantationsdiagnostik nur in drei konkreten Fällen erlaubt

Um eine Präimplantationsdiagnostik durchführen zu können, ist zunächst eine In-vitro-Fertilisation notwendig. Die daran anschließenden genetischen Untersuchungen sollen die Beurteilung der Entwicklungsfähigkeit und der genetischen Ausstattung von künstlich befruchteten entwicklungsfähigen Zellen ermöglichen, noch bevor sie in den Körper der Frau eingepflanzt werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat u.a. darauf hingewiesen, dass bei einer Beibehaltung des österreichischen Verbots der PID Embryonen zwar einen besonderen Schutz erfahren würden; während der späteren Schwangerschaft sei aber ein Abbruch möglich, wenn beispielsweise eine Behinderung festgestellt wird. Dies wäre eine noch größere Belastung für die Frauen.

Die Präimplantationsdiagnostik soll nur dann zu Anwendung kommen, wenn weniger invasive Untersuchungsmethoden nicht ausreichen, wird in der Vorlage betont. Die Durchführung der PID ist nur in drei Fällen möglich, nämlich nach drei gescheiterten Versuchen einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung, nach drei Spontanaborten und bei einer entsprechenden genetischen Disposition der Eltern. Eine Erbkrankheit liegt dann vor, wenn das Kind entweder während der Schwangerschaft oder nach der Geburt so schwer erkrankt, dass es nur "durch intensivmedizinische Behandlungen oder durch mit hohem medizinischen oder pflegerischen Aufwand verbundene und seine Lebensführung stark beeinträchtigende Hilfsmittel am Leben erhalten werden kann, schwerste Hirnschädigungen aufweist oder dauerhaft an nicht behandelbaren schwersten Schmerzen leiden wird".

Im Gesetz werden klare Verantwortlichkeiten für das gesamte Verfahren festgelegt. Außerdem ist vorgesehen, dass die Präimplantationsdiagnostik nur in einer von der die medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchführenden Krankenanstalt organisatorisch, personell und finanziell unabhängigen Einrichtung durchgeführt werden darf. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen unterliegen der Kontrolle durch den neu zu besetzenden wissenschaftlichen Ausschuss für genetische Analyse und Gentherapie.

Die Änderungen im IVF-Fonds-Gesetz und deren finanzielle Auswirkungen

Durch die Änderungen im IVF-Fonds-Gesetz haben auch gleichgeschlechtliche Paare Anspruch auf Mitfinanzierung (Übernahme von 70 % der Kosten) durch den IVF-Fonds. Weiters wird die Möglichkeit geschaffen, mittels Verordnung zusätzliche Leistungen festzulegen, für die pauschalierte Kostenzuschüsse gewährt werden, wie z.B. Präimplantationsdiagnostik bei Erbkrankheiten oder Samenspende bei männlicher Infertilität. Außerdem enthält der Entwurf Klarstellungen u.a. in Bezug auf den Beginn des Versuchs sowie auf Regelungen betreffend die Staatsbürgerschaft und den Zugang zu Leistungen.

Es wird davon ausgegangen, dass die in der Novelle enthaltenen Maßnahmen nur geringfügige finanzielle Auswirkungen haben werden; aufgrund der bereits erfolgten Anfragen sei mit rund 10 gleichgeschlechtlichen Paaren zu rechnen, bei denen die Frau, die das Kind austragen wird, auch eine medizinische Indikation gemäß IVF-Fonds-Gesetz nachweisen kann. Die Neuregelungen sollen nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. (Bundesgesetz, mit dem das Fortpflanzungsmedizingsetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Gentechnikgesetz und das IVF-Fonds-Gesetz geändert werden – Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015, FMedRäg 2015). (Schluss) sue