Parlamentskorrespondenz Nr. 100 vom 11.02.2015

Chancengleichheit: Grundlage für Wachstum und sozialen Zusammenhalt

Bundesministerium für Bildung und Frauen präsentiert EU-Arbeitsprogramme 2015

Wien (PK) –  Chancengerechtigkeit bildet die Klammer um die Vorhaben der Europäische Union im Bildungsbereich sowie in Frauenangelegenheiten, geht aus der Jahresvorschau 2015 (III-141 d.B. und III-540-BR) hervor, die Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek dem Parlament kürzlich übermittelt hat. Angesichts der Europa 2020-Strategie für nachhaltiges Wachstum sollten alle BürgerInnen gleichberechtigt eine Chance auf qualitätsvolle Bildung haben, hebt das Ministerium hervor und verweist auf die Empfehlung der Europäischen Kommission, negative Folgen einer frühen Leistungsdifferenzierung abzumildern. Die Kommission plane heuer zwar keine legislative Initiativen im Bildungsbereich, sie werbe aber für vermehrte Investitionen in die Bildung, besonders in Hinblick auf Wachstumsbranchen wie die grüne und die digitale Wirtschaft sowie das Gesundheitswesen.

Der amtierende lettische Ratsvorsitz will dementsprechend schon bei den Kleinsten kreative wie digitale Fertigkeiten gefördert wissen. Frühkindliche Bildung stelle daher ebenso einen Schwerpunkt im Arbeitsprogramm des Rats dar wie die verstärkte Zusammenarbeit in der Berufsbildung und die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen unter den EU-Mitgliedsstaaten.

Hinsichtlich der Geschlechtergleichstellung werde die EU-Kommission eine eigene Strategie erarbeiten, um geschlechtsspezifische Lücken im Berufsleben – Stichwort Einkommensschere – zu schließen und Gewalt gegen Frauen effektiver zu bekämpfen, informiert das Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF).

Bildung: Zugangschancen gerecht verteilen

Chancengerechter Bildungszugang, bessere Bildungsergebnisse und - im Sinne der Beschäftigungsfähigkeit - der Erwerb von Grund- und Querschnittskompetenzen sollten aus Sicht des BMBF auch in der nun anlaufenden zweiten Halbzeit der Europa 2020-Strategie Priorität haben. Für wirtschaftliches Wachstum, Beschäftigung und soziale Kohäsion seien gut ausgebildete BürgerInnen von enormer Bedeutung. Mit Verweis auf die konkreten Bildungsziele der Europäischen Union, nämlich Senkung der Schulabbruchsrate und Erhöhung der Hochschulabschlüsse, heißt es aus dem Bildungsressort, Österreich erfülle die nationalen Vorgaben von 9,5% bzw. 38% bereits. So konnte 2012 der Anteil vorzeitiger SchulabgängerInnen auf 7,3% reduziert werden, dafür habe man 38,3 tertiäre Bildungsabschlüsse verzeichnet. Der Jahreswachstumsbericht 2015 der Europäischen Kommission, in dem die politischen Prioritäten für heuer festgelegt sind, zeige aber auf, dass die EU-Staaten im globalen Vergleich zu wenig in Bildung und Innovation investieren. Notwendig seien überdies Strukturreformen zur Qualitätssteigerung im Bildungswesen sowie eine Evaluierung des Qualifikationsbedarfs einzelner Regionen und Branchen.

Wie die Mitgliedsländer ihre Reformen gemäß Jahreswachstumsbericht in Angriff nehmen, wird dem BMBF zufolge im April 2015 anhand der sogenannten Nationalen Reformprogramme (NRP) dargestellt. Die innerstaatlichen Reformpläne bilden wiederum gemeinsam mit den Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen die Basis für die länderspezifischen Empfehlungen der Kommission an die EU-Mitglieder. In den Kommissionsempfehlungen von 2014 sieht das Bildungsministerium seine laufenden Maßnahmen bestätigt; so ziele die Verbesserung der Schuleingangsphase und die Weiterentwicklung der Sprach- und Leseförderung auf die von Kommissionsseite angeregte Erhöhung des Bildungsniveaus aller SchülerInnen ab. Mehr Chancengerechtigkeit in der Bildungslaufbahn, wie sie von der Kommission außerdem gefordert wurde, ergebe sich nicht zuletzt durch die Neue Mittelschule, den Ausbau der schulischen Ganztagsbetreuung und die PädagogInnenbildung NEU.

Im bildungspolitischen Fokus der lettischen Ratspräsidentschaft steht laut BMBF ein gemeinsam mit der EU-Kommission verfasster Strategiebericht zur EU-weiten Kooperation auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung (ET2020). Diesem Bericht, der voraussichtlich bei der Ratstagung am 18. Mai verabschiedet wird, sind nationale Zwischenberichte vorausgegangen, wobei ein ganzheitlicher Bildungsansatz in den österreichischen Schlussfolgerungen propagiert wird. Umfasst sind davon die Förderung von Kreativität, Innovation und digitalen Kompetenzen, lebenslanges Lernen, Vergleichbarkeit von Qualifikationen in der EU und Mobilität in der Berufsbildung. Der Bericht des Bildungsministeriums erwähnt in dem Zusammenhang auch die Beratungsleistung zur beruflichen Bildung, die Österreich derzeit in anderen Mitgliedsländern erbringt; durch diesen Bildungsexport positioniere sich die Republik als erfolgreicher Bildungsstandort, ungeachtet knapper öffentlicher Budgets, so die Analyse. Welche Schwerpunkte Luxemburg als Ratsvorsitzland in der zweiten Hälfte 2015 setzen wird, sei noch recht vage; Mehrsprachigkeit in hochwertiger Bildung wird hier als voraussichtlicher Fokus angeführt.

Das BMBF geht weiters auf das EU-Bildungsprogramm Erasmus+ ein, das unter anderem die Lernmobilität von Einzelpersonen bei der allgemeinen und beruflichen Bildung fördert. Zwischen 2014 und 2020 sind 14,7 Mrd. € für das Programm EU-weit vorgesehen, für Österreich würden 2015 daraus im Bereich Bildung und Jugend 28 Mio. € bereitgestellt. Den internationalen Erfahrungsaustauschs von LehrerInnen und SchülerInnen im Rahmen länderübergreifender Erasmus-Projekte greift das Bildungsministerium als Mehrwert des Programms heraus und sichert nationale Kofinanzierung zur maximalen Ausschöpfung der verfügbaren EU-Mittel zu.

Die EU-Strategie für den Donauraum, in der die beteiligten Länder auch bei Bildung und Ausbildung zusammenarbeiten, erhalte indes keine spezifische Finanzierung durch die Europäische Union. Angestrebt werde daher, vorhandene Ressourcen und EU-Programme aus den Strukturfonds effizienter zu nutzen.

Frauen: Berufliche Chancen verbessern

Zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Europäischen Union will die EU-Kommission eine neue Strategie erarbeiten. Die inhaltliche Ausgestaltung dieser Gleichstellungsstrategie sei zwar noch nicht genau definiert, so das BMBF, die zuständige Kommissarin Vera Jourová werde jedoch im April bei einer Tagung die Maßnahmen und Zeitpläne zur Umsetzung mit den Mitgliedsländern diskutieren. Als zentrale Punkte des geplanten Papiers nennt das Ministerium das Schließen geschlechtsspezifischer Lücken bei Einkommen, Erwerbsbeteiligung, Pensionen und Beteiligung in Führungspositionen sowie den Schutz von Frauen vor allen Formen von Gewalt. Überdies habe die Kommission eine Mitteilung zu den Post 2015-Zielen der Vereinten Nationen angekündigt, wobei das Frauenministerium die europäische Forderung nach einem eigenen Entwicklungsziel zur Gleichstellung bekräftigt.

Auf der Agenda der Triopräsidentschaft im Rat (Italien, Lettland, Luxemburg) befinden sich derzeit mehrere Legislativvorschläge der EU-Kommission zum Themenkomplex Gleichbehandlung. Neben einer neuen Anti-Diskriminierungsrichtlinie sind das auch Entwürfe für Richtlinien zur ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern in Leitungspositionen börsennotierter Gesellschaften und zum Gesundheitsschutz von Schwangeren am Arbeitsplatz. Österreich ist bei den Verhandlungen über diese Bestimmungen durch das Ministerium für Arbeit und Soziales vertreten.

Als Schwerpunkt im Bereich Geschlechtergleichstellung hat der aktuelle Ratsvorsitz Lettland die Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen definiert, nicht zuletzt um der Altersarmut vorzubeugen. Als Auftakt wurde in Riga Anfang Februar die Konferenz "Inclusive Labour Markets in the EU" abgehalten, bis Juni plant die lettische Präsidentschaft, Schlussfolgerungen zum geschlechtsspezifischen Rentengefälle sowie einen zweiten EU-Gender Equality Index vorzulegen. Bis März laufen die Vorbereitungen für die Teilnahme der Europäischen Union an der UN-Frauensstatutskommission in New York und für eine Entwicklungskonferenz in Riga über die Förderung von Frauen und Mädchen. Gender Mainstreaming in sozialen Dienstleistungen wird schließlich bei einer eigenen Konferenz im Juni thematisiert. Der ausgeglichenen Repräsentanz von Frauen und Männern in Entscheidungspositionen möchte Luxemburg bei seinem Ratsvorsitz in der zweiten Jahreshälfte 2015 Priorität in Gleichstellungsfragen einräumen. Dem Vernehmen nach werden unter luxemburgischem Vorsitz auch verstärkt Männer und Buben in die Maßnahmengestaltung zur Geschlechtergleichstellung miteinbezogen. (Schluss) rei