Parlamentskorrespondenz Nr. 102 vom 11.02.2015

EU-Hauptausschuss zu Ukraine-Konflikt und Griechenland

Schwierige außenpolitische Zeiten für die EU

Wien (PK) – Die Erwartungen, dass es bald zu einer friedlichen Lösung im Ukrainekonflikt kommt, sind gedämpft. Das wurde heute auch im EU-Hauptausschuss deutlich, der im Vorfeld der informellen Tagung des Europäischen Rats zusammentrat. Eine Friedenslösung sei weder ohne Wladimir Putin noch ohne die Ukraine realistisch, sagte dazu Bundeskanzler Werner Faymann. Es stelle sich nur die Frage, ob der Friedensprozess von den beiden Kontrahenten wirklich so gewollt ist, wie ihn sich die EU wünscht. Die EU setze jedenfalls verstärkt auf internationale Friedensverhandlungen, die auch heute wieder in Minsk stattfinden. Weil man diesen eine Chance geben wolle, hätten auch die Außenminister der EU diese Woche keine Beschlüsse über die Ausdehnung der Sanktionen gefasst, unterstrich dazu Bundesminister Sebastian Kurz.

Was die Sanktionen grundsätzlich betrifft, so war die Meinung dazu im Ausschuss differenziert. Der Schaden ist größer als der Beitrag, war die Einschätzung des Bundeskanzlers, man könne sich aber aus den Entwicklungen der Sanktionen nicht ausnehmen, wenn bei den Friedensverhandlungen nichts weitergeht. Der Zweite Präsident des Nationalrats Karlheinz Kopf bewertete die Sanktionen als die im Moment einzige Möglichkeit friedlicher Auseinandersetzung, jedoch mit begrenzter Wirkung. Die EU sollte hier geschlossen bleiben, meinte er. Die EU könne nicht darüber hinwegsehen, dass Russland weiterhin die Separatisten unterstützt, begründete Minister Kurz die Sanktionspolitik der EU.   

Zweifel an der Wirksamkeit von Sanktionen äußerten auch Josef Cap (S), Walter Rosenkranz (F) und Rouven Ertlschweiger (T). Sanktionen von außen begünstigen nur die Schaffung von Feindbildern, merkte Rosenkranz an. Demgegenüber meinte Christoph Vavrik seitens der NEOS, Sanktionen seien notwendig, wenn man nicht auf die militärische Karte setze.

Neutralitätsstatus für Ukraine wünschenswert aber wenig realistisch

Der von den Grünen wieder ins Spiel gebrachte Neutralitätsstatus der Ukraine stieß bei den Ausschussmitgliedern zwar auf große Sympathie, Minister Kurz, der dies ebenfalls für eine gute Lösung hält, machte jedoch deutlich, dass dieser Weg von vielen Teilen der Ukraine nicht gewollt ist und man dort andere Optionen ins Auge fasse, obwohl ein NATO-Beitritt de facto derzeit nicht zur Debatte stehe.

26 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer gehe es jetzt um die Verhinderung einer Mauer, die die Ukraine in Ost und West teilt, argumentierte Peter Pilz (G) seinen Vorstoß. Wie zuvor Josef Cap (S) kritisierte Pilz den Kurs der NATO, der zu einer Spaltung der Ukraine führe. Man sei jetzt an einem Punkt angelangt, wo es einen Plan brauche, weshalb er zu einer österreichischen Initiative in Richtung Neutralitätsstatus der Ukraine aufrief. Die aktuelle Lage laufe im Gegensatz dazu auf einen Autonomiestatus der ostukrainischen Gebiete hinaus, stellte dazu Josef Cap (S) mit Bedauern fest.  

Einig war man sich unter den Abgeordneten, dass sich Österreich gegen jegliche Waffenlieferungen an die Ukraine ausspricht, da dies eine negative Dynamik und eine weitere Eskalation auslösen würde. Lediglich Christoph Vavrik von den NEOS schränkte ein, dass man einem Land nicht von vornherein verweigern könne, sich selbst zu verteidigen, zumal auch Russland Waffen liefere.

Russland wieder ins Boot holen

In der Debatte über die Ukraine wurde mehrmals unterstrichen, dass zu einer friedlichen Lösung ein Beitrag sowohl seitens Russlands als auch seitens der Ukraine gefordert ist. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder hegte diesbezüglich zwar Zweifel, sah aber keinen anderen Weg als internationale Verhandlungen, mit dem Ziel eine stabile, friedliche und nachhaltige Lösung zu erreichen. Man müsse aufpassen, dass aus dem Krieg in der Ukraine nicht ein Krieg um die Ukraine wird, warnte Josef Cap (S). Sowohl Cap als auch Christine Muttonen (S) betonten die Notwendigkeit, Russland in die Verhandlungen miteinzubeziehen, um eine wirtschafts-, friedens- und europapolitische Lösung zu finden. Man müsse auch die Ängste Russlands berücksichtigen, sagte Muttonen, die gleichzeitig die Ukraine gefordert sah, schleunigst wirksame Reformen durchzuführen und die Minderheiten zu schützen. Auch Christoph Vavrik von den NEOS sah ein vitales Interesse der EU, Russland wieder als Partner zu gewinnen. 

Es gelte, einen Krieg um die Ukraine zu verhindern, griff Zweiter Nationalratspräsident Karlheinz Kopf die Worte Caps auf, wobei er wie sein Klubkollege Wolfgang Gerstl vor allem das einseitige völkerrechtswidrige Vorgehen Russlands missbilligte. Dieses sei gekennzeichnet durch eine fortwährende Destabilisierungspolitik in ehemaligen Sowjetstaaten, stellte er fest. Kopf hielt daher eine glasklare Position der EU in dieser Frage für unumgänglich.

Griechenland: Politische Änderungen nur innerhalb der Verträge

Zweites Schwerpunktthema im heutigen Ausschuss war die neueste Entwicklung in Griechenland. Dabei zeigte sich der Bundeskanzler offen für konstruktive Vorschläge der Griechen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen, wobei jedoch der Rahmen der geltenden Vereinbarungen gewahrt bleiben müsse, bekräftigte er. Für eine neue Regierung sei es legitim, über Einzelmaßnahmen nachzudenken und darüber in einen konstruktiven Dialog mit den Verhandlungspartnern in der EU zu treten, sagte er. Seitens des Koalitionspartners ÖVP war in diesem Zusammenhang die Befürchtung herauszuhören, dass der Regierungschef zu große Konzessionen an Premierminister Alexis Tsipras machen könnte. Präsident Kopf stellte dabei außer Streit, dass neue Vorschläge unter den gegebenen Konditionen nicht von vornherein abzulehnen seien. Eines gehe aber nicht, nämlich einen Vertrag mit 27 anderen Staaten einseitig zu ändern, machte er klar.

Wenn sich herausstellt, dass die Griechenland auferlegten Bedingungen keinen Erfolg haben, dann sei es das Recht von Premierminister Tsipras über Änderungen nachzudenken, stellte Josef Cap (S) fest und unterstützte damit die Linie des Bundeskanzlers. Wichtig sei es, dass sich Griechenland erholt, seinen Rüstungshaushalt saniert und im Kampf gegen Steuerbetrug endlich erfolgreich ist. Für eine Lockerung sprachen sich vor allem die Grünen aus, die immer wieder an der Austeritätspolitik der EU harte Kritik geübt hatten. Man müsse Griechenland eine Chance zur Reindustrialisierung geben, sagte Bruno Rossmann (G). Wie sein Klubkollege Werner Kogler trat er für Streckungen und niedrigere Zinsen ein, ansonsten gehe Griechenland pleite und die Geberstaaten hätten überhaupt nichts davon.

Die bisherigen Rettungspakete seien vor allem den Banken zugutegekommen, meinte Walter Rosenkranz (F), der darauf drängte, dass die österreichischen SteuerzahlerInnen nicht nochmals Gelder zuschießen müssen. Auch Zweiter Nationalratspräsident Karlheinz Kopf erinnerte daran, wie schwierig es gewesen ist, den Österreicherinnen und Österreichern die Griechenlandhilfe als eine notwendige Maßnahme zu erklären. Die Konditionen seien weder Bestrafung noch Selbstzweck, sagte er, wobei er der griechischen Regierung durchaus zubilligte, neue konstruktive Vorschläge machen zu können. Grundsätzlich beharrt man aber seitens der ÖVP auf die Einhaltung der Verträge. Wir geben Geld für Reformen und daher gehe es nicht an, dass nach einem Regierungswechsel die Verträge wieder infrage gestellt werden, konstatierte Wolfgang Gerstl (V). Ein Schuldenschnitt wäre viel zu teuer, sagte er, Verträge sind einzuhalten, über Details könne man reden.

Strikt gegen die Einführung von Euro-Bonds und eine Vergemeinschaftung der Schulden sprach sich ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka aus. Wenig Spielraum sieht man auch seitens des Team Stronach. Man könne Griechenland nicht aus der Verantwortung entlassen, sagte Rouven Ertlschweiger, die EU müsse daher auf weitere Reformen bestehen, ansonsten müsste sich Griechenland eben selbst finanzieren. Die NEOS wiederum haben den Eindruck, dass die griechische Regierung ideologisch agiert, was sie als kein gutes Zeichen werten. Der Kampf gegen Korruption und Steuereinnahmen sei ein langer Weg, sagte Christoph Vavrik (N).

Fluchtgelder statt Steuergelder

Positiv wurde im Ausschuss das Vorhaben von Tsipras kommentiert, gegen Korruption und Steuerbetrug vorgehen zu wollen. So drängten die Grünen vor allem darauf, die sogenannten Fluchtgelder griechischer StaatsbürgerInnen, die vor allem in Schweizer Banken lagern, wieder nach Griechenland zurückzuführen, um die SteuerzahlerInnen der übrigen EU-Staaten bei einem Entgegenkommen gegenüber Griechenland zu schonen. Peter Pilz (G) fasste dies mit den Worten "Fluchtgelder statt Steuergelder" zusammen. Wichtig sei es, konsequent gegen Steuerbetrug und Steuerflucht vorzugehen, betonten sowohl Rossmann als auch Pilz und Kogler (alle G) und forderten den Bundeskanzler dazu auf, diesen Aspekt beim kommenden Gipfel zum Thema zu machen. Vor allem müsse man Druck auf die Schweiz ausüben, sind sie überzeugt.

In seiner Replik hielt der Bundeskanzler fest, der Pfad, den man nun einschlage, müsse von der Überzeugung getragen sein, dass Griechenland in der Eurozone bleibt. Es gehe um die Frage, wie man das Land auf dem Weg einer glaubwürdigen und verlässlichen Politik begleiten könne.

Terrorismusbekämpfung: Abgeordnete unterstreichen Datenschutz als Grundrecht

Kurz wurde im Ausschuss auch das Thema Terrorismusbekämpfung angesprochen, wobei die Abgeordneten aller Parteien die Wahrung des Datenschutzes als Grundrecht hervorhoben und sich gegen europäische Schnellschüsse in Form von weiteren Datenspeicherungen aussprachen. Die Abgeordneten Walter Rosenkranz, Andreas Karlsböck (beide F) sowie Rouven Ertlschweiger (T) traten in diesem Zusammenhang für die Einführung temporärer Grenzkontrollen ein.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder thematisierte wiederum die Rolle der Kurden und meinte, diese könnten in der Krisenregion des Nahen Ostens eine positive Ordnungsmacht darstellen, zumal sie keinen eigenen Staat sondern autonome Regionen anstreben. Er forderte daher einmal mehr, die kurdischen Vereine und die PKK von der Terrorliste der EU zu streichen. (Schluss) jan