Parlamentskorrespondenz Nr. 594 vom 03.06.2015

Mehr Flexibilität für NMS beim Einsatz von Bundesmitteln

Bundesrat diskutiert über Anforderungen für ein zeitgemäßes Schul- und Bildungssystem

Wien (PK) - Fragen eines zeitgemäßen Unterrichts und der Förderung der individuellen Talente von Kindern und Jugendlichen standen am Beginn der Tagesordnung der heutigen Bundesratssitzung. Eine Änderung des Schulorganisationsgesetzes und Schulunterrichtsgesetzes passierte den Bundesrat mehrheitlich. Neue Mittelschulen (NMS) erhalten damit mehr Flexibilität beim Einsatz ihrer Bundesmittel für Fördermaßnahmen in Hauptfächern. Ab kommendem Schuljahr können die wöchentlich sechs zusätzlichen Unterrichtseinheiten auch in Schwerpunktfächern genutzt werden, sind also nicht länger an die Pflichtgegenstände Deutsch, Mathematik und eine lebende Fremdsprache gebunden. Der Bundesrat unterstützte auch einen Antrag der BundesrätInnen von SPÖ, ÖVP und Grünen nach einer verbesserten Bildungs- und Berufsorientierung vom Beginn bis zum Ende ihrer Schulzeit. Diese Maßnahme soll dazu beitragen, dass Jugendliche im Schul- und Ausbildungssystem verbleiben und nicht ihre Bildungskarriere frühzeitig beenden.

Neue Mittelschulen können Bundesmittel flexibler einsetzen

Mit dem Hinweis darauf, dass die Neue Mittelschule nicht das gehalten habe, was man sich von ihr versprochen habe, lehnte Monika Mühlwerth (F/W) die Novelle ab. Sie trage nichts zur Lösung der grundsätzlichen Probleme der NMS bei. In ihrer derzeitigen Form sei diese ein "Rohrkrepierer", formulierte die Bundesrätin, sie bringe keine Verbesserung der Situation. Obwohl man viel in sie investiert habe, bringe sie nicht mehr als die bisherigen Hauptschulen, Gleichzeitig werde die AHS ausgehungert, kritisierte Mühlwert.

Elisabeth Reich (S/O) stellte fest, das Schlüsselelement der Neuen Mittelschule sei die Individualisierung. Die Novelle biete den NMS die Chance, Mittel des Bundes flexibler einzusetzen. Der Schultyp habe sich bewährt, wie sich an den vorliegenden Daten ablesen lasse. Aus ihr wechseln SchülerInnen viel öfter in weiterführende Schulen als von den Hauptschulen. Reich berichtete aus der Schulpraxis, um zu illustrieren, wie wichtig selbstbestimmte Ressourcenverteilung für Schulen ist, um den Unterricht an die Bedürfnissen der SchülerInnen ausrichten zu können. Wichtig sei aber allerdings ein begleitendes Monitoring zur Qualitätssicherung.

Auch Martin Preineder (V/N) begrüßte die Möglichkeit für Schulen, Ressourcen flexibler einzusetzen. Preineder verwies in seiner Wortmeldung auf die besondere Bedeutung der Förderung von Talenten. Es gelte, der Schule zu ermöglichen, mehr auf die individuellen Fähigkeiten und das verschiedene Lernverhalten der Kinder eingehen zu können. Wichtig sei es, LehrerInnen zu motivieren und entsprechend zu honorieren. Lehrinhalte müssten weniger auf die Vermittlung bestimmter Wissensinhalte abstellen, die rasch veralten können, als vielmehr auf die Fähigkeit zum Wissenserwerb.

Vieles sei schon gesagt worden zu der Novelle, der die Grünen zustimmen werden, sagte Efgani Dönmez (G/O). Dönmez thematisierte die Frage der Sprachprobleme von SchülerInnen mit Migrationshintergrund. Er wies darauf hin, dass muttersprachliche BegleitlehrerInnen einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Situation leisten. Ihre oft sehr schwierige Arbeit müsse jedoch mehr geschätzt und unterstützt werden, sagte er.

Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek freute sich über die Zustimmung zur Flexibilisierung. Diese sei der richtige Weg, meinte die Ministerin. Generell entwickle sich die erst 2012 ins Regelschulwesen übernommene neue Schulform der NMS sehr gut, sagte die Ministerin. Man müsse ihr allerdings auch ein wenig Zeit geben, um ihr Potenzial zu entfalten. Die Frage des muttersprachlichen Unterrichts sei sehr wichtig, da eine gefestigte Muttersprache wichtig sei wobei sie ihre Idealvorstellung von einer ganztägigen Gemeinsamen Schule als bestes Bildungsumfeld für 10- bis 14-jährige SchülerInnen nicht verhehlte.

Bundesrat will Maßnahmen für NEET-Jugendliche

Der relativ hohe Anteil an Schulabbrecherinnen und –abbrechern im österreichischen Schulsystem, der steigende Anteil Jugendlicher und junger Erwachsener, die keine Schule besuchen, keiner Arbeit nachgehen und sich nicht in beruflicher Ausbildung befinden und dies auch nicht unmittelbar anstreben (NEET) sowie die steigende strukturelle Jugendarbeitslosigkeit ist ein Problem, dem sich die Politik nicht verschließen darf, stellt der Bundesrat fest.

Erforderlich seien eine Anpassung der aktuellen Maßnahmen auf dem Gebiet der Bildungs- und Berufsorientierung, um diesem negativen Trend entgegenzusteuern, sind die BundesrätInnen überzeugt. Ein Antrag, den die BundesrätInnen Sonja Zwazl (V/N), Reinhardt Todt (S/W), Efgani Dönmez (G/O) dazu gemeinsam eingebracht haben, wurde einstimmig angenommen. Der Bundesrat fordert eine verbesserte Bildungs- und Berufsorientierung vom Beginn bis zum Ende ihrer Schulzeit. Kinder und Jugendliche sollen das Recht auf ein umfassendes, altersadäquat angepasstes, individuelles und gendergerecht gestaltetes Angebot haben.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W) hielt fest, das Anliegen, etwas gegen den vorzeitigen Abbruch der Bildungskarriere von Jugendlichen zu tun, sei grundsätzlich zu unterstützen. Einige Details des Antrags halte sie für nicht gut durchdacht, daher könne sie ihn leider nicht mittragen. Sie halte auch grundsätzlich nichts von der Forderung nach "Gendergerechtigkeit".

Sonja Zwazl (V/N) bedauerte, dass kein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen zustande gekommen sei. Das Thema sei von großer Wichtigkeit und brauche einen Schulterschluss aller. Sie verstehe die Ablehnung der Erwähnung von Gender nicht. Mehr professionelle Berufsorientierung sei ein Wunsch, der auch von SchülerInnen geäußert werde. Der Antrag versuche, genau diesem Bedürfnis zu entsprechen. Wichtig sei, dass man früh die Talente erkenne und fördere, damit sie die entsprechende Ausbildung erhalten.

Der frühe Abbruch von Bildungskarrieren sei im allgemeinen keine individuelle Entscheidung, sondern zeige strukturelle Defizite des Systems auf, sagte Susanne Kurz (S/S). Oft gebe es soziale Defizite oder gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Gruppe, um die es im Antrag gehe, umfasse 75.000 oder nach manchen Schätzungen bis zu 130.000 Jugendliche, die man. Gründe für Abbruch von Schule oder Lehre seien sehr individuell. Dabei gebe es starke Unterschiede von Burschen und Mädchen, das Thema "Gender" sei daher sehr Teil der Frage, sagte sie in Richtung von Bundesrätin Mühlwerth.

Die Themen Bildung und Arbeitsmarkt seien von zentraler Bedeutung, sagte Efgani Dönmez (G/O). Er bedankte sich bei Bundesratspräsidentin Sonja Zwazl, dass sie den Schwerpunkt auf dieses Thema, der unter der Präsidentschaft von Ana Blatnik begonnen wurde, fortgesetzt habe. Es sei wichtig, dass der Bundesrat solche Initiativen setze. Zum Antrag hielt er fest, NEET-Jugendliche würden sich nicht um Arbeit drücken, sie könnten aus sehr verschiedenen Gründen nicht am Arbeitsmarkt Fuß fassen. Ein Teil des Problems sei auch eine Arbeitswelt, die den Druck auf die Menschen immer mehr erhöhe.

Ana Blatnik (S/K) schloss sich dem Dank von Bundesrat Dönmez an. Sie benützte ihre Wortmeldung, um das Thema Frauen und Berufswelt anzusprechen. Noch immer sei ein Großteil der Frauen nur in drei Berufen tätig, den klassischen so genannten "Frauenberufen" Friseurin, Sekretärin, Verkäuferin. Gemeinsam sei diesen Berufen, dass sie schlecht honoriert werden und wenig Aufstiegschancen bieten. Noch immer leisten die Frauen den Großteil der unbezahlten Arbeit. Es gebe zwar Veränderungen, aber es bleibe noch viel zu tun. (Fortsetzung Bundesrat) sox


Format