Parlamentskorrespondenz Nr. 619 vom 10.06.2015

Asylpolitik: Gemeinsames Vorgehen der EU erforderlich

Koalitionsparteien verlangen quotenmäßige Aufteilung der Flüchtlinge im Menschenrechtsausschuss

Wien (PK) – Die dramatische Zuspitzung der Asylproblematik in den letzten Monaten sowie mögliche Antworten darauf auf nationaler und internationaler Ebene standen im Mittelpunkt des zweiten Teils der heutigen Sitzung des Menschenrechtsausschusses. Ausgangspunkt war zunächst ein mehrheitlich angenommener Entschließungsantrag der Regierungsparteien, in dem SPÖ und ÖVP für eine gemeinsame humanitäre Asylpolitik in der Europäischen Union, eine quotenmäßige Verteilung von Asylwerbern auf die einzelnen Mitgliedsländer, die weitere Teilnahme an humanitären Aufnahmeprogrammen (wie z.B. Resettlement), die Umsetzung des Pilotprojektes "Save Lives" sowie für flankierenden Maßnahmen eintreten, um die illegale Migration und Schleppertätigkeit einzudämmen. Drei Anträge der NEOS zu diesem Themenbereich, die teilweise darüber hinausgehende Forderungen enthielten, wurden vertagt bzw. abgelehnt.

Außerdem nahm der Ausschuss drei Initiativen der Grünen in Verhandlung, bei denen es um die Verhinderung des Missbrauchs des Interpol-Systems zur Verfolgung politischer Gegner, um eine angemessene Behandlung von traumatisierten Folteropfern sowie um den Nationalen Aktionsplan für Menschenrechte ging; alle drei Anträge wurden mit S-V-Mehrheit vertagt.

Debatte über mögliche Lösungsmodelle in der Asylpolitik

Angesichts der dramatisch steigenden Zahl an Kriegsflüchtlingen, die nach Europa kommen, sei es unerlässlich, dass ein gemeinsames europäisches Asylsystem umgesetzt wird, erklärte SPÖ-Mandatar Franz Kirchgatterer. Da sich seit dem Einbringen des S-V-Antrags im September 2014 die Menschenrechtslage an den EU-Grenzen noch verschärft habe, habe man einen Abänderungsantrag ausgearbeitet, der u.a. die Forderung nach einer quotenmäßigen Aufteilung von Asylwerbern auf die einzelnen Mitgliedsländer beinhaltet. In der Begründung wird u.a. darauf hingewiesen, dass die Zahl der Asylanträge in Österreich heuer enorm zugenommen hat. Bis Ende April wurden 14.225 Anträge registriert; dies sei ein Plus von über 160 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Nach Ansicht von Alev Korun (G) enthält der S-V-Antrag einen Widerspruch. Einerseits wolle man eine gemeinsame Asylpolitik in der EU, andererseits sollen aber die Außengrenzen noch stärker überwacht werden, obwohl man genau wisse, dass eine legale Einreise kaum möglich sei. Da dadurch das Schlepperwesen noch zusätzlich gefördert würde, werden die Grünen den Antrag ablehnen. Außerdem gab sie zu bedenken, dass es bereits jetzt etwa 900.000 Menschen in Nordafrika gibt, die vom UNHCR als Flüchtlinge anerkannt sind; dennoch wurden sie von der EU nicht in das Ressettlement-Programm übernommen.

Eine andere Meinung vertrat Elisabeth Pfurtscheller von der ÖVP. Wenn man durch diverse Maßnahmen die Möglichkeit schafft, legal nach Europa zu kommen, könne gleichzeitig auch der Grenzschutz verstärkt werden, argumentierte sie.

Der S-V-Antrag wurde schließlich in der Fassung eines S-V-Abänderungsantrags mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, NEOS und Team Stronach angenommen. Keine Zustimmung fand die Forderung der NEOS nach Etablierung einer effektiven Such- und Seenotrettungsmission im Mittelmeer auf EU-Ebene. Vertagt wurden hingegen die NEOS-Initiativen betreffend gemeinsames Europäisches Asylsystem und Umsetzung eines österreichischen Resettlementprogramm s zur regelmäßigen und gesteuerten Aufnahme von Flüchtlingen.

Grüne gegen Missbrauch des Interpol-Systems zur Verfolgung politischer Gegner

Auf den Missbrauch des Interpol-Systems zur Verfolgung von politischen GegnerInnen durch autoritäre Staaten machen die Grünen in einem Entschließungsantrag aufmerksam. Entsprechende Rechtslücken wurden etwa im Fall des iranischen politischen Aktivisten Rasoul Mazrae sichtbar, der trotz seines offiziellen UN-Flüchtlingsstatus in Syrien aufgrund einer sogenannten "Red Notice" seines Herkunftslandes, also einem von Interpol zu prüfenden Ersuchens um Festnahme einer Person, von Syrien an den Iran ausgeliefert wurde. Laut Insider-Informationen wurde Masrae nach seiner Ankunft sofort inhaftiert, grausam gefoltert und ist höchstwahrscheinlich bereits gestorben, zeigte Alev Korun (G) auf. Sie forderte daher von der Innenministern, sich für eine rasche und effektive Reform des Interpol-Ausschreibungssystems einzusetzen.

Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner gab bekannt, dass sich seit dem November des Vorjahres eine Arbeitsgruppe mit dieser Problematik befasst. Sobald Ergebnisse vorliegen, werde sie die Abgeordneten umfassend informieren.

Ein weiteres Anliegen der Grünen betraf die angemessene Behandlung von traumatisierten Folteropfern in Asylverfahren. In Anlehnung an das UN-Istanbul-Protokoll über Untersuchung und Dokumentation von Folter pocht Alev Korun (G) auf entsprechende Trainings der Asylbehörden und einen gesetzlichen Schutz Traumatisierter in Asylverfahren, etwa vor Abschiebungen im Rahmen des Dublin-Abkommens.

Der Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Wolfgang Taucher, versicherte, dass auf die Aus- und Fortbildung der MitarbeiterInnen sehr großer Wert gelegt werde. Oberste Priorität sei es, individuell und sensibel auf Menschen mit besonderen Bedürfnissen einzugehen. In der täglichen Arbeit gehe man von einem breiten Ansatz aus, der aber nicht nur auf die Erkennung von traumatisierten Personen ausgerichtet ist; dies entspreche auch dem europäischen Standard. Weitere wichtige Elemente seien eine regelmäßige Supervision sowie die Ausarbeitung eines Curriculums für DolmetscherInnen in Asylverfahren.

Schließlich plädierte Alev Korun dafür, die geplanten Vorhaben und Maßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans für Menschenrechte noch vor der Beschlussfassung im Juli im Ausschuss zu diskutieren. - Alle drei Anträge der Grünen wurden mit S-V-Mehrheit vertagt. (Schluss Menschenrechtsausschuss) sue