Parlamentskorrespondenz Nr. 864 vom 28.07.2015

BR-Präsident Kneifel: Bundesrat als neuer Mittler für Europapolitik

Zwei Drittel der EU-Bevölkerung lebt in Staaten mit einem Zwei-Kammersystem

Wien (PK) – Anlässlich der wieder aufgeflammten Diskussion über eine Änderung des Zwei-Kammersystems in Österreich wandte sich heute Bundesratspräsident Gottfried Kneifel einmal mehr vehement gegen die Abschaffung der Länderkammer. "Der Bundesrat erfüllt heute mehr denn je die wichtige Funktion eines Bindeglieds zwischen europäischer und nationaler Gesetzgebung einerseits und den BürgerInnen andererseits".  Kneifel weist vor allem auch auf den EU-Ausschuss des Bundesrats hin, der seine Kontrollfunktion im Subsidiaritätsprüfungsverfahren sehr ernst nimmt und mittlerweile zur aktivsten Kammer in Europa avanciert ist. "Gerade in einer zunehmend globalisierten Welt braucht man wieder vermehrt den Blick für die Bedürfnisse der Regionen", stellte Kneifel fest. Außerdem unterstütze der Bundesrat regionale grenzüberschreitende Kooperationen, die von eminent wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung sind, wie etwa die Donauraumstrategie. Kneifel stellt sich jedoch nicht gegen eine sinnvolle Reform des Bundesrats, um die Länderkammer zu stärken, "aber dafür muss vorher der politische Wille gesichert sein", sagte er.

Der Bundesratspräsident lässt auch das Argument, die 183 Abgeordneten zum Nationalrat würden genügen und der Bundesrat unnötige Kosten verursachen, nicht gelten. Eine solche Behauptung halte einem Vergleich mit den parlamentarischen Realitäten der anderen europäischen Staaten nicht Stand. Kneifel erinnerte daran, dass 420 Millionen EuropäerInnen in Ländern mit zwei parlamentarischen Kammern leben. Von 28 EU-Staaten verfügen 15 über nur eine parlamentarische Kammer und 13 über ein Zwei-Kammersystem. Insgesamt gesehen, leben allerdings fast 85 Prozent der EU-Bevölkerung in Staaten mit einem Zwei-Kammersystem und nur etwa 15 Prozent in Staaten mit einer Kammer. Alle vier föderalistischen Staaten - nämlich Österreich, Belgien, Deutschland und Spanien - haben zwei Kammern, wobei die zweite Kammer eine Länderkammer ist. Griechenland, Portugal und Ungarn sind die drei größten EU-Staaten mit einem Ein-Kammersystem. Der viertgrößte Staat ist Schweden. Allerdings haben diese vier Staaten relativ viele Abgeordnete in der einzigen Kammer und zwar: Ungarn 386, Schweden 349, Griechenland 300 und Portugal 230. Österreich hat, wenn man die Anzahl der Abgeordneten beider Kammern zusammenzählt, 244 Mandatarinnen und Mandatare.

Erst im Jahr 2014 scheiterte die Regierung Irlands mit dem Versuch, die zweite Kammer abzuschaffen. In einer Volksabstimmung gab es eine klare Mehrheit für die Beibehaltung des Zwei-Kammersystems, so Kneifel.(Schluss) jan

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