Parlamentskorrespondenz Nr. 920 vom 04.09.2015

EU-Kommission tritt für einheitliche Standards in Asylpolitik ein

Justizkommissarin Jourová: Wahrung der Menschenrechte in Flüchtlingsfrage entscheidend

Wien (PK) – Die Flüchtlingsfrage dominierte heute die Unterredung von EU-Justizkommissarin Věra Jourová mit Abgeordneten im österreichischen Parlament. Europa habe Menschen, die vor Krieg flüchten, Schutz zu bieten, betonte Jourová. Sie setze ihre Hoffnung in das Sondertreffen der EU-InnenministerInnen im September, bei dem ein Maßnahmenkatalog für einheitliche Standards in der Asylpolitik ausgearbeitet werden soll. "Menschenrechte müssen gewahrt bleiben und dürfen nicht verletzt werden, auch nicht bei Flüchtlingen", hielt die Kommissarin fest.

Da auch Verbraucherschutz und Gleichstellungsfragen in den Zuständigkeitsbereich Jourovás fallen, waren Datenschutz, nicht zuletzt im Rahmen des digitalen Binnenmarkts, und Bestrebungen zur Besserstellung von Frauen in Wirtschaft und Politik ebenfalls Themen des Informationsaustauschs. Zur geplanten Europäischen Staatsanwaltschaft als Teil der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen meinte die Justizkommissarin, ohne nationale Strafprozessordnungen anzutasten, wolle die Kommission die Verhandlungen darüber bis Ende des Jahres abschließen.

Jourová appelliert für mehr gelebte Solidarität in Europa

Die Europäische Union sei nicht vorbereitet gewesen auf die rapide Zunahme der Flüchtlingsbewegungen, räumte EU-Kommissarin Jourová auf Nachfrage der Abgeordneten ein. Sie wies allerdings darauf hin, Versuche der Kommission, ein "robustes Asylsystem" in der EU aufzubauen, seien in den letzten Jahren oft an Widerständen aus den Mitgliedstaaten gescheitert. Ungeachtet dessen gelte es nun, die Dublin-Verordnung zu überarbeiten, eine einheitliche Definition sicherer Herkunftsländer von MigrantInnen festzulegen, die Asylverfahren durch "Hot-Spots" an den EU-Außengrenzen zu beschleunigen und Schleppernetzwerke gemeinsam zu bekämpfen. Zu überlegen sei auch eine Umwidmung von EU-Mitteln, damit gerade für syrische Flüchtlinge in ihrer Region menschenwürdige Lebensbedingungen geschaffen werden können, so Jourová. Solidarität unter den EU-Mitgliedstaaten bilde die Basis für eine erfolgreiche Umsetzung konkreter Maßnahmen, etwa bei der Verteilung von Schutzsuchenden, unterstrich die gebürtige Tschechin: "Wir müssen uns auf eine allgemeine Solidarität verlassen können". Die menschlichen Schicksale der Flüchtlinge müssten immer im Vordergrund stehen, gegen Hassreden sei auch mit strafrechtlichen Instrumenten präventiv vorzugehen.

Einheitliches Regelwerk für Datenschutz angestrebt

Neben dem Flüchtlingsthema beschäftigte die Abgeordneten vor allem die Reform der Datenschutzvorschriften in der EU, die sich die Kommission für heuer vorgenommen hat. Immerhin stamme die bestehende EU-Datenschutz-Richtlinie aus dem Jahr 1995, brauche also dringend eine Aktualisierung, erklärte Kommissarin Jourová. Ziel sei zudem, dass die Bestimmungen in allen EU-Ländern gleichwertig angewendet werden, insbesondere, was den Umgang von Unternehmen mit Daten von KonsumentInnen betrifft. Die Kommission arbeite daher eng mit den staatlichen Datenschutzbehörden zusammen. Harmonisiert werden sollten auch die rechtlichen Grundlagen für den elektronischen Handel, sowohl beim Einkauf von digitalen Inhalten als auch von physischen Waren, umschrieb sie darüber hinaus die Kernelemente des anvisierten digitalen Binnenmarkts. In diesem Zusammenhang sei geplant, die Bestimmungen zum Verbraucherschutz in einem Kodex zu konsolidieren.

Europäische Staatsanwaltschaft nimmt Form an, Gleichbehandlungsthemen weiter auf Agenda

Als großes Projekt der verstärkten justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen beschrieb Jourová die Arbeiten an der Europäischen Staatsanwaltschaft, die in Strafverfahren betreffend finanzielle Interessen der Union den Mitgliedsstaaten zur Hand gehen soll. Diese zusätzliche europäische Ebene in bestimmten Strafverfahren werde ohne Beeinträchtigung nationaler Verfahrensordnungen eingerichtet, versicherte sie. Bis Ende 2015 beabsichtige man, auch die letzten technischen Hindernisse in diesem Bereich ausgeräumt zu haben. Angesprochen auf die Gleichstellungsagenda der Kommission führte Jourová aus, sie strebe eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie an – nicht zuletzt, um Frauen eine größere Beteiligung in Politik und Wirtschaft zu ermöglichen – sowie das Schließen der Einkommensschere zwischen den Geschlechtern. Unverändert wichtig werte sie überdies den Kampf gegen Gewalt an Frauen.

Für die SPÖ nahmen an dem Treffen die Abgeordneten Gisela Wurm, Elisabeth Grossmann, Angela Lueger, Hannes Jarolim und Peter Wittmann teil. Die ÖVP war durch die MandatarInnen Michaela Steinacker, Werner Groiss und Edgar Mayer vertreten. Von der FPÖ kamen die Abgeordneten Peter Wurm, Philipp Schrangl und Christian Lausch, für die Grünen ergriff Abgeordneter Albert Steinhauser das Wort. Neben ihrer Fraktion repräsentierten die Abgeordneten auch die parlamentarischen Fachausschüsse für Justiz, Konsumentenschutz und Gleichbehandlung; Themenfelder also, für die Jourová in der seit 1. November 2014 amtierenden neuen EU-Kommission verantwortlich zeichnet. (Schluss) rei