Parlamentskorrespondenz Nr. 1010 vom 29.09.2015

Bericht der Bundesstelle für Sektenfragen 2014

Beratungsangebot des Bundes hilft Menschen in Krisensituationen

Wien (PK) - Die Bundesstelle für Sektenfragen ist eine konfessionell ungebundene Beratungseinrichtung, die weltanschaulich neutral agiert und als zentrale Anlaufstelle sowohl für Privatpersonen als auch für öffentliche und private Einrichtungen zur Verfügung steht. 2014 haben 1.020 Personen das bedarfsorientiert gestaltete Angebot der Bundesstelle an Informations- und Beratungsgesprächen genützt, heißt es im Tätigkeitsbericht der Bundesstelle für das Jahr 2014, der nun dem Nationalrat vorliegt (III-207 d.B.). Zudem führt die Bundesstelle, die unter der Aufsicht des Bundesministeriums für Familien und Jugend agiert, ihre umfangreiche Informations-, Dokumentations- und Recherchetätigkeit weiter.

Das Jahr 2014 im Überblick

Die Bundesstelle für Sektenfragen hat den gesetzlichen Auftrag, Gefährdungen, die von "Sekten" oder "sektenähnlichen Aktivitäten" ausgehen können, zu dokumentieren und darüber zu informieren, sofern für deren Vorliegen ein begründeter Verdacht besteht und bestimmte schutzwürdige Güter oder Interessen betroffen sind. Konfliktträchtige Strukturen oder mögliche Gefährdungen können dabei nicht nur in religiösen oder weltanschaulichen Bereichen beobachtet werden, sondern etwa auch im expandierenden kommerziellen Lebenshilfemarkt oder der schwer zu überblickenden Esoterikszene, hält die Bundesstelle fest.

Die Schwerpunkte der Tätigkeit der Bundesstelle liegen auf objektiver Information und Dokumentation sowie der kostenlosen und vertraulichen Beratung von Betroffenen, Angehörigen und Bezugspersonen. Grundsätzlich lasse sich seit einigen Jahren beobachten, dass das Bedürfnis nach persönlichen Gesprächen und individueller Hilfestellung gerade bei Menschen in Konflikt- und Krisensituationen besonders groß sei, teilt die Bundesstelle in ihrem Bericht mit. Sachinformation als ein wesentliches Element der Informations- und Beratungsarbeit reiche meist allein nicht für die Bewältigung von persönlichen Konfliktsituationen oder zur Klärung beruflicher Fragestellungen aus. Erst durch die Auswahl, Einschätzung und Reflexion relevanter Sachinformation, durch die Einbeziehung der speziellen Situation und des Kontextes der anfragenden Person und durch die Berücksichtigung vieler weiterer Faktoren können im Rahmen kompetenter und professioneller Beratung individuell zugeschnittene Lösungsstrategien gemeinsam erarbeitet werden.

Das Internet bietet eine breite Informationsbasis für Personen, die sich über bestimmte Gemeinschaften oder Organisationen informieren wollen. Jedoch sei dieses Angebot qualitativ schwer zu beurteilen, stellt die Bundesstelle fest. Oftmals sei es schwierig, den jeweiligen weltanschaulichen und fachlichen Hintergrund einer spezifischen Website bzw. der entsprechenden Autorinnen und Autoren einzuschätzen. Hier könne die Bundesstelle ihr Fachwissen einbringen und unterstützend tätig sein, um etwa aus der Fülle der vorhandenen Informationen eine Auswahl von relevanten Inhalten und Texten für ein spezielles Anliegen oder für eine spezielle Fragestellung zusammenzustellen und vorzuschlagen.

Ein großer Teil der Anfragen erreichte die Bundesstelle per E-Mail. Im Rahmen der Informations- und Beratungstätigkeit musste allerdings häufig zusätzlich telefonische oder persönliche Rücksprache gehalten werden, um Anfragen und deren Hintergrund zu klären und entsprechend bearbeiten und beantworten zu können.

Im Jahr 2014 fanden insgesamt 4.033 fachspezifische Kontakte (Information und Beratung) mit 1.020 Personen statt. 1.913 der Kontakte erfolgten im Rahmen der psychosozialen Beratung und Begleitung von 447 Beratungsfällen. Der größte Anteil (2.055: 51%) der fachspezifischen Kontakte erfolgte schriftlich, 1.618 (40,1%) wurden telefonisch und 360 (8,9%) persönlich geführt.

Im Jahr 2014 verzeichneten Privatpersonen (519) die meisten fachspezifischen Kontakte, gefolgt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Informationsstellen zu Weltanschauungsfragen (169), sowie Lehrpersonen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, Schülerinnen und Schülern und Studierenden (113). Im Rahmen der Beratungsfälle setzten sich 252 Frauen und 195 Männer mit der Bundesstelle in Verbindung. Dabei wurden im Jahr 2014 insgesamt 248 unterschiedliche Gruppierungen wurden thematisiert. Seit Beginn ihrer Tätigkeit dokumentierte die Bundesstelle Anfragen zu insgesamt mehr als 2.200 unterschiedlichen Gruppierungen.

Informationsmaßnahmen und weitere Aktivitäten

Auch im Bereich von Informationsmaßnahmen, die die Bundesstelle im Jahr 2014 gesetzt bzw. weitergeführt hatte, konnte vor allem in Fachkreisen Interesse verzeichnet werden.  Von der Bundesstelle wurden auch periodische Fachgespräche mit unterschiedlichen Zielgruppen von ExpertInnen organisiert und aktuelle Informationen und TV-Hinweise an Fachstellen des In- und Auslands übermittelt. Auch Vernetzungstreffen mit anderen psychosozialen Einrichtungen erwiesen sich als hilfreich für die Informations- und Beratungsarbeit der Bundesstelle.

Das von der Bundesstelle entwickelte Konzept zur Beratung betroffener Menschen und ihrer Angehörigen wurde erfolgreich eingesetzt und auch bei Vorträgen und Seminaren sowie im Bereich der Supervision und Schulung von MultiplikatorInnen vorgestellt.

Zu den Menschen, die sich im Jahr 2014 an die Bundesstelle wandten, gehörten auch Personen, die sich von unterschiedlichen Gemeinschaften, Gruppierungen, Organisationen, Bewegungen, Einzelanbieterinnen und Einzelanbietern gelöst oder distanziert hatten, um Erlebtes zu berichten bzw. ihre Erfahrungen aufzuarbeiten. Ihre Beratung und Begleitung erfolgte im Rahmen des psychosozialen Beratungsangebotes der Bundesstelle.

Weiters wurde supervisorische Unterstützung für im psychosozialen Bereich tätiges Fachpersonal angeboten, das mit weltanschaulichen Thematiken beruflich befasst war. Im Rahmen von Veranstaltungen bot die Bundesstelle Vorträge und Fachbeiträge an. Eine aktive Beteiligung erfolgte auch in der religionswissenschaftlichen Forschung. In diesem Zusammenhang nahm ein Mitarbeiter der Bundesstelle an mehreren internationalen wissenschaftlichen Veranstaltungen teil.

Ein wichtiges Anliegen der Bundesstelle ist die Präventionsarbeit. Dazu wurden im Jahr 2014 Informationsveranstaltungen und Workshops mit Schülerinnen und Schülern an der Bundesstelle angeboten. Weiters wurden Seminare, Referate und Workshops für Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie für MultiplikatorInnen durchgeführt.

Information, Dokumentation und Recherche

Die weltanschauliche Szene spaltet sich immer mehr in Organisationen, kleine Gemeinschaften, Einzelanbieterinnen und Einzelanbieter auf, stellt die Bundesstelle für Sektenfragen. Neugründungen sowie Veränderungen innerhalb bereits bestehender Gemeinschaften und Gruppierungen schaffen die Notwendigkeit einer fortlaufenden, sorgfältigen und umfangreichen Recherchearbeit der Bundesstelle. Dazu nahmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesstelle laufend an Vorträgen, Seminaren und Fachtagungen teil und leisteten in diesem Rahmen oft auch selbst Beiträge. Die Fachbibliothek der Bundesstelle wurde laufend erweitert. Im Jahr 2014 umfasste der Bestand 5.239 Bände zu religiösen und weltanschaulichen Bereichen, die für die Arbeit der Bundesstelle relevant sind, und es wurden 44 für die Tätigkeit der Bundesstelle relevante deutsch- und englischsprachige Fachzeitschriften abonniert.

Wesentliche Erkenntnisse und Erfahrungen wurden auch durch direkte persönliche Kontakte mit VertreterInnen von Gemeinschaften sowie mit EinzelanbieterInnen vermittelt. Ergänzende Informationen konnten auch aus Berichten von Menschen gewonnen werden, die sich von Gemeinschaften, Gruppierungen, Organisationen, Bewegungen oder EinzelanbieterInnen gelöst oder distanziert hatten. Die Zusammenarbeit und der regelmäßige Informationsaustausch mit verschiedenen in- und ausländischen Fachstellen zu Weltanschauungsfragen ist ein weiteres wesentliches Anliegen der Bundesstelle. (Schluss) sox