Parlamentskorrespondenz Nr. 1027 vom 30.09.2015

Was bringt die Rettungsgasse?

Rechnungshofausschuss: Verkehrssicherheitsprojekte am Prüfstand

Wien (PK) – Auch drei Jahre nach Einführung der Rettungsgasse sorgt das Projekt für Diskussionsstoff, zumal nun der Rechnungshof im Zuge einer Prüfung Mängel bei der Vorbereitung und Abwicklung des Projekts festgestellt hatte. Die Kritik bezog sich dabei vor allem auf die von der ASFINAG begleitete umfangreiche Informations- und Kommunikationskampagne und war zentrales Thema eines Berichts (III-121 d.B.), der in der heutigen Sitzung des Rechnungshofausschusses erörtert wurde. Zudem debattierten die Ausschussmitglieder einen – ebenfalls einstimmig vertagten - Bericht über die Tätigkeit des Verkehrssicherheitsfonds (III-191 d.B.), der die VerkehrsministerInnen über die Verwendung der Mittel berät, die bei der Zuteilung von Wunschkennzeichen eigenommen werden. Bundesminister Alois Stöger verteidigte insbesondere die Kampagne "Alkohol im Straßenverkehr" als bewusstseinsbildend und wirksam, unterstrich das Know-how des zuständigen Beirats gegen Kritik und sagte den Abgeordneten für 2016 die Vorlage eines Entwurfs für ein Verkehrsstatistikgesetz zu. Die Empfehlungen von Rechnungshofpräsident Josef Moser lauteten auf eine bessere Koordination von Verkehrssicherheitsmaßnahmen zwischen Bund und Ländern sowie auf eine vertiefte Kontrolle der Mittelverwendung anhand klarer Indikatoren.    

RH ortete Mängel bei Projektbegleitung durch die ASFINAG

Die Gesamtaufwendungen der Umsetzung des Systems Rettungsgasse betrugen rund 4,62 Mio. €, erfuhren die Abgeordneten aus dem Prüfpapier. Der Rechnungshof beanstandete insbesondere, dass der Aufgabenumfang der ASFINAG bei der Projektbegleitung anfänglich nicht klar definiert und abgegrenzt war, was zu Zeitdruck und Mehrkosten während der Planungsphase führte. Aufgrund der umfassenden Kommunikations- und Produktionsmaßnahmen der Kampagne war zudem der Anteil der Agenturleistungen höher als bei vergleichbaren Verkehrssicherheitskampagnen des Verkehrsministeriums. Weder das Ressort noch die ASFINAG hatten bei Direktvergaben für einzelne Beratungsleistungen Vergleichsangebote eingeholt. Evaluation und Erfahrungsberichte schätzten die die Funktion der Rettungsgasse positiv ein, konnten allerdings keine Zeitersparnis bei der Zufahrt zum Einsatzort nachweisen, obwohl dies einer der maßgeblichen Gründe für die Einführung gewesen war, heißt es letztlich kritisch im Resümee des Rechnungshofs.

"Die Rettungsgasse funktioniert sehr gut", waren in der Debatte die Abgeordneten der Regierungsparteien weitgehend einer Meinung, wobei ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger vor allem auch auf positive Rückmeldungen der Einsatzorganisationen hinwies. Er bedauerte aber ebenso wie SPÖ-Mandatar Erwin Spindelberger das Fehlen einer einheitlichen europäischen Regelung.

Für die NEOS griff Gerald Loacker allerdings die Kritikpunkte des Berichts auf und appellierte an die ASFINAG, bei zukünftigen Kampagnen die Lehren aus den Beanstandungen des Rechnungshofs zu ziehen. FPÖ-Abgeordneter Wolfgang Zanger wiederum plädierte dafür, effizient gegen Rettungsgassensünder vorzugehen. Offen war für Grünen-Rechnungshofsprecherin Gabriela Moser nach wie vor die Frage der Zeitersparnis. Obwohl gerade dieser Punkt vom Ressort als entscheidendes Argument für die Einführung der Rettungsgasse angegeben wurde, fehle bis heute eine entsprechende Studie, kritisierte sie. Kaum positive Aspekte konnte Team Stronach-Abgeordnete Martina Schenk erkennen, die die Rettungsgasse mit den Worten "chaotische Einführung, hohe Kosten, wenig erkennbarer Nutzen" kommentierte.

Alois Schedl: Zeitersparnis von einer Minute pro Kilometer "rechnerisch plausibel"

Seitens der ASFINAG attestierte Alois Schedl der Rettungsgasse gutes Funktionieren und erwiderte auf die Kritik der Grünen, eine Zeitersparnis sei nicht messbar, da es ja keine Vergleichsmöglichkeiten gibt und Staus nicht wiederholbar seien. Eine Differenz von einer Minute pro Kilometer bezeichnete er aber als rechnerisch plausibel. Zur Idee einer allgemeinen Freigabe des Pannenstreifens, die vor allem von den Abgeordneten Wolfgang Zanger (F) und Erwin Spindelberger (S) angesprochen wurde, stellte Schedl klar, dies sei von der ASFINAG nie angedacht worden. Eine bloß temporäre Freigabe in Spitzenzeiten könnte jedoch unter Umständen Vorteile bringen könnte. Diese Variante wolle die ASFINAG nun näher prüfen. Zu den Kritikpunkten des Rechnungshofs merkte Schedl im Übrigen an, die ASFINAG verfüge mittlerweile über eigene ExpertInnen für die Ausschreibung von Informationskampagnen.

Lob für die Rettungsgasse spendete auch Verkehrsminister Alois Stöger. Das Projekt sei ein Best-Practice-Modell in Zentraleuropa und diene als Vorbild für Regelungen in anderen Staaten, so etwa in  Deutschland, zeigte er sich erfreut.

Die ASFINAG habe schnell auf die Kritik seines Hauses reagiert, unterstrich Rechnungshofpräsident Josef Moser, untermauerte allerdings die Mahnung, nur in Ausnahmefällen auf externe Ressourcen zurückzugreifen. Anliegen Mosers ist weiterhin die Harmonisierung der Bestimmungen mit den Nachbarstaaten. Was das Vorgehen gegen Rettungsgassensünder betrifft machte der Präsident überdies den Vorschlag, entsprechende Verstöße als Vormerkdelikte zu definieren.

Das komplexe System der Verkehrssicherheit in Österreich  

Zu den Verkehrsthemen im heutigen Rechnungshofausschuss zählte auch ein Prüfbericht zum Verkehrssicherheitsfonds über die Jahre 2008 bis 2013. Der Fonds verfügt über Einnahmen von rund drei Mio. € jährlich aus Wunschkennzeichen und Verkehrsstrafen, mit denen Maßnahmen für die Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr finanziert werden. Im Berichtszeitraum verfügte der Fonds über Rücklagen von 8,2 Mio. €, die auf einem Geschäftskonto mit einem Zinssatz von 0,25 % verwahrt wurden, stellte der Rechnungshof kritisch fest und empfahl eine ertragreichere Veranlagung. Außerdem orteten die RH-Prüfer Interessenskonflikte im Beirat des Verkehrssicherheitsfonds, weil dort Förderempfänger und Auftragnehmer des Fonds vertreten sind. So sei beim Vergabeverfahren zur Kampagne "Alkohol im Straßenverkehr" im Jahr 2009 der Anschein einer Einflussnahme zur Beauftragung eines bestimmten Unternehmens entstanden. Der Kostenrahmen dieser Kampagne von 3,5 Mio. € wurde um 1 Mio. € überschritten, wobei die Schaltung einer Werbeanzeige in Form eines redaktionellen Beitrags samt Foto der damaligen Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie 1,35 Mio. € ausmachten, erfuhren die Abgeordneten vom Rechnungshof.

Der Prüfbericht dokumentiert das komplexe System der Straßenverkehrssicherheit in Österreich, dessen strategische Grundlagen das Verkehrssicherheitsprogramms 2011 bis 2020 sowie Programme der Länder und der ASFINAG darstellen. Allein das Verkehrssicherheitsprogramm 2011 bis 2020 sieht 255 Maßnahmen vor, die von vielen verschiedenen Akteuren umgesetzt werden. An dieser Stelle kritisiert der Rechnungshof den geringen Einfluss des Bundes, etwa bei der Festlegung und Kontrolle von Maßnahmen der Länder, die aus Einnahmen der Wunschkennzeichen finanziert werden.

Was bewirken Verkehrssicherheitskampagnen?

In der Debatte ging Martina Schenk (T) auf die Vergabe des Auftrags für die Kampagne "Alkohol im Straßenverkehr" ein, kritisierte die Zusammensetzung des Fondsbeirats und zeigte sich besorgt wegen rückläufige Einnahmen infolge einer geringer werdenden Zahl an Wunschkennzeichen.

Marianne Gusenbauer-Jäger (S) begrüßte die Zweckbildung der Einnahmen aus den Wunschkennzeichen ausdrücklich und erkundigte sich nach dem aktuellen Stand der Fondsrücklagen.

Ruth Becher (S) machte auf die erfolgreiche Kampagne "Kinder im Straßenverkehr" aufmerksam, bei der Lehren aus den Erfahrungen mit der Kampagne "Alkohol im Straßenverkehr" gezogen wurden, was Rechnungshofpräsident Josef Moser bestätigte.

Gerald Loacker (N) kritisierte seinerseits die Zusammensetzung des Fondsbeirats, dessen Mitglieder bei Auftragsvergaben als Förderungsempfänger einen Insidervorteil gegenüber Institutionen hätten, die dem Beirat nicht angehören.

Auch Hermann Gahr (V) schloss sich der Kritik des Rechnungshof an Unvereinbarkeiten bei der Besetzung des Fonds sowie an einseitigen Vergaben an und drängte auf die Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen. Gahrs weitere Themen waren die Mitsprache der Bundesländer bei Verkehrssicherheitsprojekten und die Frage, wer über die Vergabe von Projekten zur Verkehrssicherheit entscheide.

Christian Lausch (F) listete auf, was seiner Meinung nach beim Projekt "Alkohol im Straßenverkehr" alles schief gelaufen sei. Er kritisierte die hohen Kosten für ein Inserat mit einem Foto der ehemaligen Verkehrsministerin und wies darauf hin, dass die Bewertung der Angebote für die Durchführung dieser Kampagne fragwürdig gewesen sei. Lausch wandte sich gegen teure Kampagnen, die der Verkehrssicherheit nicht nützen, während gleichzeitig Geld für Pannenstreifen an den Straßen fehle.

Georg Willi (G) erinnerte daran, dass es auf Initiative der Grünen per Gesetz verboten wurde, öffentlich finanzierte Inserate mit Bildern von Regierungsmitgliedern zu versehen. Während der Verkehrssicherheitsbeirat hervorragend arbeite, seien die Kampagnen, die der Fondsbeirat finanziere, großteils wenig wirksam, meinte Willi, der sich auch dagegen wandte, die Medien mit viel Geld zu füttern. Die Zusammensetzung des Fondsbeirats sei zu ändern, Sanktionsmöglichkeiten zu schaffen und Themenschwerpunkte zu setzen. Außerdem plädierte Willi für die Verabschiedung eines Verkehrsstatistikgesetzes und für eine bessere Geschlechterverteilung im Beirat.

Stöger: Weniger Unfälle nach Kampagne "Alkohol im Straßenverkehr"  

Verkehrsminister Alois Stöger informierte darüber, dass die Einnahmen auf den Wunschkennzeichen, zu 40% in den Verkehrssicherheitsfonds fließen und zu 60% an die Fonds der Bundesländer. Der Fonds habe den gesetzlichen Auftrag, bewusstseinsbildend zu wirken. Diese Aufgabe erfüllten Agenturen mit einer mess- und nachweisbaren Wirkung, hielt der Minister fest. Bei der Zusammensetzung des Fondsbeirats erklärte der Minister, er lege Wert darauf, dass dort Institutionen vertreten sind, die ihm das nötige fachliche Know-how liefern können. Unvereinbarkeiten sah Stöger nicht, weil der Beirat lediglich berate und die Entscheidung von ihm selbst getroffen werden. Eine Bevorzugung der Insider sehe er ebenfalls nicht, weil über die Homepage des Verkehrsressorts alle Interessenten ausreichend informiert werden. Eine Änderung des Kraftfahrzeuggesetzes halte er daher nicht für notwendig. Die Fondsreserve betrage derzeit 7,8 Mio. €. Diese Mittel werden laut Empfehlung der Bundesfinanzierungsagentur veranlagt, teilte Stöger weiters mit.

Die Kampagne "Alkohol am Steuer" beurteilte der Verkehrsminister und ehemalige Gesundheitsminister überaus positiv. Sie habe die Menschen nachweisbar für das Thema sensibilisiert und zu weniger Unfällen beigetragen. Ein Durchgriffsrecht des Bundes auf die Fonds der Länder bestehe nicht, die Kooperation zwischen Bund und Ländern funktioniere auf informeller Basis, teilte der Minister mit. Ein Verkehrs-Statistikgesetz werde vorbereitet und voraussichtlich im Jahr 2016 dem Parlament vorgelegt werden, kündigte Minister Stöger an.

Gabriela Moser (G) beschrieb an Hand des Rechnungshofberichts den "Bietersturz" bei der Kampagne "Alkohol am Steuer" aus ihrer Sicht. Die Entscheidung in der zweiten Bewertungsrunde sei gegen den ursprünglich kostengünstigeren Anbieter getroffen worden, obwohl er kreativere Vorschläge unterbreitet habe, die der andere Anbieter übernahm, was zu einem Urheberrechtsstreit zwischen den Kontrahenten führte. Moser vermutete eine Schiebung bei der Auftragsvergabe sowie Kick-back-Zahlungen und kritisierte die Nichtöffnung des Mailverkehrs zwischen dem Ressort und dem bevorzugten Anbieter.

Gegenüber den Vermutungen der Abgeordneten hielt Verkehrsminister Stöger fest, ihm gehe es um Transparenz in seinem Ressorts. Daher müsse er Vermutungen zurückweisen, die keine rechtliche Grundlage haben. Er gehe davon aus, dass die Vergabekommission das Vergabegesetz eingehalten habe. Für Vermutungen, dass dem nicht so sei, wäre die Staatsanwaltschaft zuständig. In seinem Ressorts sei kein Platz für Korruption, er müsse seine Mitarbeiter vor ungerechtfertigten Unterstellungen schützen. Die Frage der korrekten Vollziehung des Vergabegesetzes sei von Gerichten geklärt worden, der Streit zwischen den Bietern sei Sache des zuständigen Zivilgerichts.

Dorothea Schittenhelm (V) ließ mit dem Vorschlag aufhorchen, den Fonds abzuschaffen und die Durchführung von Kampagnen dem Verkehrsressort und der ASFINAG zu überlassen. Gegenüber diesem Vorschlag gab Verkehrsminister Stöger zu bedenken, der Nationalrat habe sich für die Fondslösung entschieden, um eine Zweckwidmung der Einnahmen aus den Wunschkennzeichen und die Aufteilung der Mittel nach dem Schlüssel 40:60 zwischen Bund und Ländern zu ermöglichen.

Josef Moser: Bessere Koordination zwischen Bund und Ländern

Rechnungshofpräsident Josef Moser problematisierte das komplizierte System im Bereich der Verkehrssicherheit mit seinen vielen und vielfältigen Akteuren und Gremien, wobei er konkret vorschlug, einen Ausschuss des Fondsbeirats einzurichten, der eine Vorauswahl der Vorschläge treffe. Für problematisch hielt es der Rechnungshofpräsident auch, dass nicht nur der Verkehrssicherheitsfonds, sondern das Ministerium selbst mit allgemeinen Budgetmitteln Verkehrssicherheitsmaßnahmen finanziere, hier sei eine gesamthafte Betrachtung der Verkehrssicherheitsmaßnahmen zu verlangen. Es sei nicht effizient, allgemeine Budgetmittel für die Verkehrssicherheit einzusetzen, während der Verkehrssicherheitsfonds eine finanzielle Rücklage von derzeit 9,57 Mio. € halte. Moser empfahl zudem eine bessere Koordination zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern und eine vertiefte Kontrolle der Maßnahmen anhand klarer Indikatoren.

Daten über den E-Mailverkehr mit der Agentur, die die Kampagne "Alkohol am Steuer" durchführte, wurde wegen eines Urteils des VfGH nicht zur Verfügung gestellt. Die Höchstrichter sahen die Höchstrichter das diesbezügliche Verlangen des Rechnungshofs als nicht ausreichend begründet an. (Fortsetzung RH-Ausschuss) hof/fru