Parlamentskorrespondenz Nr. 1032 vom 01.10.2015

Wenig Aussicht auf Trendumkehr bei den Landwirtschaftseinkommen

Landwirtschaftsausschuss debattiert über Grünen Bericht 2015 und Wildschadensbericht 2014

Wien (PK) –  Angesichts der aktuellen Preissituation auf den Märkten für landwirtschaftliche Produkte besteht wenig Hoffnung, dass sich die negative Entwicklung bei den Landwirtschaftseinkommen 2015 umkehren wird. Bei der Behandlung des Grünen Berichts kündigte Bundesminister Andrä Rupprechter in der heutigen Sitzung des Landwirtschaftsausschusses Maßnahmen seines Ressorts zur Gegensteuerung an, gab aber gleichzeitig zu bedenken, die derzeitige dramatische Situation auf dem Milchmarkt werde sich auf die diesjährigen Einkommen niederschlagen. Konkret weist der Bericht für das Jahr 2014 einen neuerlichen Einkommensrückgang aus, den das Ressort vor allem auf die schwierige Lage auf wichtigen Absatzmärkten zurückführt. Positive Ausnahmen waren lediglich die Biobetriebe und die Bergbauern, die ein leichtes Einkommensplus verzeichnen konnten. Auf der Tagesordnung stand weiters auch der  Wildschadensbericht 2014, der von einer besorgniserregenden Entwicklung bei den Verbiss- und Schälschäden spricht und zu einem gemeinsamen Vorgehen aller Betroffenen aufruft.

Land- und forstwirtschaftliche Betriebe mussten Einkommensminus von 5% hinnehmen

Wie aus dem Grünen Bericht (III-210 d.B.) und dem damit im Zusammenhang stehenden Bericht über die Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft (III-211 d.B.) hervorgeht, konnte die negative Einkommensentwicklung der Jahre 2012 und 2013 auch 2014 nicht gestoppt werden. So wurde im Durchschnitt aller land- und forstwirtschaftlichen Betriebe im vergangenen Jahr ein Einkommen von 23.370 € erzielt, was einem Rückgang um 5 % entspricht. Ebenfalls um 5% gesunken ist das Durchschnittseinkommen je land- und forstwirtschaftlicher Arbeitskraft, das nunmehr 18.941 € beträgt. Als Grund für die Einbußen nennt der Grüne Bericht die angespannte Lage auf wichtigen Absatzmärkten, so insbesondere bei Getreide, Öl- und Hackfrüchten und Tafeläpfeln, sowie gestiegene Aufwendungen für Personal, Pachten und Abschreibungen. Ein Einkommensplus konnten lediglich Bergbauern- und Biobetriebe erwirtschaften.

ÖVP: Direktzahlungen sind Leistungsentgelte, Qualität hat ihren Preis

Gemeinsam war allen Abgeordneten in der teils sehr lebhaften Debatte die Sorge um die Zukunft der heimischen Landwirtschaft. So meinte etwa Hermann Schultes von der Volkspartei, die Entwicklung sei wenig erfreulich, wenngleich sich auch einige Betriebsformen durchaus behaupten konnten. Es gehe deshalb verstärkt darum, Geld in die Bauernhöfe zu bringen. Mit Nachdruck rief Schultes in diesem Zusammenhang dazu auf, Prämien im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie Zahlungen aus öffentlichen Bestellungen nicht als Förderungen, sondern vielmehr als Leistungsabgeltungen an die Landwirtschaft zu sehen. Handlungsbedarf ortete Schultes auch beim Agrardiesel, wo die aktuelle Besteuerung seiner Meinung nach nicht nur eine Kostenbelastung, sondern auch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber ausländischen Konkurrenten bedeutet. Unbestritten ist für den ÖVP-Mandatar überdies, dass Qualität ihren Preis hat. Ehrlichkeit sei deshalb auch von den KonsumentInnen gefragt, die, wie ihm sein Fraktionskollege Franz Eßl beipflichtete, als Partner der Bauern agieren. In diese Kerbe schlug auch NEOS-Abgeordneter Josef Schellhorn mit seiner Aussage, nur Qualität könne die Bauerneinkommen sichern.

SPÖ beklagt wachsende Einkommensschere in der Landwirtschaft

SPÖ-Landwirtschaftssprecher Erwin Preiner mahnte Maßnahmen zur Sicherung der kleinstrukturierten bäuerlichen Familienbetriebe und des landwirtschaftlichen Nebenerwerbs ein und machte sich zudem für eine weitere Unterstützung der Bergbauern in den höheren Erschwerniskategorien stark. Angesichts des Klimawandels wiederum hielt es Preiner für notwendig, Anreize für hitzeresistente Pflanzen zu geben. Von einer insgesamt besorgniserregenden Entwicklung sprach auch SPÖ-Abgeordneter Walter Schopf, der dabei seinen Blick auf die hohe Zahl von Betriebsschließungen richtete und überdies die wachsende Einkommensschere in der Landwirtschaft beklagte. Sein Fraktionskollege Wolfgang Knes reagierte besorgt auf den Rückgang bei den landwirtschaftlichen Investitionen, während Cornelia Ecker (S) die Umweltsituation ansprach und einmal mehr ihrer Forderung nach einem Verbot von Glyphosat und Neonicotinoiden Nachdruck verlieh.

"Realitätsverlust", "Etikettenschwindel": Teils heftige Kritik von FPÖ, Grünen und Team Stronach

FPÖ, Grüne und Team Stronach konfrontierten Minister Rupprechter hingegen mit heftigen Vorwürfen. FPÖ-Agrarsprecher Harald Jannach zeigte sich alarmiert über die Situation auf dem Milchmarkt und forderte als Reaktionen die Wiedereinführung der Milchkontingente sowie die Aufhebung der Russland-Sanktionen. Kein Verständnis hatte er darüber hinaus für die derzeitige gesetzliche Regelung der geschützten geografischen Angaben auf Lebensmitteln. Die daraus resultierende verwirrende Kennzeichnung mache es den KonsumentInnen schwer, das heimische Produkt zu finden. Empört zeigte er sich dabei ebenso wie Leopold Steinbichler (T) und Wolfgang Pirklhuber (G) über Tiroler Schinken aus teilweise importiertem Schweinefleisch. Die Behauptung, hier würde Etikettenschwindel betrieben, wies Landwirtschaftsminister Rupprechter allerdings mit aller Schärfe zurück. Nach den EU-rechtlichen Bestimmungen sei die Verarbeitung  entscheidend – und die befinde sich in Tirol, stellte der Ressortchef klar.

Hart gingen auch die Grünen mit dem Landwirtschaftsminister ins Gericht. Rupprechter betreibe Realitätsverweigerung, seine Maßnahmen geben keinerlei Antwort auf die Probleme der Landwirtschaft, lautete das Urteil Wolfgang Pirklhubers. Die aktuelle Preissituation bedeute jedenfalls "Endstation" für zahlreiche Betriebe, warnte der Agrarsprecher der Grünen. Seine Fraktion werde deshalb den Bericht über die Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft nicht zur Kenntnis nehmen, kündigte er an. Grünen Umweltsprecherin Christiane Brunner übte heftige Kritik an der Klimapolitik der Regierung und meinte, es gehe nicht an, über Ernteausfälle als Folge des Klimawandels zu jammern, dann im Umweltausschuss aber Anträge auf Klimaschutzmaßnahmen immer wieder zu vertagen.

Zu einem Rundumschlag gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung holte Leopold Steinbichler vom Team Stronach aus. Der ländliche Raum werde auf dem Altar des Weltmarktes und der Liberalisierung geopfert, empörte er sich. Besonders schwer wogen in seiner Kritik dabei die Abschaffung der Milchquoten sowie die seiner Einschätzung nach mangelhafte Herkunftskennzeichnung. Insgesamt äußerte er auch Zweifel, dass das Geld aus den angekündigten Maßnahmenpaketen überhaupt bei den Bauern ankommen werde.      

Rupprechter setzt auf EU-Gelder, Exportoffensiven und Ernteversicherung

Der Umstand, dass 2014 schon das dritte Jahr in Folge mit einer negativen Einkommensentwicklung für die Landwirtschaft war, bot auch für Bundesminister Andrä Rupprechter wenig Anlass zu Optimismus. Dies vor allem auch deshalb, da, wie er zu bedenken gab, die dramatische Verschlechterung auf dem Milchmarkt erst im nächsten Bericht ihre Auswirkungen zeigen werde. Erleichterungen erwartet sich der Ressortchef allerdings durch die Direktzahlungen aus der gemeinsamen Agrarpolitik, wobei er vor allem die Greening-Prämie und die speziellen Unterstützungen für Junglandwirte hervorhob. Innerstaatlich will Rupprechter die EU-Maßnahmen durch einen Bio-Aktionsplan sowie eine massive Ausweitung der Investitionsförderungen flankieren. Große Erwartungen verbindet der Minister auch mit dem Export. So seien etwa die Zuwächse in Richtung Japan und Korea größer gewesen als die Verluste im Gefolge des Russland-Embargos, stellte er erfreut fest. Große Chancen sah er überdies auch für Wein, Käse und Speck aus Österreich in den USA, die nun Ziel einer entsprechenden Exportoffensive sind.

Auf Ernteausfälle im Zuge des Klimawandels will Rupprechter mit Sofortmaßnahmen wie etwa der Freigabe der Nutzung von Bracheflächen reagieren. Darüber hinaus stehen aber auch 5 Mio. € aus einem Sonderkatastrophenfonds zur Verfügung, die von den Bundesländern verdoppelt werden können. Geplant ist ferner auch eine Ernteversicherung nach dem Vorbild der Hagelversicherung für Schäden aus Dürre und Überschwemmung, die derzeit bereits als Pilotprojekt läuft.

Der Grüne Bericht wurde mehrheitlich gegen die Stimmen der FPÖ zur Kenntnis genommen. Die Kenntnisnahme des Berichts über die Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft erfolgte ebenfalls mit Stimmenmehrheit.

Wildschäden geben Anlass zur Sorge

Als besorgniserregend stuft der erstmals dem Nationalrat vorliegende Wildschadensbericht (III-200 d.B.) die Beeinträchtigung des Waldbestands durch Verbiss- und Schälschäden ein. So weisen in fast zwei Drittel der Bezirke mehr als die Hälfte der Waldflächen starken Wildeinfluss auf, gebietsweise sind sogar mehr als drei Viertel des Waldes stark geschädigt, wobei vor allem die Bergwälder vom Wildverbiss betroffen sind.

Ein "erschütterndes Ergebnis" liefert der Bericht nach den Worten des ÖVP-Abgeordneten Norbert Sieber, der an die Jäger appellierte, die Abschusszahlen zu erfüllen. Wie sein Fraktionskollege Franz Eßl und SPÖ-Abgeordnete Cornelia Ecker machte Sieber überdies auf die zunehmende Beunruhigung des Wildes durch Freizeitnutzung des Waldes aufmerksam. Für die beiden ÖVP-Mandatare stellte sich dabei die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer weiteren Öffnung des Waldes. Wolfgang Knes von den Sozialdemokraten führte die Probleme hingegen auch auf die Privatisierung des Waldes hin und argumentierte, die neuen Besitzer hätten oft kein Interesse an der Pflege der Flächen.

Für ein besseres Waldmanagement plädierte Josef Schellhorn (N), der gemeinsam mit Georg Willi (G) die Forderung erhob, der Wald müsse Vorrang vor dem Wild haben. Der Grün-Abgeordnete sprach sich in diesem Zusammenhang für eine massive Reduktion des Wildbestands aus, während FPÖ-Landwirtschaftssprecher Harald Jannach einem bundeseinheitlichem Jagdgesetz das Wort redete.

Waldschutz und Jagd fallen in die Kompetenz der Länder, erwiderte Bundesminister Andrä Rupprechter, versicherte aber, der Bund werde auch weiterhin zur Lösung des Problems beitragen. Neben der Erhebung des Bestandes im Zuge der Waldinventur und des Wildeinflussmonitorings gelte es auch, auf die Einhaltung der Abschusszahlen hinzuwirken und den Forst-Jagd-Dialog weiterzuführen, betonte Rupprechter.

Der Bericht wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung Landwirtschaftsausschuss) hof