Parlamentskorrespondenz Nr. 1165 vom 29.10.2015

Österreichische Milchwirtschaft vor Herausforderungen globaler Märkte

Landwirtschaftsausschuss setzt Unterausschuss zur Erörterung der Lage auf den Agrarmärkten ein

Wien (PK) – Die heimische Landwirtschaft sieht sich nach dem Auslaufen des EU-Milchquotensystems mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Nachdem die Krise auf dem Milchmarkt bereits in den letzten Sitzungen des Landwirtschaftsausschusses für lebhafte Debatten gesorgt hatte, fassten die Abgeordneten heute einstimmig den Beschluss auf Einsetzung eines Unterausschusses, der sich mit der für die österreichischen Betriebe neuen Situation eingehend befassen soll. Gegenstand der Beratungen werden vor allem Anträge der Oppositionsparteien sein, die die Forderungen nach einer Mengenregulierung bei Milch und einem speziellen Maßnahmenprogramm für die Bauern enthalten.

Ein erstes Bild über die aktuelle Lage auf den Agrarmärkten konnte sich der Ausschuss bereits in einem Expertenhearing machen, das den Einstieg für die kommenden Sitzungen des Unterausschusses lieferte. Rede und Antwort standen den Abgeordneten dabei der Sektionschef im Landwirtschaftsministerium Rupert Lindner, Thomas Resl von der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft, die Agrarökonomin Maria Burgstaller von der Arbeiterkammer, Professor Klaus Salhofer (Universität für Bodenkultur Wien), der Geschäftsführer der Biomolkerei Lembach, Johann Furtmüller, sowie die Landwirte Wilfried Etschmayer und Franz Schachinger.

Volatile Agrarmärkte, höheres Risiko für landwirtschaftliche Produktion

Sektionschef Rupert Lindner leitete sein Statement mit einem Rückblick auf die Entwicklung der Agrarmärkte der letzten 15 Jahre ein. In dieser Zeit habe auch ein grundsätzlicher Wandel der EU-Agrarpolitik stattgefunden. Die EU habe sich dem Weltmarkt geöffnet, damit schlage auch die Volatilität der Weltmärkte auf sie durch. Gleichzeitig seien viele Steuerungsmittel im Agrarbereich weggefallen, als wichtigstes seien nur die Direktzahlungen im Rahmen der GAP geblieben. Die Sicherung der landwirtschaftlichen Einkommen müsse daher neue Wege gehen, meinte Lindner. Dazu gehörten die Honorierung von Umweltleistungen, die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, die Qualitäts- und Herkunftsstrategie für die Vermarktung der Produkte und neue Nebenerwerbsmöglichkeiten.

Der Experte der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft Thomas Resl ergänzte die Darstellungen Lindners mit grundlegenden Informationen zu den globalen Agrarmärkten. Die Rolle der Agrarpolitik sei geringer geworden, Angebot und Nachfrage, aber auch externe Faktoren, wie das Russlandembargo, wirken sich auf die Märkte stark aus. Obwohl nur ein kleiner Teil der Agrarprodukte in den Welthandel gelange (bei Milch etwa nur 9 %), spiele dieser Anteil eine wichtige Rolle für die Preisbildung. Jede Ausweitung oder Verringerung der Produktion schlage stark auf die Preisbildung durch. Seit 2007 sei besonders bei den Milchpreisen eine starke Volatilität zu beobachten.

Die Agrarökonomin Maria Burgstaller versuchte eine differenzierte Darstellung der bäuerlichen Einkommen sowohl nach dem Pro-Kopf-Einkommen als auch nach Betriebsformen. Kleine Betriebe und Nebenerwerbsbetriebe erzielen kein Markteinkommen aus ihren landwirtschaftlichen Produkten, erläuterte sie. Das heiße aber, dass sie auch von einer Erhöhung des Milchpreises nur wenig profitieren könnten. Ihnen wäre mit höheren Einkommen aus unselbständiger Arbeit eher geholfen. Für Haupterwerbsbetriebe hätte der Markt sehr wohl Bedeutung.

Der Geschäftsführer der Biomolkerei Lembach Johann Furtmüller erklärte, seine Molkerei sei mit ihrer geringen Größe theoretisch eigentlich nicht überlebensfähig. Für ihren Erfolg seien zwei Faktoren ausschlaggebend. Erstens gebe es eine steigende Nachfrage nach Biomilch und damit steigende Preise, des Weiteren bestehe für den Vertrieb der Produkte eine Kooperation mit industriellen Molkereibetrieben. Die Zukunft sah er daher in solchen Kooperationen der konventionellen und der Bio-Landwirtschaft. Österreich müsse dazu den Biosektor stärken, denn von ihm profitiere auch die konventionelle Landwirtschaft.

Klaus Salhofer von der Universität für Bodenkultur erläuterte, dass die Volatilität der Agrarpreise nicht notwendigerweise zugenommen habe, sie werde aber nun anders wahrgenommen. Grundsätzlich seien die Agrarpreise aber im Zeitraum von 2007 bis 2014 real gestiegen, nachdem sie zuvor seit dem 19. Jahrhundert tendenziell immer gefallen seien. Der Weltmarkt sei jedenfalls eine Tatsache, der man sich stellen müsse. Damit die LandwirtInnen auf die Volatilität der Märkte reagieren können, bedürfe es unter anderem eines besseren betrieblichen Risikomanagements, meinte Salhofer. Staatliche Maßnahmen könnten dann gesetzt werden, wenn ein tatsächliches Marktversagen vorliegt. Der Staat habe auch schon in verschiedenster Weise reagiert, etwa durch die Einführung der Betriebsprämie.

Für die Milchbauern sprach Wilfried Etschmayer. Er sah die milchproduzierenden Betriebe unter einem extremen wirtschaftlichen Druck. Dieser sei durch das Russlandembargo noch erhöht worden, meinte er, so gesehen war die Abschaffung des Quotensystems ein grundsätzlicher Fehler. Er habe Zweifel am Willen der Agrarpolitik, die LandwirtInnen zu unterstützen, sagte Etschmayer.

Der Landwirt Franz Schachinger stellte die Situation seines Schweinezuchtbetriebs vor. Er sah die Agrarpolitik gefordert, vor allem, was das Vermarktungsmanagement betrifft. Dieses könne man nicht dem freien Markt allein überlassen, war er überzeugt.

Quotenregelungen können Weltmarkteffekte nicht aufheben

In den Diskussion nach den Einleitungsstatements kamen grundsätzliche Fragestellungen als auch zahlreiche Detailfragen zur Sprache. Diese sollen im Unterausschuss noch weiter erörtert werden. Angesprochen wurden von den Abgeordneten des Landwirtschaftsausschusses unter anderem die Fragen der bäuerlichen Einkommen, die Faktoren für die Preisentwicklung von Agrarprodukten, die Änderungen der Produktionsbedingungen und der Strukturwandel sowohl in der Landwirtschaft als auch im ländlichen Raum insgesamt sowie Marketingmaßnahmen.

Die als Experten eingeladenen Landwirte betonten, dass sie sich konkrete Maßnahmen seitens der Agrarpolitik erwarten. Das könnte auch Mengenbeschränkungen der Produktion umfassen, um die Preise zu stützen, wie Etschmayer und Schachinger meinten. Der Tenor der Agrarexperten war dazu, dass eine Rückkehr zu einer Quote in welcher Form auch immer schwer denkbar wäre. Österreichs Agrarproduktion sei über Importe wie Exporte mit dem Weltmarkt zu eng verflochten, als dass nationale Preismaßnahmen längerfristig Wirkung zeigen könnten, meinte etwa Salhofer. Jede Preiserhöhung auf diesem Weg würde durch die Marktkräfte rasch wieder aufgehoben werden. Lindner betonte, dass bäuerliche Familienbetriebe letztlich krisenfester seien als Großbetriebe, diese Struktur gelte es für Österreich zu erhalten. Der Strukturwandel werde sich zwar auch in den kommenden Jahren fortsetzen, sein Umfang habe sich aber bereits abgeschwächt, meinte der Experte des Landwirtschaftsministeriums.

Auf der Tagesordnung des Unterausschusses stehen ein Entschließungsantrag der Freiheitlichen (1341/A(E)), in dem Harald Jannach die Wiedereinführung einer Mengenregulierung für Milch fordert sowie ein von allen vier Oppositionsparteien vorgelegtes 10-Punkte-Milchpaket (1047/A(E)) mit der zentralen Forderung nach einem garantierten Milchpreis für die ersten 65.000 Liter. Ebenfalls erörtern werden die Abgeordneten den Vorstoß der NEOS (1021/A(E)) betreffend Stärkung der landwirtschaftlichen Produktion durch Kooperation der Betriebe mit Gastronomie und Tourismus. (Schluss) sox/hof