Parlamentskorrespondenz Nr. 1220 vom 12.11.2015

Modulare Oberstufe: Nationalrat zwischen Zweifel und Begeisterung

Opposition wirft Regierung Diskussionsverweigerung bei Bildungsreform vor

Wien (PK) - Am Ende des langen Verhandlungstages der 100. Sitzung dieser Geschäftsordnungsperiode debattierte der Nationalrat heute noch das Bildungsprojekt Modulare Oberstufe. Diese neue Form des Unterrichts im Kurssystem soll ab dem Schuljahr 2017/18 an sämtlichen Allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) und Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) umgesetzt sein. Die Diskussion darüber stützte sich auf einen Antrag der Grünen, der geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen für die Oberstufe neu vorschlägt. Anders sei diese Organisationsform des Unterrichts zum Scheitern verurteilt, so die Befürchtung, die aber von der Mehrheit im Plenum nicht geteilt wurde. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Regierungsfraktionen unterstrichen, das Konzept sei langjährig erprobt und werde als Schritt zur Modernisierung des Schulwesens wie geplant umgesetzt.

Die Sicherung des Bildungszugangs für Kinder und Jugendliche auf der Flucht und die Beachtung von Dyskalkulie bei der Benotung brachten die Grünen in Form von zusätzlichen Anträgen in die Bildungsdebatte ein. Forderungen nach einer indexbasierten Mittelzuteilung im Schulwesen und nach der Einbeziehung aller Stakeholder in die Umsetzung der Bildungsreform steuerten die NEOS bei. Beide Oppositionsparteien blieben mit ihren Forderung jedoch in der Minderheit.

Kurssysteme sollen SchülerInnen mehr fordern und fördern

Obwohl grundsätzliche Befürworter der Modularen Oberstufe beanstandet Harald Walser (G) am aktuellen Konzept, es führe zu zahlreichen praktischen Problemen für SchülerInnen und LehrerInnen. Das zeige sich bei aktuellen Testläufen. So setze die individualisierte Unterrichtsform mit Beginn in der 10. Schulstufe zu spät an, da zwei Drittel der Schulabbrüche ein Jahr davor registriert würden, kritisierte der Grünen-Bildungssprecher. Zur erfolgreichen Implementierung müssten die Module schon in der 9. Schulstufe starten. Außerdem sollte der Unterricht nur noch in Kurssystemen losgelöst von der Klasse erfolgen und die Vorgabe, wonach ein Klassenaufstieg von positiven Semesternoten abhängig ist, sei aufzuheben, heißt es im Antrag weiter. FPÖ-Mandatar Gerald Hauser meinte ebenfalls, die gesetzlichen Rahmenbedingungen seien für dieses Projekt noch zu adjustieren.

Die Sozialdemokratinnen Elisabeth Grossmann, Andrea Gessl-Ranftl, Marianne Gusenbauer-Jäger und Katharina Kucharowits bezogen demgegenüber klar Position für das gegenwärtige Konzept zur Umsetzung der neuen Oberstufe. Grossmann sieht einen "Modernisierungsschub mit Augenmaß" im heimischen Bildungssystem dank der Modularen Oberstufe. Da Schülerinnen und Schüler im Entwicklungsprozess eingebunden gewesen seien, habe man den sozial wichtigen Klassenverband nicht aufgehoben. ÖVP-Bildungssprecherin Brigitte Jank bestätigte, der Verbleib in der Klasse werde von den SchülerInnen gewollt und bleibe daher erhalten. Zur nachhaltigen Senkung der Drop-Out Quoten empfiehlt sie eine ausreichende Berufsorientierung in der 7. und 8. Schulstufe.

Einen großen Vorteil der künftigen Oberstufe sieht Gessl-Ranftl darin, dass nur negativ abgeschlossene Fächer wiederholt werden müssen. Gegen einen Beginn der Kurssysteme schon in der Pflichtschule spreche, dass sie höhere Anforderungen an die Organisationsfähigkeit der SchülerInnen stelle. Zudem würden viele Jugendliche in der 9. Schulstufe die Schule wechseln, ein rein auf Kurse verteilter Unterricht würde solche Übertritte erschweren. Eine Verdichtung der Lernaktivitäten seitens der SchülerInnen erwartet sich die Sozialdemokratin schließlich aufgrund der Bestimmungen, die für einen Aufstieg ein positives Semesterzeugnis voraussetzen. Wichtig scheint Kucharowits der Umstand, dass die Erfahrungen der Schulversuche in die Umsetzung der neuen Oberstufe einfließen würden.

Mitternachtsreigen um Bildungsreform

Nicht nur das Bildungsprojekt Modulare Oberstufe, auch die angekündigte Bildungsreform steht aus Sich der Opposition an der Kippe. Solange nicht alle betroffenen Gruppen in die Ausarbeitung des Umsetzungsplans eingebunden würden, meint Klubobmann Matthias Strolz (N), werde die Reform scheitern. Derzeit sei die Bundesregierung offenbar nicht willens, einen breite Diskussion darüber zu führen. Österreich brauche deswegen einen System- und Mentalitätswandel, der unabhängig von Verordnungen einen "Dialog- und Entscheidungsprozess" ermöglicht, bei dem neben Bildungsministerium und Bundesländern auch die Schulpartner, alle Parlamentsparteien, die Sozialpartner und externe ExpertInnen eingebunden sind. In einem zweiten Antrag skizzierte Strolz seine Vorstellungen für eine zielgenaue Schulfinanzierung, bei der die jeweilige Schülerpopulation sowie spezifische Kriterien bei den Zahlungen beachtet werden. Flankiert werden solle diese "schülerbezogene Pro-Kopf-Finanzierung" von einer Qualitätssicherung durch den Bund und von zweckgewidmeten Qualitätsbudgets für Integrationsarbeit an Schulen, empfiehlt der NEOS-Bildungssprecher. Wie konkret die Mittel für integrative Maßnahmen eingesetzt werden, sollten die Standorte wiederum selbst entscheiden können.

Bildungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche unter den Flüchtlingen in Österreich widmete Harald Walser (G) gemeinsam mit seinen Parteikolleginnen Sigrid Maurer und Alev Korun einen eigenen Antrag. Besonderes Augenmerk schenken die AntragstellerInnen jenen, die noch nicht oder nicht mehr schulpflichtig sind, also den Altersgruppen unter sechs und zwischen 15 und 18 Jahren. Konkret wird verlangt, Flüchtlingskinder müssten ebenfalls vom verpflichtenden letzten Kindergartenjahr erfasst werden und Teenagern sei der Zugang zu einer geeigneten Bildungseinrichtung zu garantieren. Als Grundlage dafür sei vorab der Bildungstand der Kinder und Jugendlichen zu klären und Ressourcen zur Sprachförderung wie auch psychologischer Betreuung seien bereitzustellen. Katharina Kucharowits (S) vermisste in dem Anliegen allerdings konkrete Vorschläge zur Umsetzung. Benachteiligt sind im heimischen Schulwesen laut Walser auch SchülerInnen mit der Teilleistungsschwäche Dyskalkulie. Hier brauche es eine bundeseinheitliche Regelung, sodass entsprechende Schwierigkeiten beim Umgang mit Zahlen und der Lösung mathematischer Probleme in der Leistungsbeurteilung beachtet werden.

Mit Verweis auf die angekündigte Präsentation der Bildungsreform am 17. November bemängelten Gerald Hauser (F), Harald Walser (G) und Matthias Strolz (N), die Bildungspolitik sei nur zufällig heute auf die Tagesordnung der Nationalratssitzung gekommen, weil nämlich die Regierungsfraktionen im Unterrichtsausschuss mangels Vollzähligkeit den Grünen-Antrag zur Modularen Oberstufe nicht vertagen hätten können. Die Debatte über den Bildungsbereich werde einfach verweigert, erboste Hauser sich und Walser wertete es als schlechtes Omen, dass Bildungsthemen erst zur Mitternachtsstunde im Plenum behandelt würden.

Im Anschluss an die Sitzung fand eine weitere (101.) Sitzung des Nationalrats statt, in der die in der Geschäftsordnung vorgesehenen Mitteilungen und Zuweisungen erfolgten (Schluss Nationalrat) rei


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