Parlamentskorrespondenz Nr. 1444 vom 17.12.2015

Schelling: Zuständigkeit und Verantwortung in einer Hand

Bundesrat diskutiert über Vorschläge der LändervertreterInnen zum Finanzausgleich

Wien (PK) – Ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Steuergeld, eine möglichst bürgernahe und effiziente Verwaltung sowie die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips sind die Eckpfeiler für eine erfolgreiche Weiterentwicklung des Finanzausgleichs erklärte Bundesminister Hans Jörg Schelling in der heutigen Sitzung des Bundesrats. Im Rahmen einer Aktuelle Stunde debattierten die LändervertreterInnen unter dem Titel "Finanzausgleichsverhandlungen: Chance für Bund und Länder" über Reformvorschläge sowie die unterschiedlichen Standpunkte der einzelnen Gebietskörperschaften zu diesem Thema.

Schelling: Eine echte Reform führt zu Kompetenzverschiebungen

"Der Finanzausgleich wird uns fordern", leitete Finanzminister Hans Jörg Schelling seine Stellungnahme ein. Auch wenn es in dieser Frage sehr unterschiedliche Standpunkte gebe, so sollten alle Beteiligten sich dazu bekennen, verantwortungsvoll mit dem Steuergeld der ÖsterreicherInnen umzugehen sowie ein möglichst bürgernahes und effizientes System zu entwickeln. Er glaube auch, dass es Zeit sei, sich von den Begriffen föderal und zentral zu verabschieden und dass man wieder auf das Subsidiaritätsprinzip zurückkommen müsse. Wenn man eine echte Reform anstrebt, dann werde es logischerweise zu Kompetenzverschiebungen kommen, gab der Minister zu bedenken. Auch der Bund müsse bereit sein, möglicherweise Aufgaben abzugeben. In den sieben von ihm eingesetzten Arbeitsgruppen werde intensiv diskutiert, eine Einigung gebe es aber nur, wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen.

Dass es zu Änderungen kommen müsse, davon sei er absolut überzeugt, betonte Schelling, allein der Verwaltungsaufwand für das Hin- und Herschieben von Finanzmitteln koste 150 Mio. €. Die zentrale Grundlage für eine Reform sei eine aufgabenorientierte Vorgangsweise, die vielleicht nicht überall, aber doch in den meisten Bereichen angewandt werden müsse. Dies bedeute, dass Zuständigkeit und Verantwortung in einer Hand sein müssen. Nur dann sei etwa auch die Frage des abgestuften Bevölkerungsschlüssels lösbar, zeigte der Minister auf. Das Thema Steuerautonomie, bei dem es nur um die Frage der Festsetzung und nicht um die Einhebung von Steuern gehe, müsse im Vorfeld ausführlich diskutiert werden, damit allen klar sei, welche Konsequenzen damit verbunden sind. Ganz wichtig sei für ihn dabei, dass Änderungen in diesem Bereich keinesfalls zu einem ruinösen Wettbewerb zwischen den Ländern führen dürfen. Schelling hielt es durchaus für möglich, dass am Ende das Projekt verworfen wird, weil es zu keiner Einigung kommt oder weil keine vernünftige Modellstruktur gefunden wurde. Eine weiteres zentrales Thema war für Schelling die zukünftige Organisation der interkommunalen Zusammenarbeit.

Er habe immer betont, dass eine Vereinheitlichung der Bilanzierungsvorschriften eine wichtige Vorleistung für einen erfolgreichen Finanzausgleich ist. Es sei daher bedauerlich, dass die Länder nun eine Art "Firewall" rund um die diesbezügliche Verordnung seines Ressorts machen, indem sie nämlich untereinander eine 15a-Vereinbarung abgeschlossen haben. Außerdem hat die Landeshauptleutekonferenz angekündigt, beim Verfassungsgerichtshof überprüfen zu wollen, ob nicht doch zu sehr in die Autonomie der Länder eingegriffen wurde. So etwas dürfe beim Finanzausgleich nicht passieren, unterstrich Schelling. Wenn Vereinbarungen getroffen werden, dann müssen diese auch "blitzsauber" umgesetzt werden. Der Minister merkte noch an, dass er selbst eine Anfrage an den VfGH richten werde. Es gehe dabei um die grundsätzliche Frage, ob die vom Bund verordnete Maßnahme zur einheitlichen und harmonischen Durchführung des Rechnungswesens von den Ländern einseitig verändert werden darf.  

ÖVP und SPÖ unterstützen Reformbestrebungen des Finanzministers

Bundesrat Edgar Mayer (V/V) wies einleitend darauf hin, dass das Finanzausgleichsgesetz zu den wichtigsten Materien der Republik gehört. Auf Grundlage eines festgelegten Verteilungsschlüssels wurden im Vorjahr insgesamt 32,5 Mrd. € an Länder und Gemeinden überwiesen. Da die sogenannten Ertragsanteile des Bundes aber längst nicht mehr ausreichen, um den Föderalismus in Schwung zu halten, müssen noch weitere 8 Mrd. € ausgeschüttet werden. Parallel zum Finanzausgleich sei in den letzten Jahren noch eine Flut von 15a-Vereinbarungen dazu gekommen, mit denen etwa die Kinderbetreuung, die Mindestsicherung, die Altenpflege oder die Flüchtlingsangelegenheiten geregelt werden, zeigte Mayer auf.

Finanzminister Schelling habe es sich nun zur Aufgabe gemacht, das verwobene System, das sogar von Experten kaum mehr durchschaut werde, zu reformieren. Auch der Rechnungshof habe Kritik an den intransparenten Finanzierungsströmen geübt. Daneben enthalte das System auch strukturelle Fehler, war Mayer überzeugt, denn sparsames Wirtschaften – so wie etwa in Vorarlberg – werde nicht belohnt. So fehlten etwa Anreize für Kooperationen zwischen den Ländern z.B. in Fragen der Spitalserhaltung oder der Spitalsfinanzierung. Christian Poglitsch (V/K) plädierte für eine Ausweitung der Steuerautonomie und verwies auf das Beispiel Schweiz. Im besonderen setzte er sich für die Gemeinden ein, die immer mehr Aufgaben zu übernehmen hätten. Der Finanzausgleich könne jedenfalls eine Chance sein, im Sinne eines modernen Föderalismus alles auf ein neues, tragbares und transparentes System umzustellen.

Auch Bundesrat Ewald Lindinger (S/O) sah Reformbedarf, da es sich beim Finanzausgleich um einen höchst komplexen Abwicklungsmechanismus handelt, der manche Städten und Gemeinden zur Verzweiflung bringt. Anhand zahlreicher Beispiele aus der Praxis zeigte der Redner auf, dass das derzeitige System nicht nur undurchsichtig, sondern vor allem auch ungerecht sei. Klar sei auch, dass dringend an einer Entflechtung der Kompetenzen und Aufgaben gearbeitet werden müsse. Er wünschte sich, dass die Gemeinden mit genügend Geld ausgestattet werden, um all ihren Aufgaben gerecht zu werden. Ein wesentlicher Bestandteil des Finanzausgleichs sei die Bewältigung der Zukunftsaufgaben, machte Reinhard Todt (S/W) geltend. Als Beispiel führte er die Stadt Wien an, die aufgrund des Bevölkerungswachstums vor großen infrastrukturellen Herausforderungen steht. Gleichzeitig komme es zu Abwanderungen aus dem ländlichen Raum. Die PolitikerInnen seien daher gefordert, Lösungen zu finden, die eine gemeinsame gute Entwicklung des Landes gewährleisten.

FPÖ: Versäumnisse der Vergangenheit müssen dringend repariert werden

Wenn man sich anschaue, wie derzeit die Finanzmittel im Land verteilt werden, dann sei mehr Gerechtigkeit sicher von Nöten, betonte Bundesrat Gerd Krusche (F/St). Beipflichten könne er auch nur all jenen, die mehr Transparenz fordern, da das System mittlerweile schon sehr undurchsichtig ist. Eine Reform müsse weiters gewährleisten, dass es zu einer aufgabenadäquaten Finanzierung kommt und dass die Interessen der Gemeinden, die eine wesentliche Bedeutung für die regionale Wirtschaft haben, entsprechend berücksichtigt werden. Was die Frage der Übertragung der Steuerautonomie an die Länder angeht, so müsse man bedenken, dass dies natürlich zu einem Steuerwettbewerb führen würde. Angesichts der zahlreichen aktuellen Herausforderungen, wie etwa der Flüchtlingskrise, sei man auch gefordert, ein anpassungsfähiges System zu entwickeln, urteilte Krusche. Seine Fraktionskollegin Monika Mühlwerth (F/W) setzte sich für eine aufgabenbezogene Reform sowie für die Abschaffung der Mehrgleisigkeiten im Förderbereich ein.

Grüne für Aufgabenorientierung und mehr Steuerautonomie für die Länder und Gemeinden

Nicole Schreyer (G/T) wünschte sich generell ein neues Leitbild, das in der Finanzverfassung verankert werden sollte. Sie hoffe, dass die Verhandlungen über den Finanzausgleich zum Anlass genommen werden, um sich anzuschauen, wo es festgefahrene Strukturen gibt, die aufgebrochen werden müssen und wo die Zuständigkeiten neu definiert werden sollen. Ihre Fraktion plädiere u.a. für eine Aufgabenorientierung und für eine Ausweitung der Steuerautonomie, um eine echte Selbstverwaltung zu fördern. Dies dürfe aber auf keinen Fall zu einem Wettbewerbsföderalismus führen, der die Länder untereinander aufreibt und am Schluss alle zu Verlierern macht. Um den Reformprozess besser in Schwung zu bringen, könnte man einige "Leuchtturmprojekte" für einen Föderalismus Neu starten, schlug Schreyer vor. Heidelinde Reiter (G/S) war überzeugt davon, dass zunächst eine einheitliche wirkungsorientierte Budgetierung realisiert werden müsse, da sonst die Leistungen nicht verglichen werden können. Dies würde ja auch die Chance bieten, voneinander zu lernen, hob die Rednerin hervor. Fortschritte brauche es auch im Bereich der Kooperation zwischen den Gebietskörperschaften und bei der Einbindung der BürgerInnen; nur dann könne Österreich erfolgreich werden.

Bundesrat Gerald Zelina (A/N) vertrat die Auffassung, dass der Staat sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren sollte. Bei jeder Maßnahme sollte man sich kritisch fragen, ob dies den BürgerInnen wirklich nutze. Das Geld sollte nicht in aufgeblähte, historische gewachsene Verwaltungsstrukturen fließen, sondern dorthin, wo es gebraucht werde. Um international mithalten zu können, sei eine Verwaltungs- und Aufgabenreform dringend notwendig. Eigene Landesgesetzgebungen mit neun Parlamenten sind in einem so kleinem Land wie Österreich völlig überdimensioniert, betonte Zelina. (Fortsetzung Bundesrat) sue


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