Parlamentskorrespondenz Nr. 1465 vom 18.12.2015

VwGH: Kaum Probleme beim Übergang zum neuen Verwaltungsgerichtssystem

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofs und des Verfassungsgerichtshofs 2014 liegen Nationalrat vor

Wien (PK) – Der Übergang zum neuen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist beim Verwaltungsgerichtshof völlig problemlos verlaufen. Rechtsfragen, die durch zum Teil lückenhafte Übergangsregelungen aufgeworfen wurden, konnten durch die Rechtsprechung gelöst werden, ohne dass den Rechtsschutzsuchenden Nachteile erwachsen wären. Das hebt der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in seinem Tätigkeitsbericht 2014 hervor, den Bundeskanzler Werner Faymann vor kurzem gemeinsam mit der Jahresbilanz des Verfassungsgerichtshofs dem Nationalrat vorgelegt hat (III-221 d.B. und III-569-BR/2015 d.B.). Auch das angestrebte Ziel der Verfahrensbeschleunigung wurde erreicht. Seit Anfang 2014 gibt es in Österreich ein zweistufiges System bei den Verwaltungsgerichten, in erster Instanz entscheiden, je nach Materie, eines der neun Landesverwaltungsgerichte, das Bundesverwaltungsgericht oder das Bundesfinanzgericht.

Trotz der positiven Entwicklung warnt VwGH-Präsident Rudolf Thienel allerdings davor, das Personal beim Verwaltungsgerichtshof zu reduzieren. Nur mit der derzeitigen Ressourcenausstattung sei es möglich, auf Dauer zeitnahe Entscheidungen sicherzustellen und einen neuerlichen Anstieg des Aktenrückstands zu verhindern, heißt es im Bericht. Aus Gründen der Rechtssicherheit rät der VwGH außerdem dazu, mit allfälligen kleinen Nachjustierungen am neuen System zu warten, bis weitere Erfahrungen vorliegen. Insgesamt sei dieses nämlich gelungen und effektiv.

Verwaltungsgerichthof gab 1.334 Beschwerden statt

Konkret wurden beim Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2014 3.938 Verfahren neu anhängig, dazu kamen 4.623 aus den Vorjahren übernommene Altverfahren. Da 5.479 Verfahren abgeschlossen werden konnten, verringerte sich die Zahl der zum Jahresende offenen Fälle im Vergleich zum Vorjahr um 1.541 auf 3.082. Die durchschnittliche Verfahrensdauer wird mit 10,6 Monaten angegeben, im Jahr 2013 waren es im alten System der Verwaltungsgerichtsbarkeit noch 16,77 Monate gewesen.

In 1.334 Fällen hob der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf oder änderte ihn ab, wobei die Erfolgsquote sowohl im Bereich der ordentlichen Revision als auch im Bereich der außerordentlichen Revision bei rund 15% lag. In 26 Fällen entschied der VwGH "in der Sache selbst".

Durch das neue System der Verwaltungsgerichtsbarkeit hat sich die Zählweise beim VwGH gegenüber den Vorjahren erheblich geändert: Nunmehr wird bei den eingegangenen Fällen zwischen ordentlicher Revision (39% der Verfahren), außerordentlicher Revision (53%), Fristsetzungsanträgen (7%), Feststellungsanträgen (0%), Entscheidungen über Kompetenzkonflikte zwischen den Verwaltungsgerichten (0%) und sonstigen Anträgen (1%) unterschieden. Zuständig ist der Verwaltungsgerichtshof seit Anfang 2014 auch wieder für Asylrechtssachen, von den knapp 4.000 neu anhängig gewordenen Verfahren im letzten Jahr entfielen demnach etwas mehr als 1.000 auf diesen Bereich.

Ausdrücklich weist der Verwaltungsgerichtshof im Bericht darauf hin, dass die Anfallszahlen des Jahres 2014 aufgrund der zu Jahresbeginn erfolgten Systemumstellung nur bedingt aussagekräftig sind. Das wird auch durch den Anstieg der Beschwerden in den ersten Monaten des Jahres 2015 untermauert. Vor allem im Asylbereich rechnet der VwGH in Zukunft wieder mit deutlich mehr Beschwerden. Zuletzt hatte das Höchstgericht in seinem Tätigkeitsbericht 2013 eine Verdoppelung der jährlichen Fallzahlen auf insgesamt bis zu 10.000 Beschwerden prognostiziert.

Bevölkerung muss sich auf Behördeninformation im Internet verlassen können

Im Bericht werden auch wieder einige ausgewählte Entscheidungen des VwGH angeführt. So stellte das Höchstgericht in einem Erkenntnis fest, dass sich Beschuldigte in einem Verwaltungsstrafverfahren grundsätzlich auf die Richtigkeit von Informationen verlassen dürfen, die von der zuständigen Behörde im Internet bereitgestellt werden. Voraussetzung ist, dass die Informationen klar und für den konkreten Sachverhalt relevant sind und ihre Unvollständigkeit nicht erkennbar ist.

Wer in einer Tiefgarage ein Auto alkoholisiert in Betrieb nimmt, verstößt gegen die Straßenverkehrsordnung, wenn die Tiefgarage allgemein zugänglich und durch Zu- und Ausfahrt mit dem Straßennetz verbunden ist. Deutsch-österreichische Doppelstaatsbürger sind trotz der Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland zur Ableistung des Wehrdienstes in Österreich verpflichtet. Gebrauchtkleider in Altkleidercontainern wurden vom VwGH rechtlich als Abfall im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes qualifiziert. Ausgegliederte Rechtsträger unterliegen der Kommunalsteuerpflicht, wenn es sich bei ihnen um eine Kapitalgesellschaft, z.B. eine Aktiengesellschaft, handelt, unabhängig davon, ob ihnen hoheitliche Aufgaben zukommen.

Verfassungsgerichtshof: Deutlich weniger Asylbeschwerden

Ausdrücklich begrüßt wird das neue System der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch vom Verfassungsgerichtshof. Damit habe man einen wesentlichen Schritt zur Verbesserung der rechtsstaatlichen Strukturen in Österreich gesetzt, heißt es im Tätigkeitsbericht 2014. Eine der Folgen der neuen Struktur ist ein deutlicher Rückgang der Asylbeschwerden beim Verfassungsgerichtshof, allerdings lag die Zahl mit 1.431 neuen Fällen (2013: 2.475) nach wie vor um ein Vielfaches über dem Niveau von 2007, dem letzten Jahr, bevor der Verwaltungsgerichtshof die Zuständigkeit für diesen Bereich verlor.

Neue Aufgaben hat der Verfassungsgerichtshof durch die Einführung der so genannten "Gesetzesbeschwerde" und durch die neuen Verfahrensregeln für parlamentarische Untersuchungsausschüsse übertragen bekommen. Beide Gesetzesmaterien traten mit 1. Jänner 2015 in Kraft. Nunmehr können sich – neben den Gerichten - auch die jeweiligen Verfahrensparteien direkt an den Verfassungsgerichtshof wenden, wenn sie Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der im Gerichtsverfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften hegen. Der Verfassungsgerichtshof wertet dies als eine deutliche Verbesserung des Rechtsschutzes in Österreich, gibt aber zu bedenken, dass es dadurch zu einem beträchtlichen Mehraufwand beim Verfassungsgerichtshof kommen wird, da Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren besonders komplex und aufwändig sind. Auch seine neue Rolle als Streitschlichter bei U-Ausschüssen wird Ressourcen binden.

3.184 abgeschlossene Verfahren 2014

Im Jahr 2014 hat der Verfassungsgerichtshof, bei 2.995 neu anhängig gewordenen Fällen, insgesamt 3.184 Verfahren erledigt. Dazu zählen neben 198 Gesetzesprüfungs- und 104 Verordnungsprüfungsverfahren auch 2.185 Bescheidbeschwerden, eine Staatsvertragsprüfung, vier Wahlanfechtungen und 674 Asylaltfälle, die noch vom Asylgerichtshof entschieden wurden. 910 Rechtssachen waren zum Jahresende noch anhängig, davon zwei Fälle aus dem Jahr 2012 und 51 Fälle aus dem Jahr 2013.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer, vom Eingangsdatum bis zur Abfertigung der Entscheidung, betrug weniger als 7 Monate und blieb damit auf einem ähnlichen Wert wie in den beiden Jahren davor.

In 300 Fällen (10%) gab der Verfassungsgerichtshof laut Bericht dem Antrag des Beschwerdeführers bzw. der Beschwerdeführerin statt. Dem stehen 146 Abweisungen, 199 Zurückweisungen und 1.031 Ablehnungen gegenüber. Dazu kommen 1.508 "sonstige Erledigungen", etwa Verfahrenseinstellungen oder die Abweisung von Verfahrenshilfeanträgen.

VfGH hob 45 von 88 geprüften Gesetzesnormen zumindest teilweise auf



Im Rahmen der Gesetzesprüfung hob der VfGH von 88 geprüften Normen 45 zumindest teilweise auf. Dazu gehören neben der Vorratsdatenspeicherung und dem Adoptionsverbot für eingetragene PartnerInnen u.a. auch einzelne Bestimmungen im AMA-Gesetz, im Sicherheitspolizeigesetz, im Arbeitslosenversicherungsgesetz, im Ärztegesetz und in der Gewerbeordnung. Das Einkommensteuergesetz, das Körperschaftsteuergesetz, das Universitätsgesetz und das Bundesbahngesetz hielten hingegen der Prüfung stand.

So ist nach Meinung des Verfassungsgerichtshofs die Bestimmung, wonach Managergehälter nur bis zu einem jährlichen Höchstbetrag von 500.000 € als Betriebsausgabe abgesetzt werden können, nicht verfassungswidrig. Gleiches gilt für die Bevorzugung von Frauenärztinnen bei der Vergabe von Krankenkassen-Verträgen gegenüber männlichen Kollegen sowie erfolgte Eingriffe in ÖBB-Pensionen. Auch die Gemeindezusammenlegungen in der Steiermark, die Einschränkung des Zugangs von Sexualstraftätern zur Fußfessel und die bevorzugte Behandlung des Kirchenbeitrags bei der steuerlichen Absetzbarkeit wurden für zulässig erklärt. (Schluss) gs