Parlamentskorrespondenz Nr. 372 vom 14.04.2016

Verschärfungen im Asylrecht: Innenausschuss holt Stellungnahmen ein

Einwöchige Begutachtungsfrist für neue Notstandsregelung

Wien (PK) – Flüchtlinge sollen in Österreich künftig kein Recht mehr auf ein Asylverfahren haben, wenn die Regierung aufgrund von Prognosedaten über die Entwicklung der Asylwerberzahlen die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit im Land bedroht sieht. Ausnahmen wird es dann nur noch für Flüchtlinge geben, die enge Angehörige in Österreich haben oder die bei einer Zurückschiebung der Gefahr von Folter oder anderer unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sind. Das sieht ein Gesetzesvorschlag vor, der heute von SPÖ und ÖVP im Innenausschuss des Nationalrats eingebracht wurde. Die Bestimmungen werden, wie zuvor bereits öffentlich angekündigt, einer kurzen Begutachtung unterzogen. Bis zum 21. April haben unter anderem RechtswissenschafterInnen, Interessenvertretungen, NGOs, Länder und Höchstgerichte Zeit, eine Stellungnahme an das Parlament zu schicken.

Mit dem Beschluss der neuen Bestimmungen wäre es de facto möglich, die Zahl der Asylanträge in Österreich zu begrenzen. Eine konkrete Obergrenze nennt das Gesetz zwar nicht, für Grüne und NEOS sind die neuen Regelungen dennoch inakzeptabel. Ihrer Meinung nach wird das Asylrecht dadurch weitgehend ausgehebelt. Auch in der Öffentlichkeit hatte es in den letzten Tagen Proteste gehagelt. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon sind allerdings überzeugt, dass die vorgesehenen Regelungen verfassungskonform und EU-rechtlich zulässig sind und Völkerrecht entsprechen. Österreich habe seine Grenzen der Aufnahmefähigkeit erreicht, betonte Mikl-Leitner, weitere 90.000 Flüchtlinge im heurigen Jahr würden nicht nur die staatlichen Stellen, sondern auch die Bevölkerung überfordern.

Technisch wurden die neuen Bestimmungen in Form eines gesamtändernden Abänderungsantrags mit jenem von der Regierung vorgelegten Gesetzespaket (996 d.B.) zusammengeführt, das unter dem Titel "Asyl auf Zeit" seit Jänner im Parlament verhandelt wird. Damit haben die Koalitionsparteien den Weg für eine rasche parlamentarische Beschlussfassung geebnet. Die Abstimmung über die neue Notstandsregelung im Plenum des Nationalrats soll noch im April erfolgen, zuvor ist für den 25. April eine weitere Sitzung des Innenausschusses anberaumt. Die einlangenden Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren, das mit S-V-F-T-Mehrheit beschlossen wurde, sollen auf der Parlaments-Website veröffentlicht werden.

Mikl-Leitner: Asyl-Obergrenze ist notwendig, um sozialen Frieden zu wahren

Sowohl Mikl-Leitner als auch Amon verteidigten in der Debatte die vorgesehenen Sonderbestimmungen im Asylrecht. Österreich sei völkerrechtlich nicht verpflichtet, alle Asylanträge auf seinem Hoheitsgebiet zuzulassen, und unionsrechtlich befugt, von EU-Sekundärrecht Abstand zu nehmen, wenn es für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung notwendig sei, unterstrich Mikl-Leitner. Sie ist überzeugt davon, dass das Funktionieren der staatlichen Einrichtungen gefährdet wäre, würden heuer mehr als 37.500 Asylanträge zugelassen. Zudem hält sie die Obergrenze für notwendig, um den sozialen Frieden in Österreich zu wahren. Österreich sei in vielen Punkten am Limit, etwa was die Belastung der Asylbehörden, den Arbeitsmarkt, das Gesundheits- und das Sozialsystem und das Bildungssystem betrifft. Als konkretes Beispiel nannte Mikl-Leitner die höchste Arbeitslosenrate seit dem zweiten Weltkrieg.

In eine ähnliche Kerbe schlug ÖVP-Sicherheitssprecher Amon. Die Maßnahmen, die nun gesetzt werden, würden "nicht aus Jux und Tollerei" gesetzt. Sie seien notwendig, da es auf europäischer Ebene bis jetzt nicht gelungen sei, eine gemeinsame Lösung zu finden. Besonders schmerzen Amon die geplanten Grenzkontrollen am Brenner, er hofft in diesem Sinn, dass diese nur temporär notwendig sein werden. Insgesamt liegt seiner Einschätzung nach ein rechtlich einwandfreies Paket zum Erreichen der angestrebten Obergrenze am Tisch.

Team Stronach will Gesetzespaket zustimmen

Als einziger Vertreter der Opposition kündigte Team-Stronach-Abgeordneter Christoph Hagen die Zustimmung seiner Fraktion zum Gesetz an. Mit dem Maßnahmenpaket setze man ein wichtiges Signal, bekräftigte er. Es gebe auch im Völkerrecht kein Recht darauf, sich das Asylland auszusuchen. In Bezug auf seine beiden Anträge warb Hagen für die Ausweisung des Migrationshintergrunds in der Kriminalitätsstatistik und für eine tagesaktuelle Asylstatistik.

Grüne: Asylrecht wird ausgehebelt

Kein gutes Haar am Gesetzentwurf ließen hingegen die Grünen und die NEOS. Grün-Abgeordnete Alev Korun sprach von einem inakzeptablen Anschlag auf die Menschenrechte und wertete die Vorgehensweise der Regierungsparteien als "Schande". Man könne nicht mit einer einfachen Verordnung das Aslyrecht, das gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Europäischen Grundrechtscharta ein Grundrecht sei, aushebeln.

Sowohl Korun als auch ihr Fraktionskollege Albert Steinhauser können darüber hinaus nicht nachvollziehen, dass in Österreich ein Notstand vorliegen soll. Ein Drittel der Gemeinden habe noch keinen einzigen Flüchtling gesehen, von den österreichischen SchülerInnen seien nur 1% Flüchtlingskinder, machte Korun geltend. Sie hält die Argumentation in diesem Sinn für "völlig an den Haaren herbeigezogen". Weitere Kritikpunkte betrafen die erschwerte Integration durch "Asyl" auf Zeit, die Restriktionen beim Familiennachzug und die Diktion der Erläuterungen. Offenbar habe man Anleihen bei der FPÖ genommen, meinte Korun. Subsidiär Schutzberechtigte werden ihr zufolge de facto kaum noch Familienangehörige nachholen können, das gelte auch für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Korun und Steinhauser fürchten darüber hinaus, dass die Verordnungsermächtigung als Vorbild für andere Bereiche herangezogen werden könnte. Derzeit habe nur der Bundespräsident ein Notverordnungsrecht, das für den äußersten Krisenfall gedacht sei, sagte Steinhauser und warf der Regierung vor, mit der vorgesehenen Verordnungsermächtigung eine rote Linie zu überschreiten. Die Regierung bekomme damit einen "Blankoscheck".

NEOS wollen Beschwerde bei der Europäischen Kommission einbringen

Der Kritik der Grünen schloss sich auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak an. Er sieht in der Möglichkeit der Regierung, per Verordnung Gesetze auszuhebeln, "einen umfassenden Anschlag auf den Rechtsstaat". Das, was die Regierung vorhabe, sei rechtlich nicht gedeckt, ist er überzeugt. Das Recht, einen Asylantrag zu stellen, sei in der Genfer Flüchtlingskonvention und durch die Europäische Grundrechtecharta auch im europäischen Primärrecht verankert. Scherak kann darüber hinaus analog zu den Grünen ebenfalls keinen Notstand in Österreich erkennen, das "subjektive Empfinden des Stammtisches" dürfe kein Maßstab sein. Laut Scherak werden die NEOS Beschwerde bei der Europäischen Kommission einbringen, wenn die Bestimmungen tatsächlich in Kraft treten.

Was die weiteren Punkte des Gesetzentwurfs betrifft, sieht Scherak keine Notwendigkeit eines befristeten Asylstatus. Das werde nur zu einem zusätzlichen bürokratischen Aufwand führen, prophezeite er. Schließlich sei die Aberkennung von Asyl bei Wegfall der Fluchtgründe bereits jetzt möglich. Für Scherak ist es außerdem unverständlich, warum der Familiennachzug deutlich erschwert wird. Es handle sich dabei ohnehin um nicht sehr viele Fälle, überdies unterbinde man damit die einzige legale Einreisemöglichkeit für Flüchtlinge.

FPÖ hält Gesetzespaket für unzureichend

Auch die FPÖ wird dem vorliegendem Gesetzespaket nicht zustimmten, wie Abgeordneter Gernot Darmann deutlich machte. Die Regierung schwenke zwar teilweise auf die Forderungen der FPÖ ein, insgesamt handle es sich aber um ein "Flickwerk", das zu wenig weit gehe. Es werde nichts getan, um an bestehenden Missständen in Österreich etwas zu ändern. Nach Meinung von Darmann nach handelt die Regierung außerdem zu spät, die Grenze der Aufnahmefähigkeit Österreichs sei seit langem erreicht.

Darmann fragt sich etwa, warum die vorgesehenen Sonderbestimmungen im Asylrecht nicht dauerhaft gelten. Er drängte überdies auf regelmäßige Überprüfung des Asylstatus und hinterfragte die Gewährung von subsidiärem Schutz. Es sei dringend notwendig, die "Reset-Taste" zu drücken und einen gänzlichen Neustart zu machen. Darmann vermisst auch Initiativen, um illegal in Österreich aufhältige Fremde und kriminelle Straftäter abzuschieben.

Auf den Vorwurf der Realitätsverweigerung in Richtung der Grünen reagierte Peter Pilz (G) mit der Feststellung, die FPÖ vergesse, dass es bei Flüchtlingen um Menschen gehe, die um ihr Leben laufen. Es gehe nicht an, alle als "vergewaltigungsbereite Terroristen" zu denunzieren. Pilz selbst setzt auf eine Erhöhung der Auslandshilfe und die Implementierung von Resettlementprogrammen nach dem Vorbild Kanadas. Von legalen Fluchtwegen würden vor allem Frauen und Kindern profitieren, gab er zu bedenken.

Mikl-Leitner: Divergenzen mit Ländern sind ausgeräumt

Innenministerin Mikl-Leitner hält es nicht für zulässig, das Notverordnungsrecht des Bundespräsidenten mit der vorgesehenen Verordnungsermächtigung für die Regierung zu vergleichen. Im vorliegenden Fall gehe es lediglich um die Anwendung von Sonderbestimmungen, die gesetzlich festgelegt seien. Überdies sei die Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats notwendig. Ausgeräumt sind laut Mikl-Leitner Divergenzen mit den Ländern, es komme mit dem Gesetz zu keinerlei Kompetenzverschiebungen vom Bundesverwaltungsgericht zu den Landesverwaltungsgerichten. In Richtung Pilz merkte Mikl-Leitner an, bevor man legale Wege für Flüchtlinge öffne, müsse man illegale Migration verhindern.

Schon in der aktuellen Aussprache hatte Mikl-Leitner klargestellt, dass in die angestrebte Obergrenze von 37.500 Asylanträgen für das heurige Jahr auch Anträge auf Familiennachzug eingerechnet werden. Um den Familiennachzug sicherzustellen, sorge man mit "Vorhaltekapazitäten" vor.

Zu den geplanten Grenzkontrollen am Brenner merkte die Innenministerin an, Österreich müsse die Grenzen dicht machen können, wenn es zu unkontrollierter Migration komme. Schließlich zeichne sich ab, dass nach Schließung der Balkanroute viele Flüchtlinge auf die zentrale Mittelmeerroute ausweichen werden. Ihr zufolge liegt es in der Hand Italiens, Grenzkontrollen zu verhindern, indem effektive Hotspots eingerichtet werden und die Weiterreise von Flüchtlingen unterbunden wird.

Seitens der SPÖ wurde keine Stellungnahme zum Entwurf abgegeben, Ausschussvorsitzender Otto Pendl wies aber auf die enormen Leistungen Österreichs bei der Aufnahme von Flüchtlingen hin.

Österreich soll als Zielland für Flüchtlinge unattraktiver werden

Ziel der Asylgesetznovelle ist es unter anderem, Österreich als Fluchtziel unattraktiver zu machen. In diesem Sinn sollen anerkannte Flüchtlinge in Zukunft vorläufig nur noch eine befristete Aufenthaltsbewilligung für drei Jahre erhalten. Der Asylstatus wird nach Ablauf dieser Zeitspanne zwar automatisch verlängert, wenn sich die Situation im Herkunftsland nicht wesentlich verändert hat, das Innenministerium geht aber davon aus, dass die vorgesehene jährliche Überprüfung der Gefährdungslage vor Ort in Verbindung mit den gleichzeitig geplanten Restriktionen beim Familiennachzug Wirkung zeigen wird, wie den Erläuterungen zu entnehmen ist.

Dazu ergänzend kommen nun die kurzfristig in die Novelle eingebauten "Sonderbestimmungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit". Diese sollen dann zur Anwendung kommen, wenn die Regierung aufgrund der zahlenmäßigen Entwicklung der Asylanträge die Gefahr einer Krisensituation sieht und – im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats – eine entsprechende Verordnung erlassen hat. Laut Erläuterungen reicht es aus, dass die Politik eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen und öffentlichen Dienste als sehr wahrscheinlich erachtet. Weitere Voraussetzung für das Wirksamwerden der Sonderbestimmungen sind Grenzkontrollen an den österreichischen Grenzen.

Die Sonderbestimmungen erlauben es den zuständigen Behörden vorübergehend, Flüchtlingen die Einreise nach Österreich auch dann zu verweigern bzw. sie in das Einreiseland zurückzuweisen oder zurückzuschieben, wenn sie Asyl beantragt haben. Ausnahmen sieht das Gesetz nur für Flüchtlinge vor, die enge Angehörige in Österreich haben oder denen im Land, in das sie zurückgeschoben werden, Folter oder andere unmenschliche Behandlung droht. Auch wenn das Einreiseland nicht eruierbar ist, wird ein Asylverfahren in Österreich durchgeführt.

Die Prüfung des Sachverhalts soll in den geplanten neuen Registrierstellen an der österreichischen Grenze vorgenommen werden, in die man auch illegal eingereiste Flüchtlinge zu bringen beabsichtigt. Gegen die Entscheidung der Behörden ist eine so genannte "Maßnahmenbeschwerde" bei den Landesverwaltungsgerichten möglich.

Begründet wird die Initiative damit, dass Österreich überfordert ist, wenn sich die Asylwerberzahlen weiter wie bisher entwickeln. Unter anderem wird auf fehlende Unterbringungsmöglichkeiten, finanzielle Belastungen, die Gefahr einer Überlastung des Arbeitsmarkts und sicherheitsrelevante Aspekte verwiesen. Die Antragsteller Jürgen Schabhüttl (S) und Werner Amon (V) halten in diesem Sinn eine Verordnungsermächtigung für Krisensituationen für gerechtfertigt.

Asylverfahren dürfen vorübergehend bis zu 18 Monate dauern

Die hohe Zahl von Asylanträgen in den vergangenen Monaten wird außerdem zum Anlass genommen, die zulässige Bearbeitungsdauer von Asylanträgen vorübergehend zu verlängern. Statt sechs Monate hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) künftig bis zu 15 Monate Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Diese Frist kann in begründeten Einzelfällen zusätzlich um drei Monate verlängert werden. Überdies soll das BFA Dolmetschleistungen via Video nutzen können, wenn kein Dolmetscher vor Ort vorhanden ist.

Darüber hinaus wird mit dem Abänderungsantrag die maximal erlaubte Schubhaftdauer für Fremde, die in einen anderen Schengenstaat zurückgebracht werden sollen, von 5 Tagen auf 14 Tage verlängert. Ebenso ist eine weitere 72stündige Anhaltung kurz vor der Zurückschiebung möglich. Parallel dazu wird auch die Frist für Zurückschiebungen ausgedehnt. Schließlich werden in Umsetzung eines VfGH-Urteils die Bestimmungen über die Rechtsberatung neu gefasst.

Die Beratungen über die Regierungsvorlage und den gesamtändernden Abänderungsantrag wurden schließlich gemeinsam mit einer geplanten Änderung des Grenzkontrollgesetzes und des BFA-Verfahrensgesetzes (1531/A) vertagt. Durch diese Gesetzesnovelle soll klargestellt werden, dass die zuständigen Sicherheitsorgane von allen Fremden, die nach Österreich einreisen wollen, Fingerabdrücke abnehmen dürfen bzw. diese in anderer Form erkennungsdienstlich behandeln können, wenn die Identitätsfeststellung auf anderem Weg nicht möglich ist. Auch die mitverhandelten Oppositionsanträge (1429/A(E), 1528/A(E) , 333/A(E) , 789/A(E) , 1020/A(E), 1583/A(E) und 1522/A(E) sollen am 25. April zusammen mit dem Asylrechtspaket neuerlich auf die Tagesordnung gesetzt werden. (Schluss Innenausschuss) gs