Parlamentskorrespondenz Nr. 493 vom 12.05.2016

Sobotka: Die Gesellschaft vom Wegschauen zum Hinschauen bringen

Der neue Innenminister stellt sich im Bundesrat vor

Wien (PK) - Noch bevor sich die Bundesrätinnen und Bundesräte im heutigen Plenum mit den einzelnen Gesetzesänderungen befassten, stellte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner den neuen Innenminister Wolfgang Sobotka im Rahmen einer Regierungserklärung vor. Sobotka werde die notwendige Kontinuität im Innenressort gewährleisten, aber auch aufgrund seiner Erfahrungen und Kompetenz eigene Schritte setzen, sagte der Vizekanzler.

Der neue Innenminister selbst betonte, die Gewährleistung der Sicherheit stehe für ihn im Vordergrund, da in letzter Zeit die Tendenz steigender Kriminalität zu beobachten sei. Nicht aufgrund von Generalverdächtigungen, sondern aufgrund von Tatsachen, die man beim Namen nenne müsse, gelte es, Maßnahmen - insbesondere auch in der Prävention - zu setzen. Er wolle die Bemühungen seiner Vorgängerin Johanna Mikl-Leitner fortsetzen, die Gesellschaft vom Wegschauen zum Hinschauen zu bringen. Sicherheit stelle für jeden Innenminister einen Balanceakt dar, hielt dazu Mitterlehner fest. Zum einen muss die Sicherheit für die Menschen gewährleistet werden, zum anderen soll jedoch nicht der Eindruck eines Überwachungsstaates entstehen. Mitterlehner zeigte sich zufrieden darüber, dass im Budget 625 Mio. € mehr für den Bereich des Innenministeriums vorgesehen sind. Ebenso habe man eine personelle Verstärkung – rund 2.000 Personen für die Polizei, den Grenzeinsatz und das Bundesamt für Asyl – erreichen können.

Sobotka: Tendenz steigende Kleinkriminalität

Auch wenn der neue Innenminister keine endgültigen aktuellen Zahlen nennen konnte, so machte er doch mit Nachdruck darauf aufmerksam, dass nach einer Reduktion der Straftaten von 643.000 im Jahr 2004 auf 517.000 im Jahr 2014 nun wieder ein Ansteigen der Kleinkriminalität - insbesondere Suchtgiftkriminalität, Schlepperkriminalität und Körperverletzung - festzustellen sei. 60% der Täter seien junge Männer im Alter von 15 bis 30 Jahren, wobei der Anteil der Asylwerber ansteige. Es sei daher notwendig,  mit Hilfe eines Aktionsplans dagegen vorzugehen, wobei Sobotka vor allem auch auf Prävention und Aufklärung setzt. Mit Nachdruck wies er die Vorwürfe der Grünen zurück, er verdächtige bestimmte Gruppen pauschal. Keinesfalls wolle er Öl in Feuer gießen, denn dadurch würde die Gesellschaft auseinanderbrechen, bekräftigte er, und es gehe auch keineswegs darum, einen Generalverdacht auszusprechen. Er halte es aber für falsch, Tatsachen nicht beim Namen zu nennen, und als Innenminister könne er es auch nicht dulden, dass Parallelgesellschaften entstehen. In diesem Sinne habe er auch bereits gute Gespräche mit den Religionsgemeinschaften geführt.

Zudem soll gemeinsam mit den Integrations- und Asylbeauftragten der Länder ein Maßnahmenpaket erarbeitet werden, um einen geordneten Alltag sicherzustellen. Eine Arbeitserlaubnis für AsylwerberInnen hält der Minister jedoch aufgrund der steigenden Arbeitslosenzahlen für nicht durchführbar.

Österreich sei auch sehr erfolgreich bei der Rückführung, hielt Sobotka fest, er drängte jedoch auf eine europäische Initiative, um Rückführungsabkommen mit Marokko und Algerien abzuschließen. Die Aktion "Gemeinsam Sicher", die von seiner Vorgängerin Johanna Mikl-Leitner ins Leben gerufen wurde, will Sobotka fortsetzen. Im Rahmen dieser Aktion befassen sich eigene Gemeinderäte mit Sicherheitsfragen.

In der Debatte über die Erklärung wurde von den Rednerinnen und Rednern die Diskussion zur Asylgesetznovelle teilweise vorweggenommen. Sowohl Mitterlehner als auch Sobotka unterstrichen die Notwendigkeit einer europäischen Lösung. Solange diese aber nicht da ist, bedarf es eigenstaatlicher Maßnahmen. Diese hätten auch in Europa Bewegung erzeugt, sagte Mitterlehner, denn nachdem Österreich nationale Schritte gesetzt und die Balkanstaaten einbezogen hat, sei es gelungen Tempo in der europäischen Politik zu erzeugen. Er räumte gleichzeitig ein, dass der Schutz der europäischen Außengrenzen noch nicht ausreichend implementiert sei, weshalb man sich veranlasst sehe, weitere Schritte im Grenzmanagement, wie etwa am Brenner, zu setzen. Zum Thema Brennergrenze ergänzte Sobotka, er habe bereits sehr gute Gespräche mit Italien sowie mit Vertretern von Tirol und Südtirol geführt.

Lob und Kritik am neuen Minister und an der Bundesregierung

Der neue Minister wurde teils als politischer Vollprofi, der sich auf Landes- und Gemeindeebene viel Erfahrung erworben hat, begrüßt, teils zeigten OppositionsrednerInnen freundliche bis kritische Zurückhaltung. So zollte etwa Edgar Mayr (V/V) dem neuen Minister Anerkennung dafür, dass er sich sofort eingearbeitet hat, keine Schonfrist braucht und aktiv auf die Situation zugeht. Sicherheit brauche vor allem auch regionale Strukturen, sagte Mayr, und daher sei es gerade in Hinblick auf die Migrationswelle wichtig, dass Sobotka diese genau kennt. Die Flüchtlingskrise sei nur durch ein gutes Zusammenarbeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bewältigbar. Ebenso signalisierte Reinhard Todt (S/W) Unterstützung, indem er den Sicherheitsschwerpunkt des neuen Ministers, der sich vor allem im Rahmen des Budgets manifestiert, begrüßte. Dies sei besonders für die ältere Generation wichtig, die sich durch eine größere Polizeipräsenz sicherer fühle.

Kritische Töne kamen von der Opposition. Vor allem Monika Mühlwerth (F/W) und Arnd Meißl (F/St) warnten vor der steigenden Kriminalität, die sie mit dem Zuzug von Asylwerbern in Verbindung brachten. Die Bundesregierung habe viel zu lange abgewartet und nicht reagiert, sondern sich vielmehr der Willkommenskultur von Angela Merkl angeschlossen, kritisierte Mühlwerth. Frauen seien überdurchschnittlich um ihre Sicherheit besorgt, betonte Meißl, der darauf drängte, endlich die Kriminalitäts-hot-spots, wo sich kaum mehr ein normaler Mensch hintraut, zu bereinigen. Meißl forderte im übrigen Neuwahlen, damit man zu einer echten Regierungsumbildung komme.

Auch die Grüne Bundesrätin Ewa Dziedzic (G/W) thematisierte die Gewalt an Frauen, jedoch unter einem anderen Aspekt. Diese gehe nämlich zu einem großen Teil auch von Inländern aus, die mediale Aufmerksamkeit finde aber dann statt, wenn Vergewaltigungen von Asylwerbern begangen wurden. Sie appellierte daher, durch intensive Öffentlichkeitsarbeit Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Frauen und Mädchen von Gewalt bedroht sind. Es bedürfe ein Mehr an Prävention und Sensibilisierung, notwendig sei der Ausbau von Schutzeinrichtungen und Frauenhäusern, aber auch Geld für die Männerberatung. Dziedzic ließ in ihrer Rede aber auch durch Kritik am neuen Innenminister aufhorchen, weil er ihrer Ansicht nach die restriktive Asylpolitik verteidigt und propagiert und damit das Asylrecht untergrabe. Sie warf ihm auch vor, verallgemeinernd und pauschalierend von "dem Islam" oder "den Asylwerbern" zu sprechen und damit einzelne Gruppen unter Generalverdacht zu stellen. Dies stellte Sobotka in Abrede und meinte, Dinge müssten angesprochen werden, sie unter den Tisch zu kehren, wäre der falsche Weg. (Fortsetzung Bundesrat) jan


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