Parlamentskorrespondenz Nr. 581 vom 31.05.2016

Soziale Lage älterer Studierender soll verbessert werden

Wissenschaftsausschuss beschließt Erleichterungen bei der Studienbeihilfe

Wien (PK) – Eine Novelle des Studienförderungsgesetzes, die vor allem die Gruppe der älteren Studierende, also Personen über 27 Jahren, sozial besser absichert, wurde heute vom Wissenschaftsausschuss einstimmig gebilligt. Zusätzlich verlangten die Grünen, auch TeilnehmerInnen von Vorstudienlehrgängen den Zugang zu Studienbeihilfe zu ermöglichen, konnten sich damit aber für diesmal nicht durchsetzen, der Antrag wurde mehrheitlich vertagt.

Mit der aktuellen sozialen Lage der Studierenden befasste sich der Ausschuss auch anhand eines Berichts des Wissenschaftsministeriums, der Ergebnisse der Studierenden-Sozialerhebung des Jahres 2015 enthält. Der Bericht wurde mehrheitlich, ohne die Stimmen der FPÖ, zur Kenntnis genommen.

Vertagt wurden schließlich eine Reihe von Oppositionsanträgen. Die FPÖ will Erleichterungen für Berufstätige bei Erlass des Studienbeitrags und fordert für die Beurteilung wissenschaftliche Arbeiten denselben Rechtsschutz wie für Prüfungsbeurteilungen. Das Team Stronach spricht sich für einheitliche Zugangsregelungen an allen Hochschulen aus. Die NEOS sehen die Notwendigkeit von mehr Transparenz bei den Finanzen der Österreichischen HochschülerInnenschaft und eine bessere Datengrundlage für die Planung der Hochschulstrategie.

Ältere Studierende sollen sozial besser abgesichert werden

Die einstimmig verabschiedeten Änderungen des Studienförderungsgesetzes 1992 sollen insbesondere ältere Studierende – also Personen über 27 – sozial besser absichern (1122 d.B.). Durch Festlegung eines monatlichen Zuschlags zur Studienbeihilfe soll es dieser Gruppe erleichtert werden, einen eigenen Haushalt zu gründen. Mit der Novelle werden unter anderem auch die Voraussetzungen für so genannte "auswärtige Studierende" zum Bezug einer höheren Studienbeihilfe wegen der Entfernung zum Studienort neu geregelt und Kostenzuschüsse zur Kinderbetreuung geschaffen.

Diese Novelle stelle genau auf eine Zielgruppe mit bestimmten Erschwernissen ab, betonte Bundesminister Reinhold Mitterlehner und brachte damit auch die Einschätzung der Regierungsparteien auf den Punkt. Die Opposition mischte in ihre grundsätzliche Zustimmung auch kritische Töne. So meinte etwa Sigrid Maurer von den Grünen, die Gesamtbeträge der Studienförderung seien immer noch zu niedrig, sodass viele Studierende nebenbei arbeiten müssten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. FPÖ-Abgeordneter Andreas Karlsböck wiederum hätte sich auch eine Anpassung bei den Leistungs- und Förderungsstipendien gewünscht.

Die Grünen verlangten darüber hinaus eine zusätzliche Änderung im Studienförderungsgesetz, damit künftig auch TeilnehmerInnen von Vorstudienlehrgängen, die bis zum Ablegen der vorgeschriebenen Ergänzungsprüfungen als außerordentliche Studierende gelten, Studienbeihilfe beantragen können (1631/A). Derzeit könnten diese Personen weder Bedarfsorientierte Mindestsicherung noch Studienbeihilfe beantragen, erläuterte Sigrid Maurer (G) ihr Anliegen. Betroffen seien davon auch Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, die in Österreich studieren wollen. Die rasche Aufnahme eines ordentlichen Studiums trage jedoch zur raschen Integration von Personen mit ausländischen Bildungsabschlüssen am österreichischen Arbeitsmarkt bei, meinte Maurer.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner brachte dem Anliegen ebenso wie die Abgeordneten Katharina Kucharowits (S) und Claudia Gamon (N) viel Sympathie entgegen, während Andreas Karlsböck (F) darin eine Diskriminierung der österreichischen Studierenden sah und das strikte Nein seiner Fraktion deponierte.

Der Antrag wurde schließlich vertagt, da die Regierungsparteien noch prüfen wollen, ob nicht andere Maßnahmen der Unterstützung sinnvoller sind.

Ausschuss diskutiert die soziale Lage der Studierenden

Im Sommersemester 2015 hat das Institut für Höhere Studien (IHS) erneut eine umfangreiche Sozialerhebung unter den österreichischen Studierenden durchgeführt. Mit den Ergebnissen der Studie, die im Bericht des Wissenschaftsministeriums "Materialien zur sozialen Lage der Studierenden 2016" (III-265 d.B.) zusammengefasst sind, beschäftigte sich heute der Wissenschaftsausschuss eingehend. Dabei fielen die Bewertungen der Studie seitens der Fraktionen sehr unterschiedlich aus. Die Abgeordneten richteten auch zahlreiche Detailfragen an den Wissenschaftsminister und an den Experten des IHS.

Regierungsparteien wollen Schwachstellen verbessern und punktuell nachschärfen

Vor allem die Abgeordneten der ÖVP meinten, das bisherige System habe sich bewährt. Nun gelte es, Schwachstellen zu verbessern, meinte Karlheinz Töchterle (V). Sein Fraktionskollege Manfred Hofinger zeigte sich erfreut darüber, dass eine soziale Durchmischung gegeben sei. Eva-Maria Himmelbauer (V) sah die steigende Zahl derer, die erst später im Leben ein Studium aufnehmen, als positives Zeichen für die Durchlässigkeit des Systems.

Seitens der SPÖ wurde ein Nachschärfen etwa bei leistbarem Wohnen für Studierende gesehen. So forderte SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharowits erneut die Wiedereinführung einer Heimförderung, da Studentenheime sehr teuer geworden seien. Auch müsse etwas gegen die immer wieder festzustellende Ausbeutung von Studierenden durch unbezahlte Praktika unternommen werden. Andrea Kuntzl (S) meinte, die soziale Durchmischung stagniere derzeit eher, hier wäre mehr Dynamik wünschenswert. Die Studierenden seien von drei Seiten unter Druck: Sie müssten zunehmend berufstätig sein und seien mit steigenden Lebenshaltungskosten konfrontiert, die Höhe der Beihilfen steige aber nicht.

Kritik der Opposition am System der Studienförderung

Die Opposition sah das System der Studienförderungen grundsätzlich kritisch. NEOS und Grüne meinten, es entspreche der sozialen Realität immer weniger und müsste neu aufgesetzt werden. Claudia Gamon (N) sah in dem Bericht nur die Bestätigung, dass die politischen Maßnahmen nichts Grundlegendes an der sozialen Lage der Studierenden geändert hätten. Sigrid Maurer (G) meinte, die Studienförderung betrachte Studierende noch immer in starker Abhängigkeit von ihren Eltern, mit zunehmender Erwerbstätigkeit und der steigenden Zahl älterer Studierender müsste das System neu gedacht werden. Vereinbarkeit von Studium und Beruf und Familie würden zusehends ein Thema, das politische Maßnahmen erfordere. Harald Walser (G) verwies auf Probleme des Hochschulzugangs für MaturantInnen im Westen Österreichs, Wolfgang Zinggl (G) darauf, dass gerade an den Kunsthochschulen die soziale Durchmischung zurückgehe.

Seitens der FPÖ befand Jessi Lintl, dass der Ansatz falsch gewählt sei, Leistungs- und Förderstipendien müssten stärker ausgebaut werden. Da die Politik nicht die richtigen Konsequenzen aus dem Datenmaterial ziehe, werde die FPÖ dem Bericht nicht zustimmen.

Mitterlehner: Das System hat sich bewährt

Die Studierenden-Sozialerhebung 2015 beschreibt die zunehmende Heterogenität der StudentInnen und eine starke soziale Durchmischung. Damit bestätige sich, dass die Zugangsregelungen hier keine negativen Auswirkungen gezeigt habe. Erkennbar sei auch, dass die Lebens- und Rahmenbedingungen der Studierenden zunehmend durch studienbegleitende Erwerbstätigkeit bestimmt ist. Weitere Themen sind die Finanzierung einer eigenen Wohnung oder Elternschaft. Das alles habe Auswirkungen auf den Studienfortschritt. Mitterlehner sieht die Hochschulen gefordert, ihr Studienangebot fachlich permanent weiterzuentwickeln. Wichtig sei es auch, dessen Vereinbarkeit mit Beruf und Familien zu verbessern.

Der Minister wertete die Ergebnisse als Grundlage für weitere systematische hochschulpolitische Maßnahmen zugunsten der Studierenden. Sie bestätige, dass das österreichische System der Studienförderung sich grundsätzlich bewährt habe, hielt er den Abgeordneten der Opposition entgegen. Nun gehe darum, systematische Verbesserungen vorzunehmen. Die Novelle des Studienförderungsgesetzes sei genau eine solche Maßnahme, mit der man auf die Veränderungen in der Lebensrealität der Studierenden reagiere. Die Ergebnisse sollen auch in die "Nationale Strategie zur sozialen Dimension in der Hochschulbildung – für einen integrativeren Zugang und eine breitere Teilhabe", die bis Ende 2016 unter Einbindung aller Akteure und verantwortlichen Institutionen erarbeitet werden soll, einfließen.

Auch der Bund müsse seine Unterstützungsmaßnahmen kontinuierlich analysieren und diese dabei im Kontext der finanziellen Möglichkeiten adaptieren, betonte Mitterlehner. Direkte und indirekte Förderungen der Studierenden sollen den notwendigen sozialen Ausgleich befördern, hervorragende Leistungen honorieren und erschwerende Begleitumstände im Studium abmildern.

Unger: Bezug von Selbsterhalterstipendien gewinnt an Bedeutung

IHS-Experte Martin Unger hob noch weitere Aspekte der Studie hervor. Österreich habe einen im europäischen Vergleich sehr hohen Anteil von Studierenden aus bildungsfernen Schichten. Es zeige sich aber auch eine Stadt-Land-Gefälle und eine recht geringe innerösterreichische Mobilität der Studierenden. Eine immer stärkere Gruppe bildeten diejenigen, die erst einige Jahre nach der Matura ihr Studium aufnehmen, damit steige der Anteil der BezieherInnen von Selbsterhalterstipendien gegenüber denen, die klassische Studienbeihilfe beziehen. Diese Gruppe habe auch andere Bedürfnisse, für ältere Studierende stehe zunehmend der finanzielle Aspekt im Vordergrund, wenn sie eine Arbeit annehmen, während für jüngere Studierende auch der Erwerb von Erfahrungen zählt.

Bei der Abstimmung wurde der Bericht mit Mehrheit, ohne die Stimmen der FPÖ, zur Kenntnis genommen.

FPÖ: Erleichterungen für Berufstätige bei Erlass des Studienbeitrags

FPÖ-Abgeordnete Jessi Lintl sieht eine Benachteiligung berufstätiger StudentInnen bei der Erbringung des Nachweises, ob die Voraussetzungen für den Erlass des Studienbeitrags gegeben sind. Bisher werde dafür von manchen Universitäten nur der Einkommenssteuerbescheid akzeptiert. Lintl will, dass  auch andere Nachweise, etwa ein Gehaltszettel für drei Monate, zugelassen werden (1576/A(E)). Diese Forderung wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt, wobei SPÖ-Abgeordneter Philip Kucher auf das noch ausständige Ergebnis eines höchstgerichtlichen Prüfverfahrens verwies.

FPÖ fordert Rechtsschutz für Beurteilung wissenschaftlicher Arbeiten

Die FPÖ will einen Rechtsschutz für die Beurteilung wissenschaftlicher Arbeiten im Universitätsgesetz verankern.  Andreas Karlsböck wies darauf hin, dass zwar die Möglichkeit bestehe, die Aufhebung einer negativ beurteilten Prüfung zu beantragen, wenn die Durchführung der Prüfung schwere Mängel aufweist. Seine Forderung, diesen Rechtsschutz auch auf die Beurteilung wissenschaftlicher Arbeiten auszudehnen (1605/A(E)), wurde vertagt, zumal die Regierungsparteien noch weiteren Klärungsbedarf orteten.  

Team Stronach für einheitliche Zugangsregelungen zu Hochschulen

Einheitliche Zugangsverfahren für alle tertiären Bildungseinrichtungen in Österreich fordert Ulrike Weigerstorfer, Abgeordnete des Team Stronach (1718/A(E)). Statt der bisher bestehenden, sehr unsystematischen formalen Hürden müsste es flächendeckend einheitliche Zugangsregelungen geben. Diese sollten zugleich auch Personen ohne formale Zugangsberechtigung, die sich ihr Wissen im Laufe ihres Berufslebens angeeignet haben, den Zugang zu einem Studium erlauben, sagte Weigerstorfer. Ihr Anliegen stieß überwiegend auf Skepsis, wobei Harald Walser (G) ebenso wie Bundesminister Reinhold Mitterlehner einwandten, unterschiedliche Studienrichtungen könne man kaum mit einheitlichen Zugangsregelungen abdecken. Auch dieser Antrag wurde schließlich in Hinblick auf weiteren Prüfungsbedarf vertagt.

Transparenz über die Finanzen der Österreichischen HochschülerInnenschaft

Bedarf an mehr Transparenz sieht Claudia Gamon (N) bei den Finanzen der Vertretung der Österreichischen HochschülerInnen (ÖH). Ihre Forderung, im Hochschülerschaftsgesetz den Studierenden ein Einsichtsrecht in alle Finanzen der ÖH sowie in Rücklagen, Beteiligungen oder Stiftungen einzuräumen (1715/A(E)), wurde in Hinblick auf eine bevorstehende Gesetzesnovelle in die Warteschleife verwiesen.

NEOS: Bessere Datengrundlage für Hochschulstrategie

Claudia Gamon spricht sich weiters für eine Neugestaltung der Bildungsdokumentationsverordnung aus (1700/A(E)). Es sei dafür zu sorgen, dass die von den Hochschulen erhobenen Daten möglichst vollständig beim Ressort ankommen, um diesem eine gesicherte Grundlage für zukünftige strategische Planungen zu geben. Die Regierungsparteien begründeten die Vertagung dieses Antrages mit der geplanten Novelle des Universitätsorganisationsgesetzes, die sich auch diesem Thema widmen wird.  (Schluss) hof/sox

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