Parlamentskorrespondenz Nr. 605 vom 02.06.2016

Rupprechter will New Deal für BäuerInnen und eine neue Milchstrategie

Agrarmarktkrise und Klimaschutz beschäftigen den Bundesrat

Wien (PK) – Gemeinsam mit Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter diskutierten die Ländervertreter im Bundesrat aktuelle Fragen der europäischen Agrar- und Umweltpolitik, wobei alle RednerInnen die Sorgen der MilchbäuerInnen wegen des dramatischen Verfalls der Erzeugerpreise auf unter 30 Cent teilten. Bundesminister Rupprechter erklärte die Marktkrise erstens mit sanktionsbedingten Ausfällen beim Käseexport nach Russland, wobei er Probleme bei der raschen Erschließung neuer Märkte einräumte. Dazu komme zweitens das Auslaufen der Milchquote und die Steigerung der Produktion, etwa in Norddeutschland, Dänemark und in den Niederlanden. Im Juli plane die EU, ein zweites Hilfspaket zu beschließen, berichtete der Minister, der auch für die kurzfristige Entlastung der Betriebe plädierte und den Vorschlag des Abgeordneten Jakob Auer unterstützte, den BäuerInnen durch eine befristete Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen unter die Arme zu greifen. "Die Landwirtschaft braucht einen New Deal und eine Gesamtstrategie für den Milchsektor", formulierte Rupprechter und setzte auf den für 14.6.2016 geplanten Milchgipfel im Parlament.

Grundlage der Debatte bildete der Vorhabensbericht der Europäischen Union zur europäischen Agrarpolitik im Jahr 2016 (III-579-BR/2016 d.B.), der sich schwerpunktmäßig der Marktentwicklung und dem internationalen Handel, aber auch der Kreislaufwirtschaft, dem Bürokratieabbau und einer besseren Abstimmung mit assoziierten Märkten widmet. In der Umweltpolitik steht das Prinzip der Nachhaltigkeit im Vordergrund, sei es bei der Umsetzung des Weltklimavertrags von Paris, der UN-Nachhaltigkeitsstrategie oder bei Gesetzesvorhaben für Biolandbau und Biodiversität, in der Chemiepolitik oder in der Fischerei.

  

Samt: Landwirtschaft aus TTIP herauslösen  

Mit Überschriften, wie sie der EU-Bericht liefere, werde man die Probleme der MilchbäuerInnen und die Schockstarre in der europäischen und heimischen Agrarpolitik nicht lösen, sagte Peter Samt (F/St). Als wichtigste Maßnahme für die MilchbäuerInnen forderte Samt die Wiedereinführung der Milchquote. Statt Beiträge der Nettozahler für Marktstützungen auszugeben, sollte die EU die unnötigen Sanktionen gegen Russland, so Samt, aussetzen. Opfer dieser Politik seien nicht nur die Milchbetriebe, sondern die Wirtschaft insgesamt sowie der Tourismus. Beim Thema CETA/TTIP registrierte Samt starkes Interesse der Industrie am Freihandel – die Interessen der BäuerInnen dürfen dabei aber nicht übersehen werden. "Die Landwirtschaft soll aus TTIP herausgelöst werde", schlug Samt vor.

"Bauer sucht Zukunft", überschrieb Gerhard Dörfler (F/K) seinen Beitrag zu einer agrarpolitischen Betandsaufnahme mit den Stichwörtern Milchsee, Preisverfall, Marktkrise, Bioproduktion unter Druck und Bauernsterben. Dem Trend zur "Hochleistungstankstelle Kuh", die mit Harnstoffen gefüttert wird und immer mehr Milch mit immer weniger Qualität liefere, erteilte Dörfler eine Absage und mahnte Respekt vor Tieren und KonsumentInnen ein. Während immer mehr BäuerInnen aufhören, wachse die Agrarmarkt Austria immer rascher, kritisierte Dörfler weiter und verlangte Bauern zu fördern statt die Agrarbürokratie. Probleme mit Russland will Dörfler durch politische Verhandlungen statt mit Sanktionen lösen. Bei den Problemen der BäuerInnen sagte der Bundesrat dem Minister Unterstützung durch seine Fraktion zu.

Lindner: Milch ist schon billiger als Mineralwasser

"Milch ist billiger als manches Mineralwasser", klagte Michael Lindner (S/O) und vermisste rückblickend Programme, mit denen sich die MilchbäuerInnen auf das Auslaufen der Milchquote hätten vorbereiten können. Der Kritik Dörflers an der Entwicklung zu "Turbokühen" schloss sich Lindner an, begrüßte die Einberufung eines "Milchgipfels" im Parlament und forderte die Verlängerung der EU-Lagerprogramme für Butter. Linder problematisierte die Verteilung der Mittel im EU-Agrarförderungssystem, insbesondere die schlecht steuerbaren Flächenförderungen, die große Betriebe bevorzugen. Lindner präferiert eine Schwerpunktverlagerung zur zweiten Säule, zur Förderung des ländlichen Raumes. Den historischen Klimaschutzvertrag von Paris begrüßte der Redner und insbesondere die Parlamentarische Enquete über dessen Umsetzung in Österreich, wobei er die Schwerpunkte Gebäudesanierung, Verkehr, Landwirtschaft und erneuerbarer Energieträger betonte – an dieser Stelle wies Lindner auf lokale Solarenergie-Initiativen in seiner Mühlviertler Heimat als Vorbilder hin.

Schreyer: Qualität statt Quantität in der Milchproduktion

Lob für die Autoren des Berichts spendete Nicole Schreyer (G/T), merkte aber zugleich kritisch an, ihr fehlten die österreichischen Positionen zu den dargestellten EU-Vorhaben. Schreyer forderte die Erfüllung dieses Verpflichtung durch den Minister beim nächsten Bericht. Die Rednerin der Grünen konzentrierte sich auf die Umsetzung des Weltklimavertrags von Paris, wobei sie Bemühungen Österreichs um niedrigere nationale Ziele bei der Emissionsreduktion von Luftschadstoffen kritisierte. Forcieren statt abschwächen will Schreyer auch die Umsetzung der Naturschutzrichtlinie – auch hier sei das Engagement Rupprechters gefordert, sagt sie. Bei der Lösung der Milchkrise setzt Schreyer auf Qualitätsproduktion, höhere Standards und Ausbau der Bioproduktion.

Tiefnig: BäuerInnen brauchen eine Strategie der Regionalität

Lob für den umfassenden und tiefgehenden Bericht zollte Ferdinand Tiefnig (V/O), der beim Thema "russischer Agrarmarkt" darauf hinwies, dass dort wegen der zuletzt stark gestiegenen Eigenversorgung in Zukunft nur mehr Spezialprodukte gefragt sein werden. "Der Druck auf den internationalen Agrarmärkten wächst", registrierte Tiefnig, der eine Strategie der Regionalität als wichtig für die Zukunft der heimischen Landwirtschaft bezeichnete. Angesichts der aktuellen  Starkregenkatastrophe in seiner oberösterreichischen Heimat brach Tiefnig auch eine Lanze für den Klimaschutz. (Fortsetzung Bundesrat) fru


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