Parlamentskorrespondenz Nr. 656 vom 10.06.2016

Parlament: TOP im Nationalrat am 15. Juni 2016

Reform des Kinderbetreuungsgeldes, Studienförderung für über 27-Jährige, raschere Anerkennung von Bildungsabschlüssen von Asylberechtigten

Wien (PK) – Am ersten Tag des Juni-Plenums hat sich der Nationalrat das Reformpaket des Kinderbetreuungsgeldes vorgenommen. Beschäftigen wird er sich außerdem u.a. mit Zuschüssen bei der Studienhilfe für StudentInnen über 27, einer geplanten rascheren Anerkennung von Berufsqualifikationen von Asylberechtigten, einem Abkommen mit der UNO in Sachen Bildungsbeitrag sowie mit zwei Berichten über die Situation im heimischen Tourismus und bei der Jugendbeschäftigung. Den Anfang wird eine Aktuellen Stunde zum Thema Sicherheits- Asylpolitik machen.

Aktuelle Stunde wieder zu Sicherheits- und Asylfragen

Das Plenum startet mit einer Aktuellen Stunde. Die FPÖ hat dafür das Thema "Sicherheit statt Asyl-Zahlentricksereien, Herr Bundeskanzler!" ausgewählt.

Studienförderungsgesetz

Die Tagesordnung beginnt mit guten Nachrichten für StudentInnen über 27. Ältere Studierende – also Personen über 27 Jahre – sollen in Zukunft besser abgesichert werden, da diese Gruppe mit speziellen Erschwernissen konfrontiert ist. Die Novelle zum Studienförderungsgesetz bietet dafür die nötige legistische Grundlage. Durch Festlegung eines monatlichen Zuschlags zur Studienbeihilfe soll es den betreffenden Studierenden erleichtert werden, einen eigenen Haushalt zu gründen. Mit der Novelle werden unter anderem auch die Voraussetzungen für so genannte "auswärtige Studierende" zum Bezug einer höheren Studienbeihilfe wegen der Entfernung zum Studienort neu geregelt und Kostenzuschüsse zur Kinderbetreuung geschaffen. Im Wissenschaftsausschuss haben sich alle Parteien dafür ausgesprochen.

Österreich-Tourismus 2015

Beschäftigen wird sich der Nationalrat dann mit dem heimischen Tourismus. Anlass dafür gibt ein Bericht zur Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich im Jahr 2015, der grundsätzlich positive Nachrichten parat hält: 2015 erreichten Österreichs Hoteliers und Gastronomen bei sonst lauer Konjunktur mit 135,2 Millionen Nächtigungen und einem Umsatz von 38,4 Mrd. € bei ausländischen TouristInnen neue Rekorde. Auch der österreichische Anteil am europäischen Tourismusmarkt und die Zahl der Beschäftigten im Tourismus stieg, und zwar um 2,6% auf 202.943 Menschen, 58% sind davon Frauen. 7% des heimischen BIP gehen derzeit auf touristische Nachfrageeffekte zurück. Die Opposition sieht die Situation in der Tourismusbranche nicht so rosig, etwa wenn es um die steigende Arbeitslosigkeit, unterdurchschnittliche Ertragslagen in den Betrieben und sanktionsbedingte Probleme auf dem russischen Markt geht.

Situation der Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung in Österreich

Die Jugendbeschäftigung ist den Abgeordneten ebenfalls ein besonderes Anliegen. Deshalb wurde auch der Bericht zur Situation der Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung 2014-2015 in Österreich im Ausschuss nicht "enderledigt", sondern soll im Plenum umfassend diskutiert werden.

Laut Bericht kann Österreich im EU-Vergleich weiterhin gute Zahlen im Bereich der Jugendbeschäftigung vorweisen. Nach Deutschland verzeichnet der heimische Arbeitsmarkt die zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit. Das Ministerium führt die gute Integration der Jugendlichen in den heimischen Arbeitsmarkt vor allem auf das hoch entwickelte System der beruflichen Erstausbildung – Stichwort duale Ausbildung – zurück. Dennoch gibt es einen Wermutstropfen: Die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich steigt seit 2011 kontinuierlich leicht an, während sie EU-weit seit 2013 sinkt. Handlungsbedarf ortet das Wirtschaftsministerium insbesondere bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund, wobei deren Mehrsprachigkeit angesichts von Internationalisierung und Exportorientierung als wichtige Humanressource bewertet wird. Auch die mangelnde Attraktivität von Lehrberufen und der daraus resultierende Fachkräftemangel stellt die Politik vor Herausforderungen.

Vermessungsgesetz

Verfahren, die die Grenzziehung von Liegenschaften betreffen, sollen künftig rascher, bürgernäher und mit größerer Rechtssicherheit abgewickelt werden können. Das sieht die Novelle zum Vermessungsgesetz vor, die die Festlegung von Grundstücken im Grenzkataster vereinfacht und ebenfalls auf der Tagesordnung steht. Im Agrarverfahren wird die Übernahme von Grundstücken in den Kataster auch für Teile einer Gemeinde ermöglicht. Zugelassen wird auch die Abschreibung von Trennstücken aus dem Grenzkataster, die Frist für Grenzwiederherstellungen wird von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt.

Reform des Kinderbetreuungsgeldes

Nach langen Verhandlungen innerhalb der Regierung könnte es nun bald zur Reform des Kinderbetreuungsgeldes kommen. Der Familienausschuss hat jedenfalls am 31. Mai die Vorlage mehrheitlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Team Stronach plenumsreif gemacht. Kernpunkt der Reform ist die Einführung eines flexiblen Kinderbetreuungsgeld-Kontos, außerdem ist ein Partnerschaftsbonus bei annähernd gleicher Aufteilung der Kinderbetreuung sowie eine Ausweitung des so genannten "Papa-Monats" auf die Privatwirtschaft vorgesehen. Die Neuerungen sollen für alle Geburten ab dem 1. März 2017 gelten.

Das neue Kinderbetreuungsgeld-Konto ersetzt die bestehenden vier Pauschalvarianten des Kinderbetreuungsgeldes. Die Eltern können die Bezugsdauer künftig innerhalb einer bestimmten Zeitspanne flexibel wählen, wobei ein Elternteil maximal 28 Monate – statt derzeit 30 Monate – und beide Elternteile zusammen maximal 35 Monate (derzeit 36) Kindergeld erhalten. Je nach Länge der Inanspruchnahme stehen zwischen 12.337 € (bei einem Bezugszeitraum zwischen 12 und 28 Monaten) und 15.449 € (für beide Elternteile zusammen) zur Verfügung. Das entspricht einer monatlichen Leistung zwischen rund 440 € und 1.030 €. Zusätzlich erhalten Mütter und Väter einen einmaligen Partnerschaftsbonus von je 500 €, wenn die Kinderbetreuung in einem annähernd gleichen Verhältnis (zumindest 60:40) aufgeteilt wird. Der Bezugszeitraum kann, bei rechtzeitiger Bekanntgabe, einmal gewechselt werden, überdies haben die Eltern künftig die Möglichkeit, bis zu 31 Tage parallel Kindergeld zu beziehen.

Väter werden sich unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb der ersten 91 Tage nach der Geburt eines Kindes 28 bis 31 Tage berufliche Auszeit für die Familie nehmen können (so genannter "Papa-Monat"). Allerdings ist dafür ein Einvernehmen mit dem Arbeitgeber erforderlich, auch ein Kündigungsschutz besteht nicht. Während dieser "Familienzeit" ist nicht nur eine finanzielle Unterstützung von 700 € vorgesehen, die vom Kindergeldkonto abgezogen wird, auch die Kranken- und die Pensionsversicherung laufen weiter.

Kleine Verbesserungen gibt es auch für Alleinerziehende. Sie erhalten künftig in besonderen Härtefällen, etwa beim Tod des Partners, bis zu drei – statt derzeit zwei – Monate länger Kindergeld und können mehr als bisher dazuverdienen. Wer die vorgeschriebenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen nicht durchführt, muss hingegen mit deutlichen finanziellen Abstrichen rechnen: für jeden Elternteil werden 1.300 € vom Kinderbetreuungsgeld abgezogen. Auch beim Wochengeld kann es durch die neuen Bestimmungen zu Einbußen kommen. Klargestellt wird, dass subsidiär Schutzberechtigte in jedem Fall nur dann Kinderbetreuungsgeld erhalten, wenn sich die Familie ohne staatliche Leistungen selbst voll versorgen kann.

Als Alternative zum neuen Kindergeld-Konto steht weiter die Möglichkeit zur Verfügung, bis zu 12 Monate (ein Elternteil) bzw. 14 Monate (beide Elternteile zusammen) einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld im Ausmaß von 80% des Letzteinkommens zu beziehen, bei einer Obergrenze von ca. 2.000 € monatlich. Auch bei dieser Variante winkt im Falle einer annähernd gleichmäßigen Aufteilung der Kinderbetreuung der neue Partnerschaftsbonus. Um nebenher eine geringfügige Beschäftigung zu ermöglichen, wird die Zuverdienstgrenze von jährlich 6.400 € auf 6.800 € (ca. 567 € pro Monat) angehoben.

Vorschläge der Opposition zum Kinderbetreuungsgeld

Die Opposition übte im Familienausschuss Kritik an der Reform. So fordert die FPÖ eine gänzliche Abschaffung der Zuverdienstgrenze. Ein solcher Schritt würde nach Ansicht der FPÖ-Abgeordneten mehr Väter dazu motivieren, sich an der Kinderbetreuung zu beteiligen. Der diesbezügliche Antrag wird aller Voraussicht nach aber nicht die erforderliche Nationalratsmehrheit finden. Außerdem stößt sich die FPÖ daran, dass das Kinderbetreuungsgeld weiter nicht valorisiert wird.

Die Grünen begrüßen zwar die vorgesehene Flexibilisierung beim Kinderbetreuungsgeld, auch wenn diese insgesamt noch viel zu kompliziert sei. Grundsätzlich hat man aber in den Augen der Grünen die Chance vertan, das Kindergeld stärker in Richtung Väterbeteiligung auszurichten. Wenig Aussicht auf Erfolg hat auch die Initiative der NEOS, eine zweite Form des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes mit einer bis zu 24-monatigen Bezugsdauer und einer Ersatzrate von 48% des Gehalts einzuführen.

Konzept über die Chancen im World Wide Web für Digital Natives

Bisher wurden Chancen und Nutzen von digitalen Medien für Kinder und Jugendliche noch zu wenig in der Arbeit des Familienministeriums berücksichtigt, finden die JugendsprecherInnen des Parlaments und wollen die Regierung mit der Erstellung eines Konzepts beauftragen, um die Möglichkeiten der digitalen Medien für Digital Natives noch nutzbarer zu machen. Die gemeinsame Willenserklärung des Parlaments ist letzter Programmpunkt des Mittwoch-Plenums.

Anerkennungs- und Bewertungsgesetz

Auf breite Unterstützung kann die Regierung beim Anerkennungs- und Bewertungsgesetz zählen – im außenpolitischen Ausschuss stimmten dafür SPÖ, ÖVP, Grüne und NEOS. Durch Beschleunigungen bei der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen sowie mehr Service und Information soll MigrantInnen eine bessere und schnellere Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Der Gesetzentwurf enthält in erster Linie verfahrensrechtliche Bestimmungen zur Bewertung ausländischer Bildungsabschlüsse und Berufsqualifikationen und sieht dabei für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, die aufgrund ihrer Notsituation nicht die notwendigen Dokumente für ein Anerkennungsverfahren vorlegen können, besondere Regelungen zur Feststellung ihrer Qualifikation vor. Zudem erhalten die Betroffenen einen Rechtsanspruch auf Bearbeitung ihres Antrags auf Anerkennung. FPÖ und Team Stronach befürchten, dass man es jetzt für Asylberechtigte "billiger geben" wolle.

Abkommen Österreichs mit der UNO

Ziel dieses Abkommens, das Österreich mit der UNO und einigen weiteren internationalen Organisationen schließt, ist es vor allem, die Attraktivität von Wien als Amtssitz zu erhalten. Konkret geht es dabei um die Sicherstellung von Schulplätzen für die Kinder der Bediensteten der in der Bundeshauptstadt ansässigen internationalen Einrichtungen. Zu diesem Zweck leistet Österreich nun einen Bildungsbeitrag an die Organisationen und stellt überdies eine Liegenschaft für eine Schule zur Verfügung. Gegen die Genehmigung stimmten im Ausschuss FPÖ und Grüne, die vor allem Einwände gegen die Privilegierung der Vienna International School durch das Abkommen vorbrachten.

Abkommen zwischen der EU und der Mongolei

Das Rahmenabkommen zwischen der EU und der Mongolei steht im Zeichen der Partnerschaft und der Zusammenarbeit, enthält aber auch rechtliche Verpflichtungen für die Mongolei in den Bereichen Menschenrechte und Bekämpfung des Terrorismus. Im Ausschuss gab es dazu einhellige Unterstützung.

Bedenken gegen kosovarische Urkunden

Bedenken gegen die Echtheit und Richtigkeit von Urkunden aus dem Kosovo wiederum sind der Grund für einen von allen Fraktionen befürworteten Einspruch Österreichs gegen den Beitritt des Kosovo zum Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung.

Unterstützung der UNO

Einhellige Unterstützung ist für die Initiative von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS zu erwarten, die UNO auch weiterhin zu unterstützen. Die Grundprinzipien der UNO – Einsatz für Frieden und Sicherheit, Achtung der Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung und internationale Zusammenarbeit – sollen demnach auch zentrales Element der österreichischen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik sein. Die Abgeordneten verbinden dies zudem mit einem ausdrücklichen Bekenntnis zur Aufrechterhaltung des Einsatzes der österreichischen Blauhelme im Dienst der Friedenssicherung.

Kampf gegen die Todesstrafe

Der Nationalrat setzt einmal mehr ein Zeichen gegen die Todesstrafe. Dem Plenum liegt eine Entschließung des Außenpolitischen Ausschusses vor, die den Einsatz für die Abschaffung der Todesstrafe als oberste Priorität der österreichischen Außenpolitik bekräftigt. Grundlage dafür bot eine Initiative der NEOS, die das Bekenntnis Österreichs gegen die Todesstrafe durch konkrete Signale bekräftigen wollen. So sollte Österreich bei Wahlen in die Gremien der UNO oder anderer internationaler Organisationen seine Stimme keinesfalls Staaten geben, die die Todesstrafe noch nicht abgeschafft haben.

Umsetzung der Minsker Abkommen

Österreich übernimmt 2017 den Vorsitz in der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Vor diesem Hintergrund wollen die Grünen gemeinsam mit den Regierungsparteien dem Außenminister den Rücken bei seinen Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine stärken. Sie fordern daher Kurz auf, sich als OSZE-Vorsitzender für die Umsetzung der Minsker Abkommen durch alle Konfliktparteien einzusetzen. Der Minister soll zudem innerhalb der EU für die Weiterentwicklung der Idee einer gemeinsamen Freihandelszone mit Russland eintreten und auf die Einhaltung bestehender vertraglicher Verpflichtungen zwischen der EU und Russland drängen.

(Schluss) keg/jan