Parlamentskorrespondenz Nr. 823 vom 07.07.2016

Öffentlicher Dienst: Nationalrat billigt zahlreiche Detailänderungen

Akute psychische Belastungsreaktionen werden mit Dienstunfällen gleichgesetzt

Wien (PK) – Es ist nichts Außergewöhnliches, dass Personen auf schreckliche Erlebnisse mit einem Trauma reagieren. Wer zum Beispiel verweste Leichen nach einem Verkehrsunfall bergen muss oder in eine Schießerei mit Toten gerät, braucht oft einige Zeit, um diese Dinge zu verarbeiten. Ein vorübergehender Krankenstand war für öffentlich Bedienstete bisher allerdings häufig mit Gehaltseinbußen verbunden, etwa weil pauschalierte Zulagen weggefallen sind. Das soll sich nun ändern. Der Nationalrat hat heute einer zwischen der Regierung und der Beamtengewerkschaft vereinbarten umfangreichen Dienstrechts-Novelle mit breiter Mehrheit seine Zustimmung erteilt. Das Gesetzespaket enthält auch Dutzende weitere Adaptierungen in anderen Bereichen des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechts. Gegen die Sammelnovelle stimmten lediglich die NEOS, sie sehen einzelne Punkte kritisch.

Konkret wird mit der Dienstrechts-Novelle 2016 eine "akute psychische Belastungsreaktion" aufgrund eines außergewöhnlichen dienstlichen Ereignisses mit einem Dienstunfall gleichgestellt. Außerdem sieht das Gesetzespaket eine besoldungsrechtliche Aufwertung von Unteroffizieren und SoldatInnen in Chargenverwendungen vor. Auch auf LehrerInnen kommen einige Neuerungen, etwa was das Nachholen der Lehramtsausbildung betrifft, zu. Schwer erkrankte RichterInnen erhalten künftig die Möglichkeit, Teilzeit zu arbeiten, um ihnen den beruflichen Wiedereinstieg zu erleichtern. Zudem wird die Durchlässigkeit zwischen ordentlichen Gerichten und Verwaltungsgerichten erhöht. Für Personen mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit ist neu, dass sie nicht mehr automatisch von jeglicher Verwendung im Bundesdienst ausgeschlossen sind.

Keine Mehrheit erhielt ein Antrag der FPÖ, der auf Änderungen im Disziplinarrecht abzielte, um doppelte Sanktionen für BeamtInnen im Falle einer gerichtlichen Diversion zu unterbinden. Auch die Forderung der NEOS, öffentlich Bediensteten die bezahlte Mittagspause zu streichen, fand keine ausreichende Unterstützung.

NEOS: Gesetzespaket ist kein großer Wurf

In der Debatte meinte NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker, der Regierung sei mit dem vorliegenden Gesetzespaket kein großer Wurf gelungen, auch wenn er darin einige positive Punkte sieht. So begrüßte er etwa die Einführung eines Teilkrankenstandes für RichterInnen. Hoch an der Zeit ist es seiner Ansicht nach außerdem, dass man Menschen mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit künftig nicht mehr komplett von der Aufnahme in den öffentlichen Dienst ausschließt. Negativ beurteilte Loacker hingegen, dass die Regierung offenbar nicht wisse, wie teuer ihr die Gesetzesnovelle kommen werde. Zudem sieht er die Frage der Anrechnung von Vordienstzeiten nach wie vor nicht als EU-konform geregelt an.  

Kein Verständnis haben Loacker und seine Fraktionskollegen Nikolaus Alm und Nikolaus Scherak darüber hinaus dafür, dass öffentlich Bedienstete, anders als in der Privatwirtschaft, ein Recht auf eine halbstündige bezahlte Mittagspause haben. Loacker ist überzeugt, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht versteht, dass BeamtInnen für acht Stunden Arbeit pro Tag bezahlt werden, aber nur siebeneinhalb Stunden arbeiten müssen. Es gehe um die Herstellung von Fairness und Gerechtigkeit zwischen allen ArbeitnehmerInnen, so Alm.

Die NEOS blieben mit ihrer Kritik allerdings alleine, sowohl was das Gesetzespaket als auch was die Frage der bezahlten Mittagspause für BeamtInnen betrifft. So meinte etwa FPÖ-Abgeordneter Christian Lausch, dass die Novelle ein Weg in die richtige Richtung sei, wobei er sich besonders darüber erfreut zeigte, dass auch einzelne Forderungen der FPÖ in das Paket eingebaut wurden. Auch sein Fraktionskollege Günther Kumpitsch sieht viele positive Punkte wie die bessere Bewertung von Unteroffizieren. Bedauert wurde von Lausch, dass in Bezug auf den vorliegenden FPÖ-Antrag betreffend Doppelbestrafung von BeamtInnen keine Lösung gefunden werden konnte.

Auch ein von Kumpitsch eingebrachter Entschließungsantrag blieb in der Minderheit. Dieser zielte darauf ab, die so genannte "E2b-Zulage" für ExekutivbeamtInnen zu erhöhen und sie als "echte" Zulage im Gehaltsgesetz zu verankern, damit sie auch pensionswirksam ist. Die Zulage in der Höhe von 35 € sei vor zehn Jahren eingeführt und seither nicht erhöht worden, kritisierte Kumpitsch.

Für Christoph Hagen vom Team Stronach ist die Gesetzesnovelle "in Ordnung". Für die Zukunft wünscht er sich allerdings ein höheres Gehalt für ExekutivbeamtInnen. Diese sollten auch im Krankenstand, wenn alle Zulagen wegfallen, von ihrem Einkommen leben können.

Namens der Grünen kündigte Albert Steinhauser Unterstützung für das Gesetzespaket an. Seine Fraktionskollegin Aygül Berivan Aslan sprach sich dafür aus, den Opferschutz bei Disziplinarverfahren weiter zu verbessern. Konkret geht es ihr darum, Opfern von sexueller Belästigung und Mobbing das Recht auf kostenlose psychosoziale Prozessbegleitung einzuräumen, ähnlich wie in der Strafprozessordnung. Zudem wünscht sie sich eine Ausweitung der Möglichkeit von kontradiktorischen Einvernahmen. Untermauert wurde die Forderung der Grünen durch einen Entschließungsantrag, der jedoch keine Mehrheit fand.

Kein Aus für bezahlte Mittagspause im öffentlichen Dienst

Einmütig abgelehnt wurde die Forderung der NEOS, BeamtInnen die bezahlte Pause zu streichen. Sowohl Abgeordneter Lausch als auch Abgeordneter Steinhauser warfen den NEOS billigen Populismus vor und machten geltend, dass man Pausen im öffentlichen Dienst aufgrund der ständigen Verfügbarkeit nicht mit Pausen in der Privatwirtschaft vergleichen könne. Dazu liege auch ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vor, betonte Lausch. Die NEOS wollten mit ihrer Forderung nur Neid schüren und strebten insgesamt Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen an, ist Steinhauser überzeugt. Ähnliches vermutet auch Abgeordneter Kumpitsch. Team-Stronach-Abgeordneter Hagen kann sich zumindest für ExekutivbeamtInnen wegen der notwendigen Einsatzbereitschaft keine unbezahlte Mittagspause vorstellen.

Auch die ÖVP-Abgeordneten Beatrix Karl und Bernd Schönegger wandte sich ausdrücklich gegen "Beamten-Bashing". Nach Meinung von Karl sind BeamtInnen nicht gegenüber Beschäftigten der Privatwirtschaft privilegiert. Schließlich gebe es im öffentlichen Dienst eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden, während viele Kollektivverträge nur 38,5 Stunden vorsehen. SPÖ-Abgeordneter Otto Pendl betonte, dass es faire Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst brauche. Man könne auf die Arbeit der öffentlich Bediensteten stolz sein, diese seien Garant für das Funktionieren des Rechtsstaats, unterstrich er. Die NEOS seien offenbar nicht bereit, eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu akzeptieren, hielt Angela Lueger (S) fest.

Neben Karl, Pendl, Lueger und Schönegger begrüßten von Seiten der Koalitionsparteien auch die Abgeordneten Peter Wittmann (S) und Wolfgang Gerstl (V) das vorliegende Gesetzespaket. Gerstl wies darauf hin, dass die vorliegende Novelle zwischen der Regierung und der Gewerkschaft öffentlicher Dienst ausverhandelt wurde und der Nationalrat lediglich eine Kontrollfunktion ausübe. Wittmann hob unter anderem die künftige Durchlässigkeit zwischen Verwaltungsgerichten und ordentlichen Gerichten hervor. Schönegger sieht in der besoldungsrechtlichen Aufwertung von Unteroffizieren und SoldatInnen in Chargenverwendung einen wesentlichen Beitrag zur Attratkivierung der Berufslaufbahn beim Bundesheer.

Duzdar: Effizienter Staat braucht starken öffentlichen Dienst

Staatssekretärin Muna Duzdar betonte, ein effizienter und moderner Staat brauche einen starken öffentlichen Dienst. Ihr zufolge nimmt der öffentliche Dienst in Österreich in vielen Punkten eine Vorreiterrolle ein. Duzdar wies etwa auf den hohen Frauenanteil unter den Beschäftigten, die viel geringeren Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen gegenüber der Privatwirtschaft, die Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht und den steigenden Frauenanteil in Führungspositionen hin. Der Bund sei auch einer der größten und wichtigsten Lehrlingsausbildner in Österreich. Viel Lob gab es von Duzdar auch für die Beschäftigten.

Was die Frage des Opferschutzes in Disziplinarverfahren betrifft, wies Duzdar darauf hin, dass Frauen bei sexueller Belästigung künftig eine Vertrauensperson zu Befragungen mitnehmen können. Für die Zukunft kann sie sich auch eine Ausweitung der audiovisuellen Vernehmung auf Erwachsene vorstellen. (Fortsetzung Nationalrat) gs